rich, G. Posselt, Mich. Jung und Chr. König) in Jung-
bunzlau erscheinen, so daß der ganze Rat dort ver¬
sammelt war. Durch kleine Geschenke suchte man
sich beim Kreisamt beliebt zu machen. Mancher
Leckerbissen wurde der Küche der Frau Kreishaupt¬
mann zum Präsent gemacht. Dadurch wurden ver¬
mutlich noch keine Stimmen gewonnen, aber die
Stimmung wurde dadurch gehoben. Zwei interessante
Notizen werfen Licht auf die damaligen Verhältnisse.
So mußte „Ihro Gn. H. Kreishauptm. Juden Löwele
(soll wohl heißen Löbl), der die Herrn des Rats
etlichemahls bey Ihr Gnad. angesaget undt zur Zeit
beruffen, 45 Groschen verehren müssen44. Als einmal
dem Bürgermeister Ginzel in Prag das Geld ausging,
mußte man „bei der Jüdin Anna in Prag 15 Reichs¬
taler entlehnen, wovon ihr bis nechste hineinfuhr
Interesse gegeben werden musste22)/4
Das interessante Schuldenverzeichnis der Tuch¬
macher in R. und nächster Umgebung an den Teplit-
zer Schutzjuden Isakh Schönn enthält aus dem J. 1733
folgende Posten:
Hans Georg Gruner, welcher bey dem Stadt-
Richter ppo diversis terminis hat zahlen ß x
sollen 132 19
Christian Leubner ........ 41 50
Ignatius Ross 13
Hans Casper 14 —
Andreas Ross 23 34
David Demant 29
David Hertzog 32 —"
Christoph der alte Ehrlich 8 —
Christoff Müllerische Erben 2
Hans Christoff Hauser Rest 2 40
Stusimel (Stoshimmel) d. älteste Sohn . . 2 42
Franz Haubmann als Cavent .... 5 —
Hans Casper Klein Christian 1 15
Jakowitz hinter dem Farbhaus .... 1 15
Gottfried Vatter 6 30
Hans Christof 5 48
Gottfried Müller Weiss gerber .... 5 30
Gottfried Schuberth . 8
Tuchmacher Schwartzer sein Sohn ... 2 30
seine Schwester Schneiderin 1
des alten Schönbron sein Sohn ... 10
Christof Erlich Tochter 4
Schulz von Haniken 1 24
Schulz von Henners dorf — 54
Georg tischer . 3 17
David Jansch von alt harrtzdorff ... 1 —
Georg Fleischsk von Harrtzdorff . . 1 30
Summe . . . 359 28
David Herzog fügt zu seiner Unterschrift auf einem
Schuldschein an Schönn hinzu: „armer Tuchmacher" 23).
Dusensy, Inhaber der Firma Joachim Edler von
Popper24), schreitet im J. 1800 um die grundobrig¬
keitliche Bewilligung ein, ein eigenes Handlungshaus
für Wolle, Pota sehe und Farbwaren zu errichten. In
der Eingabe weist er auf den allgemein bekannten
Ruf seines Hauses hin, der „ihn von jeder weiteren
Versicherung enthebtDem Grafen Christian Philipp
imponierte dieser Großkaufmann im Stillen und er
nennt ihn stets den „Herrn" Suplikanten. Seine Ein¬
gabe wies er allen Körperschaften zur Begutachtung
zu und erließ zu Liebwerda ein Dekret. Die wichtig¬
sten Stellen daraus lauten: „Da ich das Wohl meiner
sämtlichen Untertanen und bereits unter meinen
obrigkeitlichen Schutz stehenden Individuen allen
übrigen vorziehen muss, so kann ich diese Nieder¬
lage nicht eher gestatten, es sei denn, dass der Herr
Suplikant erstens die meinen Untertanen zufliessen
sollenden Vorteile überzeugender darstelle und zwei¬
tens sich unter einer Poem kräftiglich verreversiere,
die Potas che nur Fässerweise und die Farbmaterialien
nicht unter 50 Pf. zu verkaufen, endlich drittens zu
der Niederlage kein anderes als christli¬
ches Personal verwend e.44 Der Graf wollte
dann „nicht anstehen, das weitere zu erlassen Es
ist nicht bekannt, ob diese bedeutende jüd. Firma
ihr Ansuchen erneuert hätte. Da die Fabrikanten und
Händler aus naheliegenden Gründen sich gegen das
Projekt aussprachen, wird die Firma die drei Fragen
unbeantwortet gelassen haben und so fiel es ins Wasser.
