Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Neuerung in Bezug auf die Pflichten und Rechte des 
Gemeindevorstehers. Dieser habe unter dem Titel eines 
„Polizei- und Bezirksvorstehers4' sowohl für die In¬ 
teressen der Gemeinde alles Bestehende aufrecht zu 
erhalten, den Kultus zu heben, die Wohltätigkeits¬ 
anstalten zu unterstützen und das Gemeindeeinkom¬ 
men zu steigern, aber auch das Polizeiliche zu hand¬ 
haben und alle vier Wochen eine Beratung über alle 
Gemeindeangelegenheiten mit dem Ausschluß zu halten. 
Drei Gemeindemitglieder wurden laut Erlaß des 
Oberamtes für diese Polizeistelle vorgeschlagen. 
Samuel Hirschel, Benedikt Nagler, Wolf Blumberg. 
Hirschel wurde vom Oberamte als Vorsteher gewählt 
und trat somit an die Stelle des seit 1821 als Vor¬ 
steher amtierenden Joachim Perutz (1. Nov. 1839), 
welchem weiterhin als Synagogenvorsteher Aron Stern 
und als Ausschußmänner Josef Hahn und Marcus 
Birnbaum nebst dem Lehrer Stern zur Seite stehen. 
Das Oberamt hatte auch die Wahl eines andern 
Synagogenvorstehers an Stelle Sterns vorgeschlagen, 
die Gründe dafür sind nicht zu ersehen und obwohl 
der Kreisrabbiner David Pick mit äußerst anerken¬ 
nenden Worten den bisherigen Synagogenvorsteher zu 
belassen bat, stimmten einige Ausschußmitglieder da¬ 
für, daß dem Auftrage des Oberamtes Folge zu leisten 
sei. Vielleicht hatte die schlechte finanzielle Lage der 
Gemeinde Anlaß zu Unstimmigkeiten gegeben, denn 
in einem Rechtsstreit der Judengemeinde mit dem 
Magistrat um die „Ausästung44 der Sackgasse, die von 
der Judengasse nach links abzweigt, verweist der Vor¬ 
stand auf den Schuldenstand, „ohne zu wissen, wie 
solcher getilgt werden könne. Es sei überdies Pflicht 
des Magistrates auch des Ausbaues der Judenstadt, 
von der er Einkommen bezieht, sich anzunehmen44. 
Schließlich bewilligt die Judengemeinde 120 fi. C. M. 
Der Magistrat übernahm damals (1840) das neue Bad 
und sollte dem bisherigen Pächter Jakob Meiler für 
den Verdienstentgang eine Entschädigung zahlen, da 
die Gemeinde dazu nicht in der Lage sei. Das Ober¬ 
amt hat offensichtlich in dieser Zeit die Angelegen- 
heiten der Judengemeinde unter schärfere Kontrolle 
genommen. Die israelitische Armenkasse, deren Kas¬ 
siere Wolf Blumberg und zuletzt David Birnbaum 
gewesen, wurde über amtlichen Auftrag von der Ge¬ 
meinde selbst übernommen und Samuel Herrschmann 
amtlich als Kassier bestimmt, nach dessen Resignation 
Sigmund Lederer 1841 als Kassier zeichnet. 
Im selben Jahre beauftragt die Herrschaft die Neu¬ 
wahl des Vorstehers. Vorgeschlagen waren: Aron 
Baum, Moses Kantor, Simon Strasser, Samuel Hir¬ 
schel, A. M. Birnbaum, Abraham Glogau, Marcus 
Heller, Wolf Blumberg, Naphtali Katz, David Popper, 
Joachim Perutz und Josef Hahn. Simon Strasser 
wurde zum Vorsteher gewählt und um die Bestäti¬ 
gung beim Oberamte angesucht. Der Gewählte lehnt 
mit Rücksicht auf die „schmählichen Nachreden bei 
seinem Abtritte als Synagogenvorsteher ab44. Da auch 
der vorgeschlagene David Kohn eine Wahl refüsiert, 
übernimmt Leopold Kohn dieses Amt, legt es aber 
schon im August 1842 nieder und Aron Stern über¬ 
nimmt als neugewählter Gemeindevorsteher .die 
Führung der Gemeinde und die Verwaltung ihres 
Eigentumes. 
Worin bestand denn der Besitz der Judengemeinde? 
Da war 1. das Gemeindehaus Nr. 5, 2. das Gemeinde¬ 
haus in der Sackgasse Nr. 24—25, 3. das Aschenhaus, 
4. das Badehausgebäude samt dem Judenbad, 5. die 
Synagoge, 6. der Friedhof, 7. die Requisiten der 
jüdischdeutschen Schule, 8. die Requisiten zur Mazzot- 
hereitung unter Aufsicht des Isak Sonnewald. 
Die Einnahmen lauten auf 4821 fl. 54 kr, W. W., 
die Ausgaben auf 3414 fl. 35 kr., somit der Kassen¬ 
stand auf 1^07 fl. 19 kr. Die Krankenpflegeinstitution 
zeigt einen Kassenstand von 245 fl. 31 kr. und die 
Fremdenkassa von 33 fl. 38 kr. und zwei Staats- 
schuldenverschreibungen (im Jahre 1842). 
Mit diesen Feststellungen enden die Aufzeichnun¬ 
gen des Gemeindeprotokolls v. J. 1799 mit der Hin¬ 
zufügung, daß mit der Übergabe des Protokolls von 
Stern und E. L. Landesmann an Gottlieb Horwitz, 
d. i. bis zum 21. September 1849, kein Protokoll mehr 
in dieses Buch eingeschrieben und ein neues zum 
Ankauf bestimmt wurde. 
Es ist bedauerlich, daß trotz aller Bemühungen 
die Protokolle vom Jahre 1842 bis zum Jahre 1885 
bis zum heutigen Tag unauffindbar sind. Gerade diese 
Jahrzehnte sind ja die Zeit des Überganges aus der 
vormärzlichen Zeit zur neuen Gestaltung der politi¬ 
schen, sozialen und wirtschaftlichen Zustände. Es maß 
der Zukunft vorbehalten bleiben, diese Epoche jüdi¬ 
schen Lebens und innergemeindlicher Entwicklung im 
einzelnen darzustellen, bis ein glückliches Geschick 
uns hoffentlich doch in den Besitz der Aufzeichnun¬ 
gen bringen wird. 
Ich verweise deshalb ganz kurz auf die in Wanies 
Darstellung gebrachte Notizen aus nichtjüdischen 
Quellen. Die Judengemeinde wächst. Lebten um 
1850 500 Juden in Teplitz, so sind ihrer 1870 schon 
1280 unter 10.155 Einwohnern; 1880 bereits 1718, 
1890 ist die Zahl jüdischer Einwohner auf 1865 ge¬ 
stiegen bei 17.500 Einwohnern33). Wir müssen uns 
begnügen, einzelnes, was wir feststellen konnten, 
hier zu erwähnen. Im Jahre 1836, als Dr. Z. Frankel 
das Rabbineramt in Teplitz übernahm, begründete 
Aaphtali Katz das Badehospital, welches, wie die 
Aufschrift über dem Portal noch heute zeigt: 
„Badehospital für in- und ausländische arme 
Israeliten. Errichtet durch Nephtali Katz im Jahre 
1836.44 
bestimmt war und dessen Entwicklung ein Bild edler 
Wohltätigkeit und uneigennütziger Hilfsbereitschaft 
sowohl von Seiten der leitenden Ärzte, wie auch 
seitens der führenden Männer bietet. Als erster 
Primararzt wirkte viele Jahre Dr. Gottfried Schmel- 
kes, der auch im Rate der Stadt wirkte. Damals lag 
diese Wohltätigkeitseinrichtung noch in ihren An¬ 
fängen. Im Jahre 1831 war das Institut mit wenigen 
Betten im Gemeindehause untergebracht worden und 
erst später übersiedelte es in das von Nephtali Katz 
angekaufte größere Heim in der Lindenstraße. Seinen 
Direktoren, unter denen Josef Rindskopf einer der 
ersten war, gelang es, durch Errichtung frommer 
Stiftungen seitens wohltätiger Juden und durch kluge 
und energische Aktionen das Institut immer weiter 
auszubauen und tausenden Kranken im Laufe der 
Jahrzehnte die Wohltat der Teplitzer Thermen an- 
gedeihen zu lassen. Bis zum Jahre 1932 hatten weit 
an 10.000 Kranke unentgeltliche Verpflegung und 
ärztliche Behandlung während der Sommermonate ge¬ 
nossen, die sich aus verschiedenen Staaten Europas 
rekrutieren. 
In diesem Jahre wurde einem der edelsten Men¬ 
schen unserer Stadt und unserer Gemeinde, dem 
Geheimen Sanitätsrat Dr. Ignaz Hirsch, im Vorräume 
des Hospitals von dankbaren Patienten eine ehrende 
Gedenktafel gewidmet und am 10. August 1909, dem 
ersten Jahrestage seines Todes, unter Anwesenheit 
zahlreicher Ehrengäste aus den Kreisen des politi¬ 
schen Amtes, des Gerichtes, der Stadt, der Fach¬ 
genossen und der Kultusgemeinde feierlichst enthüllt, 
Teplitz 13 
658
	        
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