Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Dieses Gerberhaus ist später in den Besitz des Josef 
Saxl übergangen. Der betreffende Kaufvertrag lautet : 
„Mit Bewilligung der p. t. gnädiger Obrigkeit in 
piena sessione magistratus civitatis Senftenbergensis 
heut zu Ende gesetzten die et anno ist gegenwärtiger 
Kaufbrief über das Rothgärberhaus neben der Unter¬ 
mühl zwischen denen Mühlgraben und Flusswasser 
auf dem Senftenberger Gemeinde Grund und Boden 
stehend, verfertigt worden. Welches der Josef Saxl, 
allhiesiger herrschaftlicher Schutzjud aus speciali der 
p. t. obrigkeitlichen Bewilligung und sein unterthäni- 
ges Anlangen und Bitten obernannter Gärber- oder 
Lederhaus auf seine alleinige Unkosten zu seiner, sein 
Erben und Erbnehmern Genuss neu aufbauen lassen, 
welche vermög seiner vorgewiesenen Specification 
1200 fi. rhein. betragen; jedoch mit diesem hie bei¬ 
fügenden ausdrücklichen Vorbehalt, dass wenn so- 
thanes also erbautes Gärber- oder Lederhaus über 
kurz oder lang zum Verkaufe gelangen sollte, die 
Präcidenz sowol jetzt regierende gnädige Obrigkeit 
als auch succesores in dem nämlichen Werth wie sich 
derlei Lederhaus dermalen befinden würde, vorbe¬ 
halten, worzu all und jedem oft benannter Jud Josef 
Saxl sich freiwillig ergeben und treulich verbunden 
hat. So geschehen in curia civitatis Senftenbergensis 
die 21. Februarii anno 1764." 
Durch eine Eintragung im J. 1788 ist dieses Haus, 
in welchem sich eine Weiß- und Lohgerberei befand, 
von Josef Saxl auf seinen Sohn Jakob übergangen. 
Von diesem erstand es am 6. Dezember 1795 Jakob 
Brady, welcher noch das Haus Nr. IV dazukaufte. 
Diese Häuser sind verschwunden. Sie sind einem 
Brande (vermutlich dem im J. 1810) zum Opfer ge¬ 
fallen. 
Die Saxls und nach ihnen Brady bestanden darauf, 
daß nur sie im Bereiche der Senftenberger Herrschaft 
das alleinige Recht besitzen Häute zu gerben. Als da¬ 
her im J. 1798 der Gerber Jan Pic aus Wichs tad tl nach 
S. übersiedelte und auf Nr. 207 eine Werkstätte er¬ 
richtete, erhob sich Brady dagegen und verbot es. Pic 
ließ jedoch nicht nach und führte seine Sache bis vor 
den Kaiser. Infolgedessen kam eine Kreiskommission 
hergereist, welche am 6. Mai 1799 die beiden streiten¬ 
den Gerber bewog am 8. Mai 1799 einen freundschaft¬ 
lichen Vergleich zu schließen. 
Schriftliche, aus jüdischen Quellen stammende Über¬ 
lieferungen, welche uns von den Schicksalen der Senf¬ 
tenberger Juden, über die inneren Angelegenheiten der 
J. G. seit ihrem Bestände, über Vorsteher, Seelsorger, 
die Schule usw. berichten würden, finden sich keine, 
außer den Sitzungsprotokollen des Vorstandes seit dem 
J. 1897. Der Schreiber dieser Zeilen war daher beim 
Sammeln solcher Daten größtenteils auf Erinnerungen 
einiger älterer Gemeindeangehöriger angewiesen, wel¬ 
che nur bis zur Mitte des vorigen Jhts. zurückreichen. 
Nach diesen wäre der erste bekannte Rb. in S. 
Josef Ko hn gewesen. Er starb am 19. März 1858 im 
58. Lebensjahre und wirkte hier als Rb. und Rgl. min¬ 
destens 20 Jahre. Sein Grab am hiesigen Friedhofe be¬ 
zeichnet ein schöner, charakteristischer Rabbi-Grab¬ 
stein. 
Vor Josef Kohn gab es wahrscheinlich keine Rb. in 
S., es waren nur Kantore angestellt. 
Nach Josef Kohn wirkte hier einige Zeit als Rb. sein 
Sohn Abraham Kohn, welcher dann als KRb. nach 
Königgrätz ging. 
