Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

und Halacha zu lehren hatte. Die Kinder, die diesen 
Unterricht genossen, mußten -/'4 des Lohnes entrich¬ 
ten, -/4 wurde gleichmäßig auf jeden Einzelnen auf¬ 
geteilt, die Hälfte wurde der Anlage entnommen. 
Das Judenschutzgeld wurde für die ganze Gemeinde 
mit einem Pauschalbetrag von 100 Gulden jährlich 
festgesetzt. Wer den behördlichen Schutz genießen 
wollte, mußte 2 mal im J. an die Gemeinde je 5 Gul¬ 
den bezahlen; ein eventueller Fehlbetrag wurde der 
Anlage entnommen. Alle sonstigen Auslagen wurden 
zu % aus der Anlage bestritten, der Rest wurde auf 
jeden Einzelnen zu gleichen Teilen aufgeteilt. 
Der größte Feind der Stadt und der Juden waren 
die vielen und verheerenden Brände. Außer den 
Bränden der vorhergehenden Jhte. folgten im J. 1719 
und dann 1748 derart verheerende Brände, die stets 
die Judengasse vernichteten. Dem letzteren Brande 
fielen sogar 5 Menschenleben zum Opfer, darunter 
eine Jüdin10). 
Der Brand im J. 1748 hatte doch das Gute zur 
Folge, daß der Herrschaftsbesitzer Graf Adolf Fillipp 
Losi von Losimtal am 20. Jänner 1749 eine Feuer- 
lösichordnung erließ, wobei die Juden folgende Lösch¬ 
geräte auf eigene Kosten beistellen mußten: 4 große 
Wassertonnen mit eisernen Reifen, 4 Feuerhaken, 12 
Vi assereimer und 4 Leitern. Außerdem mußte ein je¬ 
der Jude, wenn er heiratete, stets einen neuen ledernen 
Wassereimer beistellen. Das war die Hälfte dessen, was 
die ganze Stadt beizustellen hatte. 
Um diese Zeit kamen zu den 8 Judenhäusern noch 
4 dazu, und zwar die CNr. 519 bis 522, auf der ent¬ 
gegengesetzten Seite, der bisher bestandenen. 
Am 8. April 1771 wurde anläßlich einer Konskrip¬ 
tion der Häuser ein eigenes Grundbuch für die Juden¬ 
häuser angelegt und die Häuser erhielten die Num¬ 
mernbezeichnung in den römischen Zahlen I bis XII. 
Ein jedes dieser Häuser wurde in 4 gleiche Teile ge¬ 
teilt und jeder Teil erhielt ein eigenes Grundbuch¬ 
blatt. Ein jeder Teil ist genau beschrieben als 1., bzw. 
2., 3., oder 4. Teil, mit genauer Angabe der Lage und 
Größe, des Benützungsrechtes von Küche, Boden, 
Keller und der Sukkoh. Diese waren unter dem Da¬ 
che, eine Art mansardenartiger Aufbau, mit zu öffnen¬ 
den Dachteilen. 
Der Hausteil bestand zumeist aus einem Wohn¬ 
zimmer und einer Kammer, selten mehr, die Küche 
war zumeist gemeinsam, ebenso Boden, Keller, Gänge 
und Stigenhaus. 
Das war das ganze um und auf einer Familie und 
jeder Familenvater trachtete dies seinem Kinde zu 
erhalten. So kam es, daß oft 3 Generationen zusam¬ 
men in diesen beschränkten Räumen wohnten. 
Den grundbücherlichen Eintragungen zufolge, wa¬ 
ren die meisten Häuser mit Hypotheken belastet, so¬ 
gar die Tempelsitze. Der Numerus clausus bei den 
Wohnhäusern, trieb die Preise der Wohnteile schreck¬ 
lich in die Höhe, so daß sie in keinem Verhältnisse 
zu ihrem faktischen Werte standen11). 
Trotz aller dieser Beschränkungen und tatsächlich 
bescheidenen Verhältnissen der Tachauer Juden, wur¬ 
de das Torastudium gepflegt, neben dem Rb., — der 
regelmäßig eine Kapazität war, — wirkten noch meh¬ 
rere Rabbonim und es sind aus der Tachauer Schule 
eine ziemliche Anzahl Toragelehrter hervorge¬ 
gangen. 
Aus den bisher entzifferten Grabsteinen ist zu ent¬ 
nehmen, daß Rb. Jehuda Löb Raschwitz bis zu 
seinem Tode am 10. Tebet 5545 — 23. Dezember 
1784, als Rosch Beth in Tachau wehagalil Pilsen, hier 
gewirkt hat. Zu gleicher Zeit wirkten hier Rb. Na¬ 
tan S c h a k, gest. 13. Ab 5545 — 20. Juli 1785 und 
Rb. Nachum S o f e r, gest. 30. Nissan 5575 — 
10. Mai 1815 12). 
Der Nachfolger des Rb. Raschwitz auch als Krb. 
von Pilsen war Schemuel H a k o li e n, gest. 30. Ab 
5571 (20. August 1811). 
