Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Geschichte der Juden in Podersam. 
Bearbeitet von 
Rb. Ig. Duschak9 Podersam. 
Podersam (c. Podborany) gehört zu jenen K. G., 
welche auf Grund des Gesetzes v. J. 1890 gebildet 
wurde. Wohl bestand schon einige Jahre zuvor eine 
K. G. Podersam-Ledau, welche aus den Mitgliedern 
der sich freiwillig aufgelösten K. G. Ledau und den 
Juden, welche sich in P. ansässig gemacht haben, zu¬ 
sammengesetzt war; doch hatte diese K. G. keine ge¬ 
setzliche Grundlage, da dieselbe aus einer privaten 
Abmachung hervorgegangen war. Diese K. G. hatte 
ihren Sitz bereits in P.; denn der K. Y. wurde aus 
der Mitte der Gemeindemitglieder, welche in P. wohn¬ 
ten, gewählt. Bis zu diesem Zeitpunkte wurden auch 
die Verstorbenen dieser K. G. auf dem Friedhofe in 
Ledau begraben und zeigen uns die ältesten Grab¬ 
steine auf diesem Friedhofe, daß derselbe vor ca. 
200 Jahren angelegt worden war. Auch aus den Matri¬ 
ken, welche nach der Auflösung der K. G. Ledau nach 
P. übertragen wurden, ist zu ersehen, daß bereits vor 
dem J. 1783 eine K. G. in Ledau bestanden hat. Die 
neu entstandene K. G. Podersam, welche sich durch 
die freiwillige Auflösung der K. G. Ledau gebildet 
hatte, besaß aber weder einen Tempel, noch einen 
Friedhof, hatte keinen Rb., sondern bloß einen Leh¬ 
rer und Kt., der den Religionsunterricht in einem ge¬ 
mieteten Räume erteilte; denn damals fand der isr. 
Religionsunterricht noch nicht an den öffentlichen 
Schulen statt. Sollte eine Trauung stattfinden, so 
mußte diese einem Rb. aus Saaz oder einem sol¬ 
chen aus einer entfernten K. G. übertragen werden. 
Es wurde daher in erster Reihe an den Bau eines 
Gotteshauses geschritten. Bis dahin mußten nämlich 
die Juden, die sich in P. niedergelassen hatten, an 
Sabbath- und Festtagen nach Ledau in den Tempel 
gehen. Es wurde daher der Tempel in Ledau nach P. 
übertragen, und zwar nicht nur die innere Einrichtung 
des Gotteshauses, sondern auch der ganze Bau wurde, 
wie er in Ledau bestanden hatte, nach P. überführt 
und im J. 1874 die Einweihung des Tempels vorge¬ 
nommen. Die wenigen jüd. Familien, welche in Ledau 
zurückgeblieben waren, kamen nun zum Gottesdienste 
nach P. Zufolge Gesetzes v. J. 1890 wurden folgende 
Gemeinden der K. G. Podersam zugeteilt: Dollanka, 
Kleinfürwitz, Gödesin, Kriegern, Ledau, Lubau, Mo 
kotill, Neprowitz, Podersam, Pomeisl, Puschwitz, Ru- 
dig, Deutsohrust, Schaab, Sirbitz, Sky tal, Warzen, 
Widhostitz, Wess. Was die Ortschaft 
DEUTSCHRUST (c. NËMECKt ROHOZEC) 
betrifft, iSo bestand daselbst, wie aus den vorhandenen 
Matrikem zu ersehen ist, eine K. G. schon seit zirka 
200 Jahren, welche ihren Tempel und Friedhof besaß. 
Diese K. G. wurde, nachdem ihre Zahl der Mitglieder 
sich bedeutend verringert hatte, der K. G. Poder¬ 
sam zugeteilt. Trotzdem vereinigten sich die wenigen 
dort verbliebenen Mitglieder mit Bewilligung der K. G, 
Podersam zu einer Betgemeinschaft, besaßen noch bis 
zum J. 1914 ihren Rgl., wogegen sie von jeder Zahlung 
einer Kültussteuer an die K. G. Podersam befreit wa¬ 
ren. In diesem Jahre, in welchem der letzte Rgl. 