Während die Tuchmacher oft aus den kleinsten
Anfängen ihren Aufstieg nahmen, mußten die Woll¬
händler unbedingt über viel Mittel verfügen. Denn
sie mußten ihre Abschlüsse namentlich mit den un¬
garischen Schafzüchtern, der Hocharistokratie be¬
sonders im Somogyer, Tolnaer und Stuhlweißenburger
Komitat und der hohen Geistlichkeit, dem Vesprimer
Kapitel und anderen geistl. Orden, die auf ihren
ausgedehnten Besitzungen sich mit der Schafzucht
befaßten, schon Jahr für Jahr im Herbst unter großen
Anzahlungen tätigen. Die Schafschur erfolgte dann
erst in den Sommerwochen des folgenden Jahres.
Die Wolle mußte dann beim Verkauf an die R.
Tuchmacher auf längeres Ziel, 6 Monate und mehr,
verborgt werden. Ein Sachverständiger25) faßt seine
Ansicht dahin zusammen, daß der Erfolg trotz der
mangelnden kaufmännischen Kenntnisse auf Seiten
der Tucherzeuger war. Wollhändler waren 50 Jahre
auf dem hiesigen Platze tätig und haben es nicht so
weit gebracht wie die Tuchfabriken. Eine stattliche
Anzahl hat Woll- und Tuchhändler überdauert und
überflügelt. Ja, das wirtschaftliche Ergebnis war für
die Wollhändler fast durchwegs ein klägliches.
Schon in früheren Jahrzehnten klagten sie, ja schon
vor mehr als einem Jahrhundert gelegentlich der Stadt¬
behörde ihr Leid, daß sie ihr Geld eingebüßt haben.
Besonders jedoch in der Übergangszeit vom Klein¬
gewerbe zum Großbetrieb haben sie beträchtliche
Verluste erlitten, so daß schließlich nur noch zwei
jüd. Firmen übrig blieben, Straschnow & Liebitzky
und Berthold Winterberg. Aber auch diese haben
ihre Geschäfte vor etwa 4 Jahrzehnten aufgelassen.
Es sei an die 7 Reichenberger Tuchmacher erinnert,
die zu Beginn des 18. Jahrhunderts mit Amtskonsens
von Wenzel Buda in Jicin eine große Post Wolle
kauften und dabei Schaden erlitten. Doch die guten
Erfahrungen, die die Tuchmacher mit den jüd.
Wollhändlern machten, haben sie schließlich aner¬
kannt. So erschienen im J. 1834 im Rathaus zu R. als
Gerichtsstand 21 Tuchmachermeister und erklärten
einmütig mündlich und schriftlich: „Wir bezeugen
und bestätigen, daß der Handelsmann Karl Herzka
in der Cholerazeit im J. 1831, wo der Handel allge¬
mein sehr stockte, wo es auch bei uns an Wolle sehr
mangelte, uns mit bedeutendem Vorrat gedeckt und
so als ein patriotischer Mann viel zur Erhaltung und
Belebung der hiesigen Tuchfabrikation beigetragen
hat." Aber auch anderen zahlreichen jüd. Wollhänd¬
lern wurden seitens der Behörde und der Bürger¬
schaft Ehrenzeugnisse ob ihrer Redlichkeit und ihres
Entgegenkommens ausgestellt: So testierte der Magi¬
strat schon 1800 dem Prager Grossisten Simon Lam¬
me!, daß er „armen Tuchmachern viel geborgt und
sie stets schonend behandelt habe. Er sei der
höchsten Aufmerksamkeit w ü r d! d g und
verdiene größte Aufmunterung, als d. Umfang s. Ge¬
schäftes einen wesentlichen Einfluß auf die Belebung
der hiesigen Industrie zum Wohle der heisigen Tuch¬
macherschaft hatte44.
Reichenberg 22
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