Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Geschichte der Juden in Náchod. 
INáchod, welches im Jahre 1270 vom Herr¬ 
schaftsbesitzer Hron Berka von Dubé und Lipa ge¬ 
gründet wurde, scheint sehr bald nach seiner Grün¬ 
dung Juden aufgenommen zu haben. Als Grenzstadt 
von Böhmen und Schlesien vermittelte sie den Handel 
zwischen diesen beiden Ländern und Polen. Noch 
vor der Entstehung N. sollen Juden in dem zunächst 
gelegenen, durch große Märkte sich auszeichnenden 
Provodov sich niedergelassen zu haben. Als der zuerst 
in N. wohnende Jude wird St'astny Munëk genannt 
(1435). Bald darauf wird in hiesigen Urkunden auch 
anderer Juden, wie Jakob Lykar (Arzt), Lazar Mayer 
u. a. erwähnt; sie waren teils Handwerker, teils 
Handelsleute. Im 15. Jht. erscheinen die Juden be¬ 
reits als Besitzer von Realitäten von N. und besaßen 
gleiche Rechte wie die anderen Bürger (sousedé). 
Nicht so milde gegen die Juden wie Johann Kolda, der 
doch als Raubritter verrufen war, war der nächste 
Besitzer von Nachod, Georg von Podëbrad, der die 
Juden bedrückte. 
Unter König Vladislav dem Jagelionen und Ferdi¬ 
nand L ereilte die Juden infolge der gegen sie er¬ 
hobenen (wenn auch unbegründeten) Anklagen ein 
trauriges Geschick. Sie mußten das Land verlassen 
(1542). Eilig verkauften sie ihre Häuser und zogen 
über Schlesien nach Polen. Trotz der 200 Mann Be¬ 
gleitung, die ihnen der Abt Matthias von Braunau auf 
Befehl des Königs mitgab, wurden sie in Gersdorf von 
Räubern überfallen, um ihr Hab und Gut beraubt und 
konnten nur ihr nacktes Leben retten. Ihre feigen Be¬ 
gleiter ergriffen die Flucht oder beraubten sie gar 
selbst noch. Hochgestellte Beamte und Hofleute in 
Prag, wie Florian Grispek, bewirkten, daß sie etwa 
nach 2 Jahren wieder nach N. zurückkehren durften, 
wo sie abermals freundliche Aufnahme fanden. Sie 
waren reich und erwarben Vermögen, wurden be¬ 
gütert und borgten, wie der Jude Salomon, der Guts¬ 
besitzerin von Nachod, der Frau Hynek Spelle von 
Janowitz, bedeutende Summen. Im J. 1577 wird eine 
jad. Schule unter der Leitung von Salomon Horovsky 
erwähnt, 1554 borgte der Jude Kantor dem Bürger¬ 
meister und den Räten 20 böhm. Schock für den 
Pfarrer Johann Andëlicek ohne allen Zinsen, obzwar 
König Vladislav ihnen erlaubte, 20% Zinsen zu neh¬ 
men, damit sie ihren Verpflichtungen gegen Herr¬ 
schaft und König nachkommen können. Man verleitete 
sie also, ja man nötigte sie sogar zum Wucher, um 
die zahlreichen Steuern und Schutzgelder abtragen 
zu können. Christen durften nur 10% Zinsen nehmen. 
Für ihren Schutz hatten die Juden an die herr¬ 
schaftliche Küche in N. Gewürze, Salz usw. zu liefern, 
oder 100 fl. rheinisch abzuführen. 
Am Ende des 15. Jhts. wurde ihnen die Jude n- 
gasse zum Aufenthalte in N. angewiesen, wohin sich 
nun das gesellschaftliche und religiöse Leben der Ju¬ 
den konzentrierte. Behufs ihrer geistigen und religiö¬ 
sen Ausbildung gründeten sie eine Schule, [lire erste 
Synagoge war aus Holz erbaut. 1596 wurde ein neuer 
Tempel aus Stein erbaut. Bürgermeister und Räte 
nahmen freudigen Anteil an dem Baue. Die Juden 
mußten von nun an 20 böhm. Schock für den Schutz, 
den man ihnen gewährte, an den damaligen Bürger» 
meister Johann Holy zahlen. 
