Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Viele Steine sind im Verlaufe von bald 300 Jahren 
verwittert, die Inschriften unleserlich geworden und 
die oben erwähnte vor Jahrzehnten durchgeführte 
Übermalung der Buchstaben hat überdies eine be¬ 
dauerliche Verschlimmerung des Schriftsatzes herbei¬ 
geführt, so daß vielfach der Text verdorben, ja 
geradezu unverständlich wurde. Es wird die Aufgabe 
einer späteren Prüfung sein, die Inschriften dieses 
alten ehrwürdigen Friedhofes zu erfassen und zu 
enträtseln. Der letzte in diesem Hause des Lebens 
Beerdigte war David Birnbaum am 4. d. 10. 1862. 
Mit einer feierlichen Ansprache des damaligen Orts¬ 
rabbiners Rabbi David Pick wurde diese Ruhestätte 
am 23. Oktober 1862 geschlossen und der neue Fried¬ 
hof eröffnet. Diese Predigt ist uns handschriftlich er¬ 
halten in dem oben genannten Sterbe-Verzeichnis der 
Verstorbenen und auch im Drucke erschienen. 
In einsamer Schönheit liegt dieser alte Friedhof, 
fern dem Lärme der Stadt und im Hintergrunde ragt 
die gewaltige Kuppel unseres herrlichen Tempels 
empor, den Besuchern des Friedhofes ein stimmungs¬ 
volles Symbol der sich erneuernden Lebenskraft des 
Judentums. 
Dieses alte Erbe unserer Gemeinde steht, wie der 
neue Friedhof, unter der treuen Obhut des vor eini¬ 
gen Jahren gegründeten Vereines zur Erhaltung und 
Verschönerung der jüdischen Friedhöfe in Teplitz. 
An einigen Tagen des Jahres öffnet sich die Pforte 
des guten Ortes dem öffentlichen Besuche und Juden 
und Christen besuchen die heilige Stätte, um die aus 
Lippmann Saméis „Teplitzer Judengeschichte44 be¬ 
kannten Grabstätten Noteis, Frumets, Resel Mache- 
weks und Peierl Fleischhackers zu besuchen27). 
Einfache Denkmäler aus älterer Zeit und kostbare 
aus der jüngsten Vergangenheit reden ihre eindring¬ 
liche Sprache, kündet vom Vergehen der Generationen 
und! von der Wahrheit des Talmudwortes, daß die 
Erde, die uns geboren, unaufhörlich nach ihren Kin¬ 
dern ruft: gib, gib! Immer weiter erstreckt sich der 
belegte Raum. 
Der neue Friedhof, eröffnet im Jahre 1862, birgt bis 
heute gegen 2200 Grabstätten, darunter die Ruhestätte 
etlicher Aschenurnen. Schlichte Denkmäler und künst¬ 
lerisch hervorragende weisen auf die hier Ruhenden: 
Der Friedhof zeigt dank der Fürsorge des genannten 
Vereines eine tadellose Erhaltung aller Grabstätten; 
auch die Ärmsten und der Hinterbliebenen Entbehren¬ 
den finden sorgsame Betreuung ihrer Ruhestatt. 
* 
Die Gemeinde hatte um 1818 ein neues Gemeinde¬ 
haus gebaut, welches auch als Armen- und Kranken¬ 
haus diente. Es enthielt zu ebener Erde 2 Zimmer und 
Küche mit 2 Backöfen, „worin die Pächter verbunden 
sind die sogenannten Barches, das Sabbathessen, wie 
sonst gewöhnlich gegen gebührende Zahlung, und die 
Osterkuchen zu backen" und außerdem im ersten 
Stock 2 Stuben, eine Kammer und eine Küche. Im 
zweiten Stock 1 Stube, einen Alkoven und 1 Küche. 
Ein flotter Wettbewerb unter den Juden Juda Golden¬ 
stein, Beer Perutz, Benedikt Kantor, Abraham Hor- 
witz, Josef Herschel und Rafael Freudenberg erweist 
den Erstgenannten als zahlungsfähigsten Pächter des 
Gemeindehauses auf 3 Jahre (160 Gulden pro Jahr), 
wobei in guter altjüdischer Fürsorge für fremde und 
Arme dem Moses Steinhauer nebst einem Zimmer für 
sich und für „ordentliche arme Fremde46 auch eine 
Parterrestube für fremde Bettelleute überlassen wird. 
