Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

wurde der Tempel innen umgebaut, im J. 1883 reno¬ 
viert. 
Der letzte T. V. war Josef Hostov,sky (1907 
bis 1927). 
Der F riedhof liegt am Nordostabhang des Rosa¬ 
lienberges und ist vor mindestens 260 Jahren ange¬ 
legt worden. In S. gab es vor Jhzt. auch eine Ch. K. 
Zur Senftenberger K. G. gehören auch einige Städte 
und Ortschaften aus dem Senftenberger polit. Bezirk; 
Geiersberg, Grulich, Wichstadtl, Gabel a. d. A. und seit 
dem J. 1893 auch die Juden in Rokitnitz, welche frü¬ 
her eine selbständige Gemeinde gebildet haben. Um 
die Mitte des 19. Jhts. wohnten einzelne Judenfamilien 
auch in einigen umliegenden Dörfern, wie Zampach, 
Nekor (je eine Familie Saxl) und Pecin. Außerdem 
gehören zum Gemeindesprengel noch Wildenschwert, 
Hilbetten, Libchavy und Sopotnice im polit. Bezirk 
Landskron. 
Die gegenwärtige Seelenanzahl läßt sich nicht genau 
feststellen. Bei der letzten Volkszählung im J. 1921 
bekannten sich im polit. Bezirk S. 119 Personen zur 
jüdischen Konfession, u. zw. nach Gerichtsbezirken: 
Senftenberg 74, Grulich 33, Rokitnitz 12. I'm Gerichts¬ 
bezirk Wildenschwert waren es 104. In dieser Zahl 
sind aber auch die Juden von B. Trübau und Parnik 
enthalten (ca. die Hälfte), die zur K. G. Litomysl ge¬ 
hören. Gegenwärtig ist die Zahl der Gemeindemitglie¬ 
der kleiner. An Steuerzahlern waren für das J. 1928 
noch 55 vorgemerkt. 
Wie schon erwähnt, wohnten in S. seinerzeit an 30 
Judenfamilien. Interessant ist die große Zahl der Fa¬ 
milien Saxl, von denen es gleichzeitig nicht weniger 
als 5 in S. und ebensoviel in der Umgebung gab. Sie 
gehörten zu den ältesten Juidenfamilien in S. Nach und 
nach verringerte sich die Zahl der Judenfamilieii, 
meistens infolge Domizilwechsels vieler. Gegen¬ 
wärtig wohnen nur noch 6 jüdische Familien in S. 
Im J. 1932 ließ Herr Josef Netti, Fabrikant in S., 
um das Andenken seines verstorbenen Vaters zu 
Ehren, am Friedhof eine neue, schöne Zeremonien¬ 
halle erbauen, den Friedhof vergrößern und ver¬ 
schönern. 
Als um die Gemeinde und das öffentliche Leben 
verdiente Persönlichkeiten sind zu nennen: 
Im J. I9OO war es Gustav Fischi der die Ver¬ 
dienstmöglichkeiten in dieser armen Gegend durch 
Gründung der „Geiersberger mechanischen Weberei 
Gustav Fischi, Friedrich Engel44 erweiterte und diesem 
Unternehmen seine reiche Erfahrung und unermüd¬ 
liche Schaffenskraft bis zu seinem letzten Atemzuge 
widmete. Geb. am 26. April 1857 als Sohn des Kauf¬ 
mannes Alexander Fischi und seiner Frau Karoline, 
geb. Markus, in Pardubitz. Er praktizierte in Pardu¬ 
bitz, dann in Horitz. Er begann als Weber und lernte 
alle Zweige von Grund auf kennen. Schon mit 19 Jah¬ 
ren war er Fabriksdirektor in H. Im J. 1890 heiratete 
er seine Frau Leonie, geb. Jerusalem. 1893 rief er in 
Kompagnie mit Herrn Louis Weiß die noch heute in 
d( ssen Besitz befindliche Weberei ins Leben. Er starb 
nach einem arbeitsreichen Leben am 6. November 
1930 in Geiersberg. Kinder: Martha, verh. Glück 
(Prag), Marianne, verh. Glück (Podiebrad), Erna, 
verh. Tutsch (Budapest), Vally und Alexander. 
Leopold Gottlieb in Grulich war K. V. in den 
J. 1897—1920. Er hat sein Amt besonders gewissen¬ 
haft ausgeübt. Noch als 83 jähriger Greis ergreift er 
nach dem Ableben des letzten K. V. Ad. Bass die Ini¬ 
tiative und bemüht sich, das bei den maßgebenden 
Gemeindeangehörigen erloschene Interesse an der Er¬ 
haltung der zwar zusammengeschrumpften, doch bei 
gutem Willen immerhin noch lebensfähigen Gemeinde 
zu ordnen und ihr weitere Leitung zu sichern. Leopold 
Gottlieb war auch Mitglied der Repräsentanz der 
Landesjudenschaft Böhmens. 