starb, hörte D. auf, für die religiösen Bedürfnisse der 
Mitglieder selbst zu sorgen, von nun ain unterblieb 
jeder Gottesdienst und die noch verbliebenen Mitglie¬ 
der wurden nun zur Zahlung der Kultussteuer an die 
K. G. Podersam herangezogen. Die K. G. Podersam 
sorgte von nun an für den Religionsunterricht an die 
dort verbliebenen jüd. Kinder. Der Tempel und das 
daran angebaute Wohnhaus des jeweiligen Funktio¬ 
närs waren nun den Unbilden der Witterung ausge¬ 
setzt und begannen baufällig zu werden. Es wurden 
nun im J. 1928 die heilige Lade mit den Torarollen 
und allen anderen Ritualien nach P. überführt. Diese 
Ritualien befinden sich gegenwärtig wegen ihrer an¬ 
tiken Bauart im Museum der Prager Kultusgemeinde. 
Der Tempel und das Wohnhaus wurden, da deren Ver¬ 
fall nicht mehr aufzuhalten war, veräußert. Im polit. 
Bezirke P. bestanden bis zu diesem Zeitpunkte sieben 
K. G., welche durch das Gesetz vom J. 1890 gebildet 
worden waren, und zwar: Podersam, Flöhau, Jechnitz, 
Koleschowitz, Maschau, Wallisgrün und Weitentrebe- 
titsch. Von diesen Gemeinden war es Weitentrebetitsch 
als erste, welche dem Zahn der Zeit zum Opfer fiel. 
Diese K. G. bestand ebenso wie D. schon seit minde¬ 
stens 200 Jahren, hatte ihren schönen Tempel, Friedhof 
sowie ein Wohnhaus für die Gemeindefunktionäre. Mit 
der Zeit jedoch konnte dieses Dorf von ca. 100 Wohn¬ 
häusern den daselbst wohnenden Judenfamilien den Le¬ 
bensunterhalt nicht mehr bieten und so begann auch 
hier wie in allen anderen Dorfgemeinden eine Ab¬ 
wanderung der jüd. Familien in die Stadt, wo sich 
ihnen günstigere wirtschaftliche Lebensbedingungen 
boten. Und iso vereinsamte die K. G. Weitentrebe¬ 
titsch immer mehr und mehr, bis sie genötigt war, ihre 
Zuteilung zur K. G. Podersam bei der Behörde zu 
fordern, was auch im J. 1929 erfolgte. Auch diese 
K. G. war bis zum J. 1912 mit allen Kräften bemüht 
ihren Rgl. und Kt. selbst zu erhalten, mit dem Rabbi¬ 
nate hatte sie sich bereits im J. 1904 demjenigen in P. 
angeschlossen. Durch die Auflösung und Zuteilung 
dieser alten K. G. vergrößerte sich die K. G. Podersam 
und ist heute die größte K. G. im polit. Bezirke. Der 
erste Rb., den die K. G. Podersam anstellte, war der 
im J. 1907 verstorbene Rudolf Rychnovsky. Der¬ 
selbe war wohl schon seit dem J. 1883 bei der K. G. 
angestellt,* doch vorerst bloß als Kt. und Rgl.; erst 
im J. 1892 erlangte derselbe das Rabbinat und wurde 
dadurch Rb. der K. G. Die Rabbinerstelle blieb 
nach dessen Tode bis 1. Juni 1908 unbesetzt, an 
welchem Tage der Verfasser dieser Abhandlung 
den Posten des Rb. übernahm und bis zum heuti- 
Podbofany 1 
502 
Podersam 1
	        
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