Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

rich, G. Posselt, Mich. Jung und Chr. König) in Jung- 
bunzlau erscheinen, so daß der ganze Rat dort ver¬ 
sammelt war. Durch kleine Geschenke suchte man 
sich beim Kreisamt beliebt zu machen. Mancher 
Leckerbissen wurde der Küche der Frau Kreishaupt¬ 
mann zum Präsent gemacht. Dadurch wurden ver¬ 
mutlich noch keine Stimmen gewonnen, aber die 
Stimmung wurde dadurch gehoben. Zwei interessante 
Notizen werfen Licht auf die damaligen Verhältnisse. 
So mußte „Ihro Gn. H. Kreishauptm. Juden Löwele 
(soll wohl heißen Löbl), der die Herrn des Rats 
etlichemahls bey Ihr Gnad. angesaget undt zur Zeit 
beruffen, 45 Groschen verehren müssen44. Als einmal 
dem Bürgermeister Ginzel in Prag das Geld ausging, 
mußte man „bei der Jüdin Anna in Prag 15 Reichs¬ 
taler entlehnen, wovon ihr bis nechste hineinfuhr 
Interesse gegeben werden musste22)/4 
Das interessante Schuldenverzeichnis der Tuch¬ 
macher in R. und nächster Umgebung an den Teplit- 
zer Schutzjuden Isakh Schönn enthält aus dem J. 1733 
folgende Posten: 
Hans Georg Gruner, welcher bey dem Stadt- 
Richter ppo diversis terminis hat zahlen ß x 
sollen 132 19 
Christian Leubner ........ 41 50 
Ignatius Ross 13 
Hans Casper 14 — 
Andreas Ross 23 34 
David Demant 29 
David Hertzog 32 —" 
Christoph der alte Ehrlich 8 — 
Christoff Müllerische Erben 2 
Hans Christoff Hauser Rest 2 40 
Stusimel (Stoshimmel) d. älteste Sohn . . 2 42 
Franz Haubmann als Cavent .... 5 — 
Hans Casper Klein Christian 1 15 
Jakowitz hinter dem Farbhaus .... 1 15 
Gottfried Vatter 6 30 
Hans Christof 5 48 
Gottfried Müller Weiss gerber .... 5 30 
Gottfried Schuberth . 8 
Tuchmacher Schwartzer sein Sohn ... 2 30 
seine Schwester Schneiderin 1 
des alten Schönbron sein Sohn ... 10 
Christof Erlich Tochter 4 
Schulz von Haniken 1 24 
Schulz von Henners dorf — 54 
Georg tischer . 3 17 
David Jansch von alt harrtzdorff ... 1 — 
Georg Fleischsk von Harrtzdorff . . 1 30 
Summe . . . 359 28 
David Herzog fügt zu seiner Unterschrift auf einem 
Schuldschein an Schönn hinzu: „armer Tuchmacher" 23). 
Dusensy, Inhaber der Firma Joachim Edler von 
Popper24), schreitet im J. 1800 um die grundobrig¬ 
keitliche Bewilligung ein, ein eigenes Handlungshaus 
für Wolle, Pota sehe und Farbwaren zu errichten. In 
der Eingabe weist er auf den allgemein bekannten 
Ruf seines Hauses hin, der „ihn von jeder weiteren 
Versicherung enthebtDem Grafen Christian Philipp 
imponierte dieser Großkaufmann im Stillen und er 
nennt ihn stets den „Herrn" Suplikanten. Seine Ein¬ 
gabe wies er allen Körperschaften zur Begutachtung 
zu und erließ zu Liebwerda ein Dekret. Die wichtig¬ 
sten Stellen daraus lauten: „Da ich das Wohl meiner 
sämtlichen Untertanen und bereits unter meinen 
obrigkeitlichen Schutz stehenden Individuen allen 
übrigen vorziehen muss, so kann ich diese Nieder¬ 
lage nicht eher gestatten, es sei denn, dass der Herr 
Suplikant erstens die meinen Untertanen zufliessen 
sollenden Vorteile überzeugender darstelle und zwei¬ 
tens sich unter einer Poem kräftiglich verreversiere, 
die Potas che nur Fässerweise und die Farbmaterialien 
nicht unter 50 Pf. zu verkaufen, endlich drittens zu 
der Niederlage kein anderes als christli¬ 
ches Personal verwend e.44 Der Graf wollte 
dann „nicht anstehen, das weitere zu erlassen Es 
ist nicht bekannt, ob diese bedeutende jüd. Firma 
ihr Ansuchen erneuert hätte. Da die Fabrikanten und 
Händler aus naheliegenden Gründen sich gegen das 
Projekt aussprachen, wird die Firma die drei Fragen 
unbeantwortet gelassen haben und so fiel es ins Wasser. 