Zugleich erhielten sie die schriftliche Zusicherung, 
daß sie durch keine neuen Abgaben und Steuern be- 
diückt werden sollten. Hierauf kauften die Juden N. 
den Platz „nad hamry" (Eisenhammerwerk) am Wege 
zur Altstadt als Begräbnisstätte für ihre Toten, die 
bis jetzt nach Prag überführt werden mußten, wo der 
Zentralfriedhof für alle böhm. Juden war. Im J. 1592 
kaufte der Jude Michael von Martin Brauer einen 
Platz um 2 Schock zur Errichtung eines jüd. Bade¬ 
hauses. Zur Zeit des 30 jährigen Krieges erwarben 
sie die verödeten christlichen Häuser, besonders am 
Marktplatz. 
Das mißfiel dem Grafen (späteren Fürsten) Octavio 
Piccolomini, dem Kaiser Ferdinand II. die Herrschaft 
N. schenkte, nachdem der ehemalige Besitzer der¬ 
selben, Graf Adam Erdmann, mit Wallenstein in Eger 
ermordet wurde. 
Octavio Piccolomini ordnete also dem Bürger¬ 
meister von N. an, daß die Juden sich auf die Juden¬ 
gasse zu beschränken haben. Von dieser Zeit wurde 
die Judengasse an Sonn- und Feiertagen mit einer 
Kette abgesperrt, damit die Juden an diesen Tagen 
nicht in die Stadt kommen könnten. 
Ein verhängnisvolles Ereignis war für die Juden von 
N. der Brand im J. 1660. Am 17. Mai dieses Jahres 
(am 10. Jjar 5420) brach im Hause des Juden Elias 
Presnitz Feuer aus, welches vom heftigen Winde 
angefacht, in einer Stunde die ganze Stadt (128 Häu¬ 
ser), auch den T e ni p e 1 mit seinen heiligen Geräten 
und sonstigen Einrichtungsstücken, goldenen und sil¬ 
bernen Schmucksachen, die ihresgleichen im ganzen 
Lande suchten, verbrannten. Die meisten der hiesigen 
Juden wurden infolge dieses Unglücks von hier ver¬ 
trieben, nur 10 Familien gestattete man den weiteren 
Aufenthalt. Noch jetzt wird am Jahrestage dieses un¬ 
glücklichen Ereignisses, der für die Juden von N. wie 
ein zweiter Tischa-beav wirkte, im Tempel ein Bu߬ 
gebet gesagt. 
Man kann ohne Übertreibung behaupten, daß die 
Stadt N. ihr Aufblühen den unternehmenden und ge- 
werbsfleißigen Juden verdankt. Sie waren hier die 
ersten Repräsentanten der Großindustrie und; des 
Handels; sie haben einen Wald von Schornsteinen er¬ 
bauen lassen, der Tausenden von fleißigen Menschen 
Nahrung verschafft. Wir erwähnen hier nur die erste 
mechanische Weberei Mautner & Sohn, die riesige 
Spinnerei von Mautner und Warndorf er, die Fabriken 
von Docter, Pick, Lederer und Stransky usw. 
Die Webschule in N. wurde von jüd. Fabrikanten 
nicht nur gegründet, sondern sie tragen auch zu deren 
Erhaltung und Fortentwicklung viel bei, wenn auch 
die Gemeinde gegenwärtig den größten Teil der Aus¬ 
lagen bestreitet. 
Die K. G. N. zählt laut der Volkszählung im J. 1890 
630 Seelen. 
K. V.: Isak Mauthner, 
Vorstandmitglieder: Moritz Schur, JUDr. Ludwig 
Nach od 1 
412 
Rachod /
	        
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