Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Geschichte der Juden in Bischofteinitz. 
Bearbeitet von 
Rabbiner E. Zwetschenbaiim9 Bischofteinitz. 
W ann die ersten Juden nach Bischofteinitz (c. Hor- 
süv Tyn) kamen, läßt sich heute authentisch nicht 
feststellen. Nach mündlicher Überlieferung dürften 
Juden hier schon vor 400 Jahren gelebt haben. Sie 
wohnten in der Umgebung der jetzigen Langegasse. 
Vor ca. 60 Jahren sollen noch in dem Hause CN. 84 
Stadt, kenntliche Überreste einer ehemaligen Synagoge 
und eines rituellen Bades (Mikwa) vorhanden gewesen 
sein. Doch sollen diese Juden bei einem Aufstande im 
16. Jht. ums Leben gekommen sein. Nach einer ande¬ 
ren mündlichen Überlieferung soll sich der damalige 
Besitzer von B., Popel von Lobkowitz, ein unmensch¬ 
licher Tyrann, den die Volkssage als unseligen Geist 
noch heute auf der von ihm durch Robot erbauten 
kilometerlangen Mauer um Mitternacht am Pferd 
reiten läßt, in ein Judenmädchen verliebt haben, u. zw. 
in die Tochter des Rabbiners. Da er jedoch abgewiesen 
wurde, soll er sich an den Juden in B. blutig gerächt 
haben. Als die Juden an einem Freitag Abend aus der 
Synagoge heimkehrten, wurden sie auf Veranlassung 
Popel von Lobkowitz in einem schmalen Gäßchen 
überfallen und insgesamt umgebracht. Dieses Gä߬ 
chen, ein Seitengäßchen des Stadtgrabens, führt noch 
heute im V olksmunde den Namen „Das Martergäßchen". 
Daß Juden schon in früherer Zeit in B. lebten, kann 
auch aus dem Umstände abgeleitet werden, daß sich 
außerhalb der Stadt, im Süden, am rechten Ufer des 
Potokbächleins ein Feld (KNr. 2794) befindet, welches 
Eigentum der Stadtgemeinde B. ist und noch heute im 
Volksmund „Beim Judenfriedhof" genannt wird. Doch 
existieren keinerlei Grabsteine und sonstige Symbole 
eines jüdisches Friedhofes. 
In der Bezirkschronik wird berichtet, daß sich am 
6. Feher 1772 ein Jude taufen und in die Klosterge- 
meinschaft aufnehmen ließ. Nach einer Urkunde aus 
dem J. 1650 wird die Bischofteinitzer Bürgerschaft 
von der Herrschaft für verschiedene genehme Hand¬ 
lungen gewürdigt, darunter, „weil sie Nichtkatholiken 
von der Stadt ferngehalten habe". Auch diese Tat¬ 
sachen deuten darauf hin, daß Juden schon früher hier 
siedelten. 
Nach der bereits zitierten Bezirkschronik fand im 
J. 1858 in B. das erste Judenbegräbnis statt, u. zw. des 
k. k. Subarendators Moses Grünhut. 
Zu einer neuerlichen Ansiedlung von Juden in B. 
dürfte es um die Mitte des vorigen Jhts, gekommen 
sein. Zuerst waren es nur ganz vereinzelte Familien, 
die sich hier niederließen. 
Nach dem J. 1848 übersiedelten einige Judenfami¬ 
lien aus den umliegenden Dorfgemeinden, in welchen 
sich ehemals eigene Judengemeinden befanden, wie 
Putzlitz und Metzling, oder zu diesen gehör¬ 
ten, nach B. Ihre Anzahl war jedoch eine viel zu be¬ 
schränkte, als daß sie gleich anfangs an die Errichtung 
der nötigen Institutionen einer jüdischen Gemeinde, 
wie Synagoge und Schule, schreiten konnten. Ihre An¬ 
dacht verrichteten sie in einem hiezu gemieteten Lo¬ 
kale, bald in diesem, bald in jenem Hause, zuletzt, 
durch längere Zeit bis zum J. 1878 in der Stadt im 
Hause CN. 78. Den Schulunterricht erhielten die Kin¬ 
der in der hiesigen öffentlichen Volksschule. Der mo¬ 
saische Religionsunterricht wurde ihnen entweder in 
dem Wohnzimmer des jeweiligen Religionslehrers, 
oder im Hause eines der Gemeindemitglieder erteilt. 
