Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

und von den Königswarter Juden beschützt wurden, 
aus eigenen Mitteln durchführen. 1609 wurden die 
bunten Verzierungen um die Säulen und die ganze 
Umgebung des Oraun hakodesch (mit einer leeren 
Heiligennische oberhalb der zehn Gebote) bis an den 
Rand der Decke (die wiederum mit Paramenten, die 
hohe priesterliche Bekleