Geschichte der Juden in Podersam.
Bearbeitet von
Rb. Ig. Duschak9 Podersam.
Podersam (c. Podborany) gehört zu jenen K. G.,
welche auf Grund des Gesetzes v. J. 1890 gebildet
wurde. Wohl bestand schon einige Jahre zuvor eine
K. G. Podersam-Ledau, welche aus den Mitgliedern
der sich freiwillig aufgelösten K. G. Ledau und den
Juden, welche sich in P. ansässig gemacht haben, zu¬
sammengesetzt war; doch hatte diese K. G. keine ge¬
setzliche Grundlage, da dieselbe aus einer privaten
Abmachung hervorgegangen war. Diese K. G. hatte
ihren Sitz bereits in P.; denn der K. Y. wurde aus
der Mitte der Gemeindemitglieder, welche in P. wohn¬
ten, gewählt. Bis zu diesem Zeitpunkte wurden auch
die Verstorbenen dieser K. G. auf dem Friedhofe in
Ledau begraben und zeigen uns die ältesten Grab¬
steine auf diesem Friedhofe, daß derselbe vor ca.
200 Jahren angelegt worden war. Auch aus den Matri¬
ken, welche nach der Auflösung der K. G. Ledau nach
P. übertragen wurden, ist zu ersehen, daß bereits vor
dem J. 1783 eine K. G. in Ledau bestanden hat. Die
neu entstandene K. G. Podersam, welche sich durch
die freiwillige Auflösung der K. G. Ledau gebildet
hatte, besaß aber weder einen Tempel, noch einen
Friedhof, hatte keinen Rb., sondern bloß einen Leh¬
rer und Kt., der den Religionsunterricht in einem ge¬
mieteten Räume erteilte; denn damals fand der isr.
Religionsunterricht noch nicht an den öffentlichen
Schulen statt. Sollte eine Trauung stattfinden, so
mußte diese einem Rb. aus Saaz oder einem sol¬
chen aus einer entfernten K. G. übertragen werden.
Es wurde daher in erster Reihe an den Bau eines
Gotteshauses geschritten. Bis dahin mußten nämlich
die Juden, die sich in P. niedergelassen hatten, an
Sabbath- und Festtagen nach Ledau in den Tempel
gehen. Es wurde daher der Tempel in Ledau nach P.
übertragen, und zwar nicht nur die innere Einrichtung
des Gotteshauses, sondern auch der ganze Bau wurde,
wie er in Ledau bestanden hatte, nach P. überführt
und im J. 1874 die Einweihung des Tempels vorge¬
nommen. Die wenigen jüd. Familien, welche in Ledau
zurückgeblieben waren, kamen nun zum Gottesdienste
nach P. Zufolge Gesetzes v. J. 1890 wurden folgende
Gemeinden der K. G. Podersam zugeteilt: Dollanka,
Kleinfürwitz, Gödesin, Kriegern, Ledau, Lubau, Mo
kotill, Neprowitz, Podersam, Pomeisl, Puschwitz, Ru-
dig, Deutsohrust, Schaab, Sirbitz, Sky tal, Warzen,
Widhostitz, Wess. Was die Ortschaft
DEUTSCHRUST (c. NËMECKt ROHOZEC)
betrifft, iSo bestand daselbst, wie aus den vorhandenen
Matrikem zu ersehen ist, eine K. G. schon seit zirka
200 Jahren, welche ihren Tempel und Friedhof besaß.
Diese K. G. wurde, nachdem ihre Zahl der Mitglieder
sich bedeutend verringert hatte, der K. G. Poder¬
sam zugeteilt. Trotzdem vereinigten sich die wenigen
dort verbliebenen Mitglieder mit Bewilligung der K. G,
Podersam zu einer Betgemeinschaft, besaßen noch bis
zum J. 1914 ihren Rgl., wogegen sie von jeder Zahlung
einer Kültussteuer an die K. G. Podersam befreit wa¬
ren. In diesem Jahre, in welchem der letzte Rgl.
starb, hörte D. auf, für die religiösen Bedürfnisse der
Mitglieder selbst zu sorgen, von nun ain unterblieb
jeder Gottesdienst und die noch verbliebenen Mitglie¬
der wurden nun zur Zahlung der Kultussteuer an die
K. G. Podersam herangezogen. Die K. G. Podersam
sorgte von nun an für den Religionsunterricht an die
dort verbliebenen jüd. Kinder. Der Tempel und das
daran angebaute Wohnhaus des jeweiligen Funktio¬
närs waren nun den Unbilden der Witterung ausge¬
setzt und begannen baufällig zu werden. Es wurden
nun im J. 1928 die heilige Lade mit den Torarollen
und allen anderen Ritualien nach P. überführt. Diese
Ritualien befinden sich gegenwärtig wegen ihrer an¬
tiken Bauart im Museum der Prager Kultusgemeinde.
Der Tempel und das Wohnhaus wurden, da deren Ver¬
fall nicht mehr aufzuhalten war, veräußert. Im polit.
Bezirke P. bestanden bis zu diesem Zeitpunkte sieben
K. G., welche durch das Gesetz vom J. 1890 gebildet
worden waren, und zwar: Podersam, Flöhau, Jechnitz,
Koleschowitz, Maschau, Wallisgrün und Weitentrebe-
titsch. Von diesen Gemeinden war es Weitentrebetitsch
als erste, welche dem Zahn der Zeit zum Opfer fiel.
Diese K. G. bestand ebenso wie D. schon seit minde¬
stens 200 Jahren, hatte ihren schönen Tempel, Friedhof
sowie ein Wohnhaus für die Gemeindefunktionäre. Mit
der Zeit jedoch konnte dieses Dorf von ca. 100 Wohn¬
häusern den daselbst wohnenden Judenfamilien den Le¬
bensunterhalt nicht mehr bieten und so begann auch
hier wie in allen anderen Dorfgemeinden eine Ab¬
wanderung der jüd. Familien in die Stadt, wo sich
ihnen günstigere wirtschaftliche Lebensbedingungen
boten. Und iso vereinsamte die K. G. Weitentrebe¬
titsch immer mehr und mehr, bis sie genötigt war, ihre
Zuteilung zur K. G. Podersam bei der Behörde zu
fordern, was auch im J. 1929 erfolgte. Auch diese
K. G. war bis zum J. 1912 mit allen Kräften bemüht
ihren Rgl. und Kt. selbst zu erhalten, mit dem Rabbi¬
nate hatte sie sich bereits im J. 1904 demjenigen in P.
angeschlossen. Durch die Auflösung und Zuteilung
dieser alten K. G. vergrößerte sich die K. G. Podersam
und ist heute die größte K. G. im polit. Bezirke. Der
erste Rb., den die K. G. Podersam anstellte, war der
im J. 1907 verstorbene Rudolf Rychnovsky. Der¬
selbe war wohl schon seit dem J. 1883 bei der K. G.
angestellt,* doch vorerst bloß als Kt. und Rgl.; erst
im J. 1892 erlangte derselbe das Rabbinat und wurde
dadurch Rb. der K. G. Die Rabbinerstelle blieb
nach dessen Tode bis 1. Juni 1908 unbesetzt, an
welchem Tage der Verfasser dieser Abhandlung
den Posten des Rb. übernahm und bis zum heuti-
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