Im J. 1875 kauften die Gemeindemitglieder, trotz¬ 
dem man damals nur etwa 12 Familien zählte, das 
Haus CN. 31 in der Großen Vorstadt, wozu jedes Ge¬ 
meindemitglied freiwillig einen gewissen Betrag spen¬ 
dete. Das gekaufte Haus wurde zu einer Synagoge 
adaptiert. Als Reiigionslehrer und Funktionäre waren 
tätig: Lehrer Abraham Beimi 1868—1875, Adolf 
V e d e 1 e s 1875—1880, sein Nachfolger wurde 
F riedländer, früher Schulleiter in Neustadtl bei 
Plass. Im J. 1882 wußte dieser Lehrer die Schulge¬ 
meinde mit dem Hinweis auf die Unzweckmäßigkeit 
der bisherigen Unterrichtsweise zu veranlassen, daß 
für die Schüler jüdischer Konfession eine eigene 
Schule errichtet werde. Zu diesem Zwecke errichtete 
man im Hofe der Synagoge ein Nebengebäude, und 
mit Bewilligung des Landesschuir a tes wurde am 1. Fe- 
ber 1883 eine einklassige Privatvolksschule mit deut¬ 
scher Unterrichtssprache eröffnet. 
Dem Lehrer Friedländer folgte in seinem Amte am 
1. September 1884 der Funktionär Josef Adler bis 
Juli 1890, vom Juli 1890 Reiigionslehrer S. Spitz 
bis Mitte 1892, Moses Re it 1er von Mitte 1892 bis 
Jänner 1894, Rh. Joachim Lamm bis 1900, Rb. M. 
Bussgang bis 1. September 1904, Simon Stein¬ 
bach bis 1913, Emanuel Polnauer bis Dezember 
1919. Die Schule wurde im J. 1892 aus Mangel an 
Schülern aufgelassen. 
Einer der ersten Vorsteher der jüdischen Gemeinde 
war Alexander Schlesinger. Nachdem dieser 
nach mehrjähriger Amtswirksamkeit resignierte, über¬ 
nahm die Leitung der Judengemeinde Heinrich Stein 
und verwaltete diese Stelle bis zum J. 1884, in welchem 
er nach Wien übersiedelte. Es bekleideten dann di,e 
Stelle eines K. V. Isac H o f m a n n bis 1886, Jakolr 
F k s t e i n bis 1887, Samuel Schleissner 1888,' 
Leopold H a c k e 1 bis anfangs 1890, Simon Steiner 
bis 1900, Dr. Arns t e i n bis 1903, Simon S t e i n e r 
bis 1912, Dr. Arnstein bis 1919, Dr. Kahler bis 
1925, ferner Simon Steiner, Karl Abeles und 
Sigmund Schleissner. 
Am längsten leitete die K. G. Simon Steiner, 
insgesamt 23 Jahre. Die jetzige K. G. B., deren Statu¬ 
ten im J. 1896 genehmigt wurden, umfaßt folgende 
Ortsgemeinden aus dem Gerichtsbezirke Bischof teinitz: 
Bischofteinitz, Blisowa, Dobrowa, Horschau, Krakau, 
Maschowitz, Obermedelzen, Messhals, Mirikau, Mu- 
k,owa, Pirk, Podrasnitz, Potzowitz, Raschnitz, Seme- 
sichitz, Hochsemlowitz, Trebenitz, Wassertrompeten, 
Webrowa, Worowitz, Wostirschen. Dann aus dem Ge¬ 
richt sbezirke Hostau das Dorf Sirb. 
HorSuv Tyn 1 
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Bischofteinitz 1
	        
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