Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Geschichte der Juden in Lichtenstadt, Neudek 
und 8t. Joachimstal. 
Bearbeitet von 
Dr. Gustav T r e i x l e r, Graslitz. 
Auch für die Bergstädte Neudek und St. Joa¬ 
chimstal, ebenso wie für Abertham, Bärringen, Früh- 
buß und Platten galt das kaiserliche Mandat vom 
6. August 1568, welches den Juden den ständigen 
Aufenthalt in den Bergstädten verbot, da man sie, 
und wohl nicht mit Unrecht, beschuldigte, hie und 
da unerlaubter Weise Handel mit Metallen undl Er¬ 
zen und Schmuggel getrieben zu haben; aber auch 
in der Badestadt Karlsbad durften sie früher 
ihren Aufenthalt nicht nehmen. Und gerade dieser 
Ort und die erzgebirgischen Bergstädte boten ihnen 
die Möglichkeit, zu einer Zeit, wo sie sich eigentlich 
ausschließlich nur vom Handel ernähren durften, den 
Lebensunterhalt in bequemerer Weise erwerben zu 
können, und so ist es denn begreiflich, daß sie sich 
seit der Mitte des 16. Jhts. wenigstens in der Nähe 
jener genannten Siedlungen ansässig machten, um 
leichter, wegen ihrer zumeist ärmlichen Verhältnisse, 
zu Fuß und mit möglichst geringem Zeitaufwand 
dorthin gelangen zu können. Über die Zeit vor 1568 
ist uns nicht bekannt, ob etwa schon vereinzelte 
Juden in jenen Städten wohnten. Aber seither ent¬ 
wickelte sich namentlich in dem nur etwa zwei Geh¬ 
stunden von Karlsbad gelegenen Städtchen 
LICHTENSTADT 
(c. Hroznetin), das zur toskanischen Herrschaft 
Schlackenwerth gehörte, allmählich eine größere Ju¬ 
dengemeinde. Hier gibt es einen uralten Judenfried¬ 
hof und eine alte Synagoge; die Sage will sogar 
wissen, daß jener bereits 1000 Jahre alt sei, was na¬ 
türlich eine arge Übertreibung ist. Aber auf ein Al¬ 
ter von mehreren hundert Jahren kann er zurück¬ 
schauen, was eine genauere Untersuchung der älte¬ 
sten Grabsteine bestätigen würde. Leider sind über 
die Geschichte dieser altehrwürdigen Judengemeinde 
keinerlei Aufzeichnungen vorfindlich und man ist 
nur auf gelegentliche Eintragungen in den Joachims¬ 
taler und in den Karlsbader Archivbeständen ange¬ 
wiesen, von denen indessen jene in dieser Richtung 
noch nicht ausgeschöpft wurden. Nach freundlicher 
Mitteilung des Herrn Stadtarchivars Dr. Heribert 
Sturm in Joachimstal wäre dort manche Notiz auf¬ 
zufinden; es handelt sich dabei in der Regel um 
Streitfälle, da immer wieder jüdische Händler bei 
verbotenen Geschäften ertappt und dafür zur Be¬ 
strafung gezogen wurden. 
Aus Bondy-Dworsky, I. Band, Nr. 729, wis¬ 
sen wir, daß es im Jahre 1570 in L. 16 Juden gab, 
die zur Zahlung der vom Landtage bewilligten Tür¬ 
kensteuer verpflichtet waren. — Aus dem Buch des 
Dr. Max Freudenthal „Die jüdischen Besucher 
der Leipziger Messe in den Jahren 1675—1699", 
Frankfurt a. M. 1902, erfahren wir, daß in jener 
Zeit eine größere Anzahl von Lichtenstädter Juden 
die Leipziger Messe zu besuchen pflegte. Es werden 
nachstehende Namen genannt: Salomon Abraham 
1679, Abraham Aron 1683 und 1684, Jakob Aron 
1668 und D. Seckel Aron 1679, Lemmel Ascherle 
1679, Joachim David 1676 und 1678, Joachim Ger¬ 
stell 1675, Meyer Joachim 1688, Schlom Lemmel 
1676 und 1677, Joachim Lederer 1681—1683, Isaak 
Levi 1668, 1676 und 1679, Israel Löbel 1689, Salo¬ 
mon Levi 1668 und 1675—1691, dessen Söhne Am- 
schei 1676 und Simon 1675 und 1679, Veit Moses 
Levi 1678—1685, Markus Lichtenstadt 1689, Joachim 
Meyer 1676—1687, Markus Meyer 1687—1696, Abra¬ 
ham Moses 1690—1695, Senior Moses 1676, Salomon 
Nathan 1675 und 1676, Hirschel Schlaum 1675—1679 
und 1682, Gomperz Samuel 1693, David Wiener 1683 
und 1684; wie man sieht, sind manche darunter, die 
eine Reihe von Jahren ständig wiederkehrten, so 
Salomon Levi 18 mal, Joachim Meyer 12-, Markus 
Meyer 10-, andere 8- und 6 mal. — Auch in der Re- 
sponsenliteratur kommen öfter Lichtenstädter vor: 
Es werden genannt der Vorsteher Löb Lichtenstadt 
(in R. Ezechiel Landau, „Nöda bi Jehuda", aus den 
Jahren 1755—1810, Nr. la 34), 1815 der Rabbiner 
Josef Lasch Lerner1) von Lichtenstadt (in den Re- 
sponsen von Eleasar Fleckeies „Teschuba meahaba" 
aus den Jahren 1778—1819, 255) und der Rabbiner 
R. Israel in Lichtenstadt (in Kedesch Naftali, II, 
377). 
Über die Beziehungen der Lichtenstädter Juden zu 
Karlsbad sind wir dlurch Dr. J. Zieglers „Doku¬ 
mente zur Geschichte der Juden in Karlsbad (1791 
bis 1869) ", Karlsbad 1913, Verlag von Rudolf Heng¬ 
stenberg, wohl unterrichtet: Die jüdischen Bewohner 
von Lichtenstadt waren nahezu ausschließlich Hau¬ 
sierer, die sich und ihre Angehörigen schlecht und 
recht und gewiß oftmals unter großen Beschwerden 
durchbrachten. Als sich nun in ihrer Nähe Karlsbad 
immer mehr zum vornehmen Weltkurort entwickelte, 
übte dieses natürlich auf die armen Lichtenstädter 
Juden eine stetig steigende Anziehungskraft aus und 
immer mehr von ihnen suchten sich, trotzdem es ver¬ 
boten war, in K. ständig anzusiedeln. K. hatte näm¬ 
lich seit 1499 das Recht, Juden nicht in seinen 
Mauern dulden zu müssen. Allerdings konnten die 
mißgünstigen Konkurrenten der Lichtenstädter Händ¬ 
ler, die christlichen Geschäftsleute der Badestadt, 
jenen Juden, die einen ordnungsgemäß ausgestellten 
Hausierschein ihrer Kreisbehörde besaßen, das Hau¬ 
sieren, besonders während der Marktzeiten, nicht 
verwehren und in K. wurde die ganze Kurzeit vom 
1. Mai bis 30. September jedes Jahres als Marktzeit 
betrachtet. Aber auch während dieser 5 Monate 
sollten die Juden immer wenigstens am Freitag nach 
Hause gehen und während der übrigen Zeit, in den 
winterlichen Monaten, hätte man sie gern gar nicht 
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