Überhaupt hat die Gemeinde, wie es wohl überall der 
Fall war, für die Bedürftigen und Durchwandernden 
in der Weise Vorsorge getroffen, daß die Baale 
Batim, die Familienväter, nach einer bestimmten Ord¬ 
nung „Boletten44 (Speisemarken) übernahmen, die den 
Armen übergeben, ihnen Speise und Trank in den 
Familien für eine gewisse Zeit sicherten. Schlaf¬ 
stätten fanden sie ja im Armenhaus. Die Armenpflege 
scheint gut organisiert gewesen zu sein. Wir finden 
im Jahre 1811 Isaias Popper als Armenvorsteher, dem 
die Aufsicht und Führung der Armenpflege überant¬ 
wortet war. In späterer Zeit wird diese Armenfiir- 
sorge weiter organisiert und wir finden dann eine 
Anzahl von humanitären Vereinen, welche, wie wir 
sehen werden, verschiedene Versuche zur Zentrali¬ 
sierung der gesamten Armen- und Krankenpflege 
machen, darüber a. a. 0. Die Fleischpacht (der 
Fleischpardon) war 1801 an Simon Blumberg über¬ 
gegangen, der mit 665 Gulden die andern Bewerber 
schlug. Die Pacht des Bades hatte in diesen Jahren 
Josef Steinhauer für 680 Gulden, nach dessen Tode 
seine Witwe, die Steinhauerin, übernommen, der 
allerdings das Pachtquantum i. J. 1810 bedeutend 
erniedrigt wird, da die Einkünfte des Bades „durch 
die eingefallenen Kriegszustände44 viel Schaden ge¬ 
litten und auch der Magistrat dem Pächter von 
seinem Pachtschilling ein Ansehnliches nachgesehen 
hatte. Übrigens bürgte sie ja nicht nur mit ihrem 
Vermögen für den Zins, sondern auch ihr Schwieger¬ 
vater Moses Steinhauer diente ihr mit seinem Tem¬ 
pelsitze als „Cavent44 gegenüber der Gemeinde. 
Es würde zu weit führen, im einzelnen die wech¬ 
selnden Pächter dieser Gemeindeinstitutionen aufzu¬ 
zählen und es sei nur bemerkt, daß oftmals Bäder, 
Fleischkreuzer und Gemeindehauspacht unter fast 
immer gleichen Bedingungen in einer Hand vereinigt 
waren und daß uns als Pächter des Fleischpardons 
überliefert sind: 
David Kulb, der, wie schon oben bemerkt, be¬ 
reits im Jahre 1801 das Rabbinat übernommen 
hatte, Josef Horwitz, Josef Steinhauer, Nathan 
Fleschner, Rafael Freudenberg, Beer Perutz, Mi¬ 
chael Ochs, Moses Spira, Ephrajim und Rafael 
Freidenberg (sie), Koppelmann Kantor und Juda 
Ochs. Als Badepächterin mitunter auch als Gemeinde- 
hauspächterin die oben genannte Wittib Steinhauerin, 
Witwe nach Josef Steinhauer, der Schutzjud Abra¬ 
ham Spitz, Esther Zunz, Klara Wienerin, Josef und 
Karoline Wienerin, Moses Eilenburg, Josef Herschel, 
Emanuel Steinhauer. Im Jahre 1809 d. d. 20. Jänner 
hat die K. K. jüdische Steuerdirektion in Prag eine 
neue Verordnung bezüglich der Besteuerung erlassen, 
welche laut der Wien 9. November 1808 angeordne¬ 
ten Verzehrungssteuerabgabe ab 1. Hornung 1809 die 
Verzehrungssteuerabgabe verpachtet. 950 Gulden 
werden als Pauschalquantum der Judenschaft an den 
Kassier Benedikt Kantor abgeführt, der sich Bezirks¬ 
steuereinnehmer tituliert. Damit hört das Recht der 
Gemeinde auf Besteuerung der Eßwaren auf, der 
Fleischpardon endet und es wird dafür die Verzeh¬ 
rungssteuer verpachtet, welche das erste Mal mit 
1591 Gulden an Rafael Freudenberg übergeht, wobei 
die Orte Sensomitz und Türmitz in den Steuerkreis 
eingezogen werden. 
Mancher heute führende Name in Gemeinde und 
Industrie findet sich schon um die Wende des 18. 
Jahrhunderts, freilich als Schutzjude der Herrschaft, 
als Familiant, d. h. als Inhaber einer der Nummern 
hiesiger Judenfamilien, deren Zahl nur mit behörd¬ 
licher Genehmigung der Herrschaft überschritten 
werden durfte und deren Söhnen, außer dem Erst¬ 
geborenen, eine Heirat im Orte nur dann erlaubt war, 
Teplitz 7 
053
	        
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