Während die Tuchmacher oft aus den kleinsten 
Anfängen ihren Aufstieg nahmen, mußten die Woll¬ 
händler unbedingt über viel Mittel verfügen. Denn 
sie mußten ihre Abschlüsse namentlich mit den un¬ 
garischen Schafzüchtern, der Hocharistokratie be¬ 
sonders im Somogyer, Tolnaer und Stuhlweißenburger 
Komitat und der hohen Geistlichkeit, dem Vesprimer 
Kapitel und anderen geistl. Orden, die auf ihren 
ausgedehnten Besitzungen sich mit der Schafzucht 
befaßten, schon Jahr für Jahr im Herbst unter großen 
Anzahlungen tätigen. Die Schafschur erfolgte dann 
erst in den Sommerwochen des folgenden Jahres. 
Die Wolle mußte dann beim Verkauf an die R. 
Tuchmacher auf längeres Ziel, 6 Monate und mehr, 
verborgt werden. Ein Sachverständiger25) faßt seine 
Ansicht dahin zusammen, daß der Erfolg trotz der 
mangelnden kaufmännischen Kenntnisse auf Seiten 
der Tucherzeuger war. Wollhändler waren 50 Jahre 
auf dem hiesigen Platze tätig und haben es nicht so 
weit gebracht wie die Tuchfabriken. Eine stattliche 
Anzahl hat Woll- und Tuchhändler überdauert und 
überflügelt. Ja, das wirtschaftliche Ergebnis war für 
die Wollhändler fast durchwegs ein klägliches. 
Schon in früheren Jahrzehnten klagten sie, ja schon 
vor mehr als einem Jahrhundert gelegentlich der Stadt¬ 
behörde ihr Leid, daß sie ihr Geld eingebüßt haben. 
Besonders jedoch in der Übergangszeit vom Klein¬ 
gewerbe zum Großbetrieb haben sie beträchtliche 
Verluste erlitten, so daß schließlich nur noch zwei 
jüd. Firmen übrig blieben, Straschnow & Liebitzky 
und Berthold Winterberg. Aber auch diese haben 
ihre Geschäfte vor etwa 4 Jahrzehnten aufgelassen. 
Es sei an die 7 Reichenberger Tuchmacher erinnert, 
die zu Beginn des 18. Jahrhunderts mit Amtskonsens 
von Wenzel Buda in Jicin eine große Post Wolle 
kauften und dabei Schaden erlitten. Doch die guten 
Erfahrungen, die die Tuchmacher mit den jüd. 
Wollhändlern machten, haben sie schließlich aner¬ 
kannt. So erschienen im J. 1834 im Rathaus zu R. als 
Gerichtsstand 21 Tuchmachermeister und erklärten 
einmütig mündlich und schriftlich: „Wir bezeugen 
und bestätigen, daß der Handelsmann Karl Herzka 
in der Cholerazeit im J. 1831, wo der Handel allge¬ 
mein sehr stockte, wo es auch bei uns an Wolle sehr 
mangelte, uns mit bedeutendem Vorrat gedeckt und 
so als ein patriotischer Mann viel zur Erhaltung und 
Belebung der hiesigen Tuchfabrikation beigetragen 
hat." Aber auch anderen zahlreichen jüd. Wollhänd¬ 
lern wurden seitens der Behörde und der Bürger¬ 
schaft Ehrenzeugnisse ob ihrer Redlichkeit und ihres 
Entgegenkommens ausgestellt: So testierte der Magi¬ 
strat schon 1800 dem Prager Grossisten Simon Lam¬ 
me!, daß er „armen Tuchmachern viel geborgt und 
sie stets schonend behandelt habe. Er sei der 
höchsten Aufmerksamkeit w ü r d! d g und 
verdiene größte Aufmunterung, als d. Umfang s. Ge¬ 
schäftes einen wesentlichen Einfluß auf die Belebung 
der hiesigen Industrie zum Wohle der heisigen Tuch¬ 
macherschaft hatte44. 
Reichenberg 22 
550
	        
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