Adolf Bass war V. Stv. in den J. 1905—1920 und 
seit 1912 auch Matrikenführer. Von 1920 bis zu sei¬ 
nem am 30. Nov. 1929 erfolgten Ableben war Ad. 
Bass K. V. Er war einer von den immer aufrechten, 
die gute jüdische Tradition hochhaltenden Juden, wie 
man sie auf dem Lande leider immer seltener antrifft. 
Seiner Fürsorge ist es zu danken, daß in den letzten 
Jahren des Verfalls der Gemeinde, wenigstens am 
Rosch-Haschonoh und Jom Kippur unter Teilnahme 
der auswärtigen Gemeinideangehörigen im Tempel 
Gottesdienst abgehalten werden konnte, wobei Adolf 
Bass selbstlos und uneigennützig die Funktion des 
Vorbeters auf sich nahm. 
Josef Hostovsky, geb. am 5. März 1853, gest. 
am 2. März 1927; war Stv. in den J. 1901—1904 und 
seit 1907 T. V. Er gehörte zu den geachtesten Persön¬ 
lichkeiten der Stadt und des Bezirkes. Durch mehr als 
20 Jahre war er u. a. Mitglied der Stadtvertretung und 
des Stadtrates, der Bezirksvertretung und des Be¬ 
zirksausschusses, der Direktion der Städtischen Spar¬ 
kasse, des Komitéesi für den Bau der Adlergebirgs¬ 
bahn, Mitglied mehrerer jüdischen Wohltätigkeitsver¬ 
eine usw. Wo immer es galt für die Rechte und das 
Wohl seiner Glaubensgenossen einzutreten, war er zu 
finden. Als er während des berüchtigten Hilsnerpro- 
zesses auch in S. zu antisemitischen Krawallen kam, 
verhinderte er durch sein rechtzeitiges und energi¬ 
sches Einschreiten Plünderungen von Judenhäusern. 
Während des Krieges 1914—1918 machte er sich um 
die Approvisionierung der Stadt verdient. 
Aus S. stammt der jüdische Maler Max Horb. Er 
kam zwar in Jungbunzlau zur Welt, sein Vater, wel¬ 
cher Kaufmann war und seine Großeltern waren je¬ 
doch seit vielen Jhzt. in S. ansässig und Max verbrachte 
hier seine Kinder- und Knabenjahre. Eine von seinen 
Freunden mit Dr. Max Brod an der Spitze zu seinem 
Andenken herausgegebene Max Horb-Mappe mit Re¬ 
produktionen seiner besten Werke, deren viele in S. 
entstanden sind, enthält folgende kurze Biographie: 
„Max Horb wurde am 9. Juli 1882 in Jungbunzlau 
geboren, verbrachte seine Kindheit in S. und kam 
im J. 1893 nach Prag ins Gymnasium. Schon als 
Kind zeigte er große Anlagen für Zeichnen und Malen. 
Von seinem 16. Jahr an erhielt er Malerunterricht. 
Nach Absolvierung des Gymnasiums studirte er Jus 
an der Prager deutschen Universität, gleichzeitig war 
er Schüler des Malers Rudolf Bém. Im J. 1903 wurde 
er Schüler des Prof. Thiele und blieb bis 1906 an 
der Kunstakademie. In dieser Zeit und später unter¬ 
nahm er mehrere Reisen. Vom Oktober 1906 bis 
Sommer 1907 lebte er in München. Er starb am 9. De¬ 
zember 1907.44 
Als Künstler war er ein Vertreter der impressioni¬ 
stischen Richtung und seine Maltechnik erinnerte stark 
an die deis großen Impressionisten Max Liebermann. 
Die gesamte Kunstkritik war darin einig, daß in Max 
Horb eine starke und geniale Künstlernatur frühzeitig 
von dannen ging. Auf der Ausstellung jüdischer Kün¬ 
stler in Prag im Jänner-Feber 1930 kamen Max 
Horbs Bilder abermals voll zur Geltung. Sein Grab¬ 
denkmal auf dem Strasnitzer Friedhof in Prag ist ein 
Werk seines Akademiekollegen, des nachmaligen be¬ 
rühmten cechischen Bildhauers Jan Stursa. 
Zamberk 4 
597 
Senftenberg 4
	        
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