Dann gab es wieder eine rabbinerlose Periode bis am 
1. Sept. 1895 Siegfried Kraus, geb am 6. April 1862 
in Dolní Královice, gest. 1932 in Prag, das Amt eines 
Rb. in S. bezog. Rb. Kraus erteilté auch den Religions¬ 
unterricht an den Volks- und Bürgerschulen in S. und 
den übrigen, zum Sprengel der J. G. gehörenden Städ¬ 
ten, und war Mitglied! des Ortsschulrates. Vorher 
wirkte er in Prag und an den jüdischen Schulen in 
Stráncic, Divisov und Brandeis a. E. Siegfried Kraus 
war in S. bis 30. Okt. 1911 tätig und ging dann als Rb. 
und Oberlehrer nach Beraun, wo er bis 30. Juni 1928 
wirkte. Er war der letzte Rb. in S. 
Nach seinem Abgang versali Rb. Josef Müller von 
der J. G. in Kostelec n. Ori. die gelegentlichen Funk¬ 
tionen des Seelsorgers mit Ausnahme des Tempel- 
gottesdienstes in S., und war Rgl. im Senftenberger 
Gemeindesprengel. Er starb im J. 1926. 
Die Matriken datieren seit dem Jahre 1839. 
Von der Schule ist bekannt, daß sie zur Zeit des 
Rb. Josef Kohiñ einklassig war. Sie befand sich im 
I. Stock des Hauses Nr. 104 gegenüber der Mühle 
(demselben, welches im J. 1699 — wie schon erwähnt 
— der Isak Markus Sachsel kaufte, und das seit der 
Zeit sich ununterbrochen in jüdischen Händen befand). 
Hier wohnte auch Rb. Kohn. Als mit der Zeit die Ge¬ 
meinde größer wurde und die Schülerzahl zunahm, 
genügte wohl der bisherige Unterrichtsraum nicht 
mehr. Die Gemeinde kaufte daher im J. 1861 das in 
nächster Nähe des Tempels befindliche Haus Nr. 236, 
wo die Schule in zwei Klassen untergebracht wurde. 
In demselben Gebäude befand sich auch das rituelle 
Bad. 
Ais Lehrer werden genannt: Emanuel Kohn, der 
zugleich Kt. war und später in gleicher Eigenschaft 
nach Pardubitz ging. Ferner Abraham Mautner und 
Jakob P r a g e r. Dieser war gleichzeitig Kt.; es wird 
ihm eine besonders schöne Tenorstimme nachgerühmt. 
Dann die Lehrer Altar und Eduard F r i e d. Gegen 
Ende der achtziger Jahre wurde die Schule aufgelas¬ 
sen. Den Religionsunterricht erteilte dann den die 
öffentlichen Volks- und Bürgerschulen besuchenden 
Schülern Lehrer Wilhelm Abeles aus Rokitnitz. 
Der letzte Kt. war Moritz Libochowitz, gest. 
im J. 1908 im Alter von 84 Jahren. 
Als Vorsteher sind bekannt: Josef Saxl um das 
Jahr 1850, Benjamin Per'lhäf ter, Josua Wein¬ 
garten, Eduard Saxl, bis 1897, Leopold Gott¬ 
lieb aus Grulich 1897—1920 und Adolf Bass 1920 
bis 1929. 
Seit Mai 1930 liegt das Amt des K. V. in den Hän¬ 
den des Hr. Max Bergmann in Wildenschwert, der 
sich um die Gemeinde sehr verdient gemacht hat. Er 
ließ im J. 1930 den Tempel renovieren und hatte auch 
für die Wiederaufnahme des Religionsunterrichtes 
gesorgt. Vom Vorstande stehen ihm zur Seite ins¬ 
besondere die Herren Karl R u s s als Schriftführer, 
Rud. Pick, Kassier und Dir. Jos. Netti, Matriken¬ 
führer. 
Man darf wohl annehmen — trotzdem wir keine 
Angaben darüber besitzen — daß früher, bevor der 
gegenwärtige Tempel erbaut worden ist, die Gemeinde 
ein Bethaus oder zumindest eine Betstube besessen 
hat. Der Tempel wurde um das J. 1810 erbaut. Es ist 
ein massiver Steinbau und enthält außer dem Haupt¬ 
raum einen Vorraum, welcher als Winterbetstube 
diente und eine Frauengalerie. In der Blütezeit der 
Gemeinde, d. i. in den fünfziger bis achtziger Jahren 
des 19. Jhts. (zu dieser Zeit wohnten in S. allein gegen 
30 Judenfamilien), wirkte hier auch ein Sängerchor. 
Damals .soll es zu einem Zwiespalt in der Gemeinde 
gekommen sein. Reformisten haben zur Chorbeglei¬ 
tung im Tempel ein Harmonium aufgestellt. Die Or¬ 
thodoxen waren dagegen und errichteten sich eine 
eigene Betstube. Doch fanden sich die entzweiten Brü¬ 
der wieder bald im Tempel zusammen. Im J. 1860 
iamberk 3 
596 
Senftenberg 3
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.