Die Wohnungsbeschränkungen lockerten sich erst 
gegen Ende des 18. Jhts., hauptsächlich infolge der 
toleranten Gesetze Josef II. 
Die Juden traten als Pächter allerlei Industrieunter¬ 
nehmungen, wie Branntweinhäuser, Flußhäuser, Glas¬ 
hütten u. dergl. auf. 
Im J. 1774 pachteten Anschl Heller und sein 
Sohn M e n d 1 die Flußhäuser am Holing 13). 
Im J. 1798 pachtete Eljakim Bloch die Glashütten 
in Schönwald und seine Söhne im J. 1822 die Glas¬ 
hütten in Goldbach und Altfürsthütten. 
Im J. 1780 wurde Seligmann Adler als Strumpf¬ 
wirker und Abraham Steiner als Fleischhauer in 
die betreffenden Zünfte aufgenommen14). 
Bewirkte dieses schon eine Lockerung der Woh¬ 
nungsnot, so tat es der Umstand noch umso mehr, als 
Ende des 18. Jhts. bereits, Liegenschaften außer¬ 
halb des Ghettos von Juden aufgekauft wurden. Die 
jüdischen Käufer beließen oft den Käufer als grund¬ 
bücherlichen Eigentümer und belasteten die Realitä¬ 
ten mit Forderungen oder langjährigen Pachtverträ¬ 
gen zu ihren eigenen Gunsten, um sich ihre Eigen¬ 
tumsrechte zu sichern und so den Landtagsbeschluß 
vom J. 1650 zu umgehen15). 
Im J. 1791 kauft Wolf Stern die Häuser CNr. 125 
und 126 1(!). 
Am 23. Mai 1806 kam nachts ein Brand zum Aus¬ 
bruche, welches der Jude Joisl Dorn zuerst bemerkte, 
wobei es ihm gelang, die Bürgerschaft derart zu alar¬ 
mieren, daß es möglich war, das Feuer zu ersticken 
bevor es noch an Umfang zunehmen konnte, wodurch 
die Stadt vor einem großen Brandunglück bewahrt 
wurde 17). 
Am 3. Feber 1818 um V^3 Uhr morgens, brach bei 
David Wolf Stern wieder ein Brand aus, der 12 
Judenhäuser, den Tempel und sämtliche Geburtsregi¬ 
ster vernichtete. Das Feuer wütete bis 8 Uhr früh und 
gar nichts konnte gerettet werden. Die Stadt wurde 
von diesem Brande nicht in Mitleidenschaft gezogen, 
weshalb in der Chronik vermerkt wurde: 
„Es ist gewiß, daß der heilige Florian seinen 
Verspruch für das liebe Tachau bei Gott gemacht 
hat" 
Die Judenhäuser, welche diesem Brande zum Opfer 
fielen, waren die Häuser Nr. I. bis VIII. (511 bis 518), 
die Synagoge und die CNr. 125, 126, 127, und 128 1S). 
Die Häuser CNr. 125 bis 128 waren keine Juden- 
häuser, da jedoch von den Judenhäusern nur die Häu¬ 
ser I bis VIII dem Brande zum Opfer fielen, so ist 
anzunehmen, daß der Chronist die ersteren auch zu 
den Judenhäusern zählte, zumal sie wohl tatsächlich 
Juden im Besitze hatten und zeitweise auch grund- 
bücherlich als Besitzer ausgewiesen waren. Mit dem 
Landesgubernialerlasse vom 2. März 1820, Z. 46.299, 
wurden die diesbezüglichen Kaufverträge annuliert 
und diese Objekte fielen wieder den Ursprungsbe- 
sitzern zu. Die Rechtsfolgen dieses Gubernialerlasses 
waren jedoch nur scheinbare im Grundbuch ersicht¬ 
liche, im eigentlichen blieben die Juden doch im fak¬ 
tischen Besitze der Häuser. Die Umschreibung im 
Grundbuche ging in den J. 1850 bis 1860 glatt ohne 
Schaden für die Besitzer vor sich19). 
Der Brand im J. 1818 brachte in die Judengasse 
eine ganze Umwälzung. Der Tempel erfuhr eine Ver¬ 
längerung zur Südseite und wurde der Stadtmauer 
angeschlossen. In diese Mauer wurden westwärts 2 
Ö33 
Tachau 3
	        
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