Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

wurden auch zu Laienrichtern ernannt und zu Räten 
der Handels- und Gewerbekammer berufen. Jahr¬ 
zehnte hindurch hatte kais. Rat Alfred Deutsch als 
Handelskammerrat eine rege Tätigkeit entfaltet. Als 
im J. 1884 das Stadtverordnetenkollegium einen Ge¬ 
sundheitsrat ins Leben rief, der ihm und dem Magi¬ 
strate in allen hygienischen Fragen zur Seite stehen 
sollte, wurde in denselben auch der Gerichts-, Gefan¬ 
genhaus-, Bahn- und prakt. Arzt Dr. Karl Kohn be¬ 
rufen. Im J. 1864 gründete er in R. auch für Heil¬ 
zwecke eine zeitgemäß eingerichtete Badeanstalt. Da¬ 
mals bestand in R. nämlich nur das 1817 errichtete 
Wilhelmsbad, an der Gebirgsstraße gelegen. Dieses 
reichte bei einer Bevölkerung von 20.000 Seelen nicht 
aus, zudem lag es entfernt und war in der Ausstat¬ 
tung etwas zurückgeblieben. Trotzdem gedieh das Un¬ 
ternehmen von Dr. Kohn nicht und er mußte es nach 
4 Jahren auflassen34). 
Wir können nicht alle Persönlichkeiten, die ver¬ 
dienstvoll für die Allgemeinheit wirkten, erwähnen. 
W7ir gedenken nur jener, die in führender Stellung 
sich bewährten und bewähren. Da ist in erster Reihe 
der Fabrikant Alois N e u m a n n zu nennen. Erst 
Vizepräsident, dann von 
1896 bis zu seinem Hin¬ 
scheiden im J. 1914 Präsi¬ 
dent der Handels- u. Ge¬ 
werbekammer in R., wur¬ 
de er ins Herren¬ 
haus berufen. Er ge¬ 
noß das höchste Ansehen 
beim Kaiser sowohl, der 
ihn öfter durch hohe Or¬ 
den auszeichnete, wrie auch 
bei der Bürgerschaft, Das 
letzite große Zollgesetz in 
der früheren Monarchie, 
das Institut der Gewerbe¬ 
förderung, die Umgestal¬ 
tung der Webereischule 
in eine Fachschule für Textilindustrie und die Er¬ 
richtung deis Gebäudes, in dem diese untergebracht ist, 
waren sein Werk. Der Fabrikant Rud. T e 11 s c h e r, 
der als anerkannter Wirtschaftsführer in vielen Kör¬ 
perschaften wirkte, war Vizepräsident der Handels- u. 
Gewerbekammer. Kom.-Rat Hugo Fanti ist seit mehr 
als einem Jahrzehnt als Vorsteher-Stellvertr. des Han¬ 
delsgremiums erfolgreich tätig. 
Die Darstellung der Geschichte der K. G. und ihrer 
Vereine erstreckt sich bis Ende 1932. 
Zum Sprengel der Kultusgemeinde R. gehören auch 
die pol. Bezirke R., Friedland und D.-Gabel. 
FRIEDLAND. 
Berühmt wurde diese Stadt durch Wallenstein, der 
das Herzogtum Friedland begründete. Viel früher als 
in R., nämlich schon unter den Bibersiteins wohnten 
Juden in F. 1505 wurde der Jude Mayer in F. beschul¬ 
digt, Diebsgut gekauft zu haben. 1535 verklagte Mer¬ 
ten Taupmann v. Zwickau den Juden Kolmann in F. 
Bei den Magdeburgern wegen zwei Fuhren von Frank¬ 
furt a. O. nach Leitmeritz. Kolmann sollte für die 
Tonne mit Heringen 7 Schillinge Fuhrgeld zahlen, 
leugnete aber, etwas schuldig zu sein. Auf die Aussage 
zweier Zeugen, von denen der eine aus Langenau und 
der andere aus Alt-Leipa war, erkannten aber die 
Schoppen 1536 die Beweisführung Taupmanns an und 
verurteilten den Juden zur Zahlung von 20 Schock 
Fuhrlohn, 20 Schock Schadenersatz und Tragung 
sämtlicher Koisten. (Magdeburger Schöppensprüche im 
Görlitzer Ratsarch.) Im Friedländer Stadtbuch (Lit. 
L. S. 293) befindet sich folgende Eintragung: „Nach¬ 
dem Isaac Juda Goldscheider in gned. Vergunst und 
Consens des Wohlgeb. Herrn Christof Herrn von Re¬ 
dern der alten Hans Schindlerin Haus in der Obervor¬ 
stadt samt dem Plan gekauft, solches aber ungebauet 
stehen gelassen, darauf dann an Steuern, Baren und 
Erbegeldern bereits ein Merkliches uffgegangen, wel¬ 
ches der Ehrenfeste und Wohlgelahrte Herr Friede- 
ricus Dallus, N. B. und Sekretarius zum teil neulicher 
Zeit dem Herrn Bürgermeister und Richter gutge¬ 
macht uns ausbezahlet, gedachter Jude aber in Erwä¬ 
gung künftiger mehrerer Beschwerden und täglich 
auflaufenden Interessen subdato Prag, den 26. Jan, 
nechstverflossenem, gedachtes Haus und Plan gedach¬ 
ten Herrn Sekretario cediert und Vermöge eines 
schriftlichen Schein unter des Herrn David Heynes, 
Hauptmann in R., Herrn Georg Knobloch Rentschrei¬ 
bers Handt ganz zumal übergeben. Als hat auch günst. 
Ratifikation etc. etc. am 24. März 1624 oftbemelter 
Herr Sekretarius in Kraft angeregter Cession solches 
Haus Plan und Garten hinwieder ,weil der Schindlerin 
Erben bei Gericht losgeben4 verkauft dem Ehrbaren 
Kaspar Fuchsen allhier zu F. und 110 Schock.64 Dar¬ 
aus geht hervor, daß Anfang des 17. Jhts. ein Jude in 
F. ein Haus, wenn auch nur kurze Zeit, besessen hat. 
Unter Wallensteins Regierung war die Ansiedlung 
von Juden noch sicherer gewährleistet. Das nachste¬ 
hende Gesuch ist in manchem Betrachte sehr lehr¬ 
reich. Es gibt auch darüber Aufschluß, warum in 
mancher Stadt nur ein einziger Jude wohnte, der sich 
doch in der feindlichen Umgebung ganz isoliert fühlen 
mußte. Hier erfahren wir, daß ein Jude selber es ver¬ 
langt, allein das Wohnrecht zu erhalten, weil, wie aus 
dem Gesuche hervorgeht, er befürchtete, für andere 
Juden haftbar gemacht zu werden und dadurch Scha¬ 
den zu erleiden. Die Bittschrift verdient es, im Wort¬ 
laut veröffentlicht zu werden. 
Suplication Moyse Jacob Judens zu Fridland. 16. 
Juni 1627. 
Hoch — unnd wolgeborner Herr, Herr etc. 
Gnediger unnd gebietender Herr Landeszhaupt- 
mann. Eüer Gn. wünsche von dem getrewen undt al'l- 
mechtigen Gott ich alle gedeiliche Laibes unndt er- 
sprieszliche der Seelen Wolfarth. 
Undt khan Ewer Gn. dehmütigst nit bergen, wie dasz 
ich gesinnet, mit meinen Waib undt Kindt in der 
Stadt Friedlandt zue wohnen undt allda mich uffzue- 
halten. Alsz wirdt von mir blosz nur wegen der Woh- 
nungk begehrett ieden Monath zue 1 fl. abzuelegen, 
wann dann gnedigster Herr, mir solches zuerlegen un¬ 
möglichen undt anietzo schwere undt teüre Zeit ist. 
Alsz ist hiermitt an Ewer Gn. mein gehorsambes Biet- 
ten, Ewer Gn. die gnedige Anordnungk thuen wollen, 
darmitt esz, gelindert, undt ich bey laidlicher Zahlungk 
verblaiben möchte. 
Ferner ist auch an Ewer Gn. mein gehorsambes undt 
dehmütigesz Bietten, wailn ich gemelter Stadtt Fried¬ 
landt handeln undt wandeln will, Ewer Gn. mir sol- 
ches g. vergünstigen undt mir unten benendte Puncta 
undt Freyheiten ausz Gnaden erthailen benentlichen. 
Alle Handel undt Wandel mitt offenen Laden wie esz 
breüchigk zue halten, frey schachten für 
mein eigen Hausz prendte Wain von der Bürger¬ 
schaft, welche ihr brennen, oder von Ihr Gnaden Her¬ 
renn Maximilian Deputirten zue khauffen undt hien- 
wiederumb frey zueverkhauffen, jedoch was andere 
geben deszwegen zu zahlen. Item, dasz k h a i n an¬ 
derer frembder Judt aus zerhalb mich 
möchte in gemelter Stadtt Friedlandt 
handeln und wandeln, Schuldt machen, auff 
Alois Neumann 
565 
Reichenberg 37
	        
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