Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Geschichte der Juden in Marienbad. 
Bearbeitet von 
Dr. Josef Steiner, Marienbad. 
TVlarienbad (c. Mariaiiské Lázne) ist anfangs des 
XIX. Jhts. entstanden. Die erste Ansiedlung von 
Juden soll nach mündlicher Überlieferung im J. 1820 
erfolgt sein. Daß die Juden aus der Umgebung in der 
ersten Zeit nur in den Sommermonaten, während sie 
Geschäfte in M. machten, hierher kamen, ist ja be¬ 
kannt. Erst später, alls sie sahen, daß sie hier dauernde 
Existenz finden könnten, ließen sie sich in M. nieder. 
Zu den ersten jüdischen Ansiedlern in M. zählte man 
die Familien Fischi und David Pfeifer. 
Auch die Zahl der jüdischen Kurgäste nahm immer 
mehr zu und es wurde ein Bethaus und eine jüdische 
Restauration errichtet. 
M. nahm einen weiteren Aufschwung und man 
wollte nun auch für die armen jüdischen Kurgäste 
sorgen. Unter den ältesten Kurgästen waren die Her¬ 
ren Simon Jakob B u n z e 1 und S. K. Frank! aus 
Prag, Jakob R e i 11 e r aus Klezan, A. H. H e y m a n n 
aus Berlin u. a. Diese sammelten einen Betrag unter 
den Kurgästen und unterstützten auch selbst die Be¬ 
dürftigen. Sie kauften vom Stifte Tepl ein Grund¬ 
stück und erbauten darauf ein Haus. Dieses wurde 
im J. 1861 als isr. Hospital und Bethaus vom ORb. 
Dr. M e i s 1 aus Pest eingeweiht. — Nach und nach 
siedelten sich auch die Juden aus den umliegenden 
Gemeinden Königswart, Pauten, Schütt¬ 
übe r und D ü r r m a u 1 in M. an. Diese benützten 
für den gemeinsamen Gottesdienst das Bethaus im 
Hospital. 
Dem Komitee zur Erbauung des Kurhoispitals ge¬ 
hörten Ernst W e h 1 i und Dr. Matthias K o r e f an. 
Inspirator der Erbauung des Hauses war Simon Jakob 
B u n z e 1 aus Prag, der diese wohltätige und humani¬ 
täre Sache wie selten ein Mann unterstützt und ge¬ 
fördert hat. Seit einer Reihe von Jahren wird im Bet¬ 
haus des isr. Kurhospitals nicht mehr gebetet. Im 
J. 1930 wurde das Bethaus gänzlich aufgelassen, die 
Bänke kamen in den Wintertempel der K. G. M. 
Der gegenwärtige Lokaldirektor deis Kurhospitals ist 
Herr Stadtrat Max Stingi, Hotelbesitzer in M, 
Als Vorsteher der nunmehr anwachsenden K. G. 
sind David Pfeifer vom J. 1824—1845, vom J. 
1845—1863 Jonas Beck und Jakob Fischi tätig. 
Wie schon vorher ausgeführt, hat im J. 1861 ein Pra¬ 
ger Komitee das isr. Kur- und Bethaus hier erbaut, in 
welchem arme Israeliten, welchem Lande immer ange¬ 
hörig, meist unentgeltlich Logis oder halbe Verpfle¬ 
gung fanden. In diesem Bethause wurde bis zum Bau 
der Synagoge, sowohl von den Einheimischen, als auch 
von den Kurgästen der Gottesdienst abgehalten. 
Im J. 1875 konstituierten sich die in M. ansässigen 
Juden zur K. G. und die vorgelegten Statuten wurden 
von der Statthalterei bestätigt. 
Wie schon oben bemerkt, bestand die Marienbader 
K. G. zunächst aus Mitgliedern der K. G. Königswart, 
Dürrimaul, Kuttenplan, Schüttüber, Pauten. Durch die 
Ansiedelung weiterer Glaubensgenossen wuchs die 
Gemeinde immer mehr und mehr, es kamen Juden 
auch aus anderen Staaten, wie Jugoslawien, Deutsch¬ 
land und Rußland nach M., welche den Boden für die 
Gründung eines Geschäftes für geeignet hielten und 
sich hier dauernd niederließen. So besteht die K. G. 
Marienbad nicht nur aus dem engen Kreise westböh- 
miischer Juden, sondern aus Juden aus vielen Ländern 
und Staaten. 
Im J. 1884 wurde die große Synagoge, ein sehr 
schöner, solider Bau inmitten der Stadt, vom Bau¬ 
meister Eduard Stern erbaut. Dieses Gebäude in der 
Hauptstraße bildet eine Sehenswürdigkeit der Stadt. 
Eingeweiht wurde diese Synagoge von Rb. Dr. Bern¬ 
hard Löwen stein aus Lemberg, der öfters Samm¬ 
lungen zugunsten des Tempelbaues veranlaßte und 
Vorlesungen zugunsten des Tempelbaues abgehalten 
hatte. Im J. 1898 wurde von der K. G. im Tempel 
eine Orgel errichtet. Ein besonderer Förderer dieser 
Orgelerrichtung war der Besitzer und Erbauer der 
Villa „Luginsland44, Herr Max Halb maye r, Be¬ 
sitzer der Halbmayermühle in Pilsen, der selbst ein 
bekannter Orgelspieler war. Sehr viel verdankte die 
Gemeinde dem damaligen K. V. Salomon Simon. 
Dieser war Eigentümer des Hauses Stefanie, jetzt Villa 
Frank, zu welcher der Platz gehörte, auf dem jetzt 
der Tempel steht. Uneigennützig überließ er der Ge¬ 
meinde den schönen Bauplatz neben seinem Hause, 
so daß die Synagoge in der Hauptstraße erbaut wer¬ 
den konnte. 
Der erste Matrikenführer der K. G. Marienbad war 
Veit Beck, der Jahrzehnte lang mustergültige Arbeit 
leistete. 
Bei dieser Gelegenheit muß noch hervorgehoben 
werden, daß Philipp L e d e r e r und Alois K o h n, 
lange Jahre Redakteur der „Marienbader Zeitung44, 
beide hervorragende Männer waren. Alois Kohn war 
die Jahre der Minderjährigkeit der Besitzer, Prokurist 
der Buchdruckerei Gschihay. Die Zeitung war unter 
Alois Kohn geradezu hervorragend, er war Kandidat 
der Philosophie und ein seltener Schöngeist. Alois 
Kohn gab unter dem Pseudonym „Siola" auch einen 
Band schöner Gedichte heraus. 
Die Heldentafel für die Gefallenen im Weltkriege 
in der Synagoge weist folgende Namen auf: Franz 
Beck, Max B e n i s c h, Alfred G e r s 11, Gustav 
H orowitz, Oswald Krau s, Max L e i t n e r, Dr. 
Heinrich Löwenthal und Jakob R e i s s. 
In der früheren Zeit konnte auf Grund der Wahl¬ 
ordnung niemals ein Jude Stadtratsmitglied werden. 
Erst als die Tschechoslow. Republik entstand, und; eine 
neue Gemeindewahlordnung geschaffen wurde, kam 
es auch zu jüd. Stadträten. Der erste war Herr Emil 
Baruc h, dem die K. G. Marienbad sehr viel ver¬ 
dankt. Unter ihm, als K. V., wurde die Zeremonien¬ 
halle auf dem isr. Friedhofe erbaut. Nach ihm wurde 
Herr Fritz B u x b a u m Stadtrat und K. V. Dieser hat 
ebenfalls getrachtet, den Namen der K. G. zu einem 
Mar. Tjâznè 1 
390 
Marienbarl 1
	        
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