Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Oktober 1906 erteilt wird rückwirkend vom Anfang 
des Schuljahres an. 
Seit 17. September 1906 ist Frl. Irma Klein durch 
stadträtliches Dekret als Lehrerin an der Schule 50). 
Der äußerst bewährte Schulleiter Hermann Freund 
tritt am 1. August 1909 mit belobender Anerkennung 
des Bezirksschulrates und des Rabbinates in den wohl¬ 
verdienten Ruhestand, für welchen der bisherige 
Hilfslehrer an der Kommunalhandelsschule Adolf 
Kahn als provisorischer Leiter eintritt. 
Der Ausbruch des Krieges veranlaßte natürlich auch 
für die jüdische Schule fühlbare Unregelmäßigkeiten 
Verlegungen der Schulräume, Ausfall von Unterrichts¬ 
stunden, einen Zuzug von Flüchtlingskindern, für die 
in Turn eine besondere Flüchtlingsschule eröffnet 
wurde und erst 1918 trat mit Rückverlegung der 
Unterrichtsräume in die ehemalige Schule in der 
Alleegasse wieder ein geregelter Unterricht ein. 
Oberlehrer Adolf Kahn 
Oberlehrer Hermann Freund 
Im Jahre 1928, nach der dem Leiter Adolf Kahn 
erteilten Genehmigung der angesuchten Pensionierung, 
übernimmt Frl. Klein die provisorische Leitung, unter¬ 
richtet bis zum Eintritte der Aushilfslehrerin Frau 
Hedwig Ungerleider im Herbst 1929 in allen Klassen 
und übernimmt mit stadträtlichem Dekret vom 20. 
August 1929 die Leitung der Schule. 
Frl. Klein konnte also mit dem verflossenen Schul¬ 
jahre auf 25 Jahre gewissenhafter, mühevoller Tätig¬ 
keit an dieser Unterrichtsanstalt zurückschauen. Am 
Beginne des Schuljahres 1930/1931 trat Frl. Margit 
Brecher ihren Dienst an dieser Schule an, nach deren 
Abgang im Jahre 1931 Frau Ungerleider wieder an 
dieser Schule tätig ist. 
Die Frequenz an dieser Schule zeigt eine interes¬ 
sante Linie. 
Hermann Freund beginnt seine Lehrtätigkeit 1885 
mit 28 Zöglingen (16 Knaben und 12 Mädchen), 1893 
hat die Schule die bisher höchste Schülerzahl von 
109 Kindern (60 Knaben und 49 Mädchen) und seit¬ 
dem sinkt der Besuch mit Ausnahme der Kriegsjahre, 
in welchem die Flüchtlingskinder die Besuchsziffer 
bis auf 100 wachsen lassen. Nur das Jahr 1908/10 
zeigt mit über 100 Zöglingen die höchste Zahl 
und das Jahr 1925/26 die niedrigste Ziffer mit 34; 
seitdem nimmt der Besuch wieder zu. Im Schuljahre 
1929/30 war die Schule in ihren zwei Klassen mit je 
zwei Abteilungen von 64 Schülern (31 Knaben und 
33 Mädchen) besucht. 
Die Schule wurde in der früheren Zeit von den 
Inspektoren und außerdem von den von der Kul¬ 
tusgemeinde 1890 beauftragten Ortssohulaufsehern 
Josef Rindskopf und Dr. Karl Kraus und Ludwig 
Steiner (1910) beaufsichtigt. Das Rabbinat hält noch 
jetzt die alljährlichen Religionsprüfungen am Ende 
des Schuljahres ab. 
Unsere jüdische Schule bildete seit jeher eine wert¬ 
volle Stätte, an welcher neben einem gründlichen 
Unterrichte in den allgemeinen Fächern auch der jü¬ 
dischen und religiösen Geistes- und Herzensbildung 
der Kinder gebührende Aufmerksamkeit geschenkt 
worden ist. 
Da die Schule am Sabbath geschlossen ist und seit 
dem Jahre 1919/20 auch Sonntags der Unterricht ent¬ 
fallen muß, ist sie auch ein religiös zu bewertender 
Faktor unseres jüdischen Lebens, dem eine weitere 
gedeihliche Entwicklung zu wünschen ist. Jedenfalls 
wird die Gemeinde allen Bestrebungen, dieses alte 
jüdische ideale Besitztum zu schädigen, zu begegnen 
wissen. 
Vereine. 
Zu den ältesten Einrichtungen unserer Gemeinde 
zählen auch wohltätige Institute, die schon über 100 
Jahre, z. T. vermutlich schon weit älter sind. 
Die Aufgaben der Gemeinde in religiöser Bezie¬ 
hung werden zum Teile erfüllt von der ehrwürdigen 
alten -j ; .'■■■ ; < 
„Chewra-Kadischa", 
der heil. Beerdigungsbrüderschaft. 
Die Geschichte dieser Brüderschaft, deren Ursprung 
weit zurückgreift — wir begegnen ihr in unserer 
Darstellung schon am Anfang des 19. Jahrhunderts, 
aber sie ist gewiß viel älter —, bedarf noch der ein¬ 
gehenden Erforschung und Darstellung. 
An ihrer Spitze steht seit dem Jahre 1931 Inge¬ 
nieur Wilhelm Buchwald? der, wie sein Vorgänger 
Dr. Glässner, mit seinen Mitarbeitern die Aufgaben 
dieses religiösen Vereines gewissenhaft und würdig 
versieht. Einer der verdienstvollsten Mitbegründer 
der jetzt noch bestehenden Chewra und ihr Führer 
war Abraham Lippmann und zur Zeit der Amtierung 
Dr. Rosenzweigs Samuel Fürth. 
Die Chewra ist — wohl geleitet — der Kreis, in 
welchem in unserer Gemeinde noch ein Rest altjüd. 
Geistes sich erhalten hat. Unter der würdigen Leitung 
des Obmannes Ing. Buchwald übt sie in vorbildlicher 
Weise unter treuer Mitarbeit ihres Vorstandes und 
der Brüder die Pflichten, die ihr Statuten und Reli¬ 
gion auferlegen, aus. Wir haben die pflichtgetreue 
Arbeit des derzeitigen 1. Tempelvorstehers Adolf 
Karpeles in ihr bereits erwähnt51). Es würde Zweck 
und Rahmen dieser Arbeit weit überschreiten, alle 
die Männer aufzuzählen, die seit Jahrzehnten und 
Jahren opferfreudig den Aufgaben der Chewra die¬ 
nen. Besonders erwähnt seien Friedrich Robitschek, 
Rudolf Adler, Rudolf Steiner, Richard Robitschek, 
Rudolf Stein, die diesem Ehrenamte hingebend obliegen. 
Im Jahre 1929 vereinigte nach 14 jähriger Unter¬ 
brechung ein Brudermahl (Chewra Seudah) die Brü¬ 
der und Freunde, wobei der Obmann Ingenieur Buch¬ 
wald einen Rückblick auf die Entwicklung entwarf 
und der Dank der Gemeinde in anerkennenden Wor¬ 
ten vielfach und herzlich zum Ausdrucke kam. 
Alljährlich am Vorabend der ersten Schewat, dem 
Gründungstag der Chewra, findet ein Bußgottesdienst 
mit einer Predigt der Rabbiners statt. 
Seit vielen Jahrzehnten sind mehrere Vereine in 
unserer Gemeinde tätig, welche religiös-huma¬ 
nitären Aufgaben sich widmen. 
Einer der ältesten ist das 
„Israelitische Lokalarmeninstitut66 
welches anläßlich des fünfzigsten Geburtstages Kaiser 
Ferdinand V. am 19. April 1843 gegründet worden 
00? 
Teplitz 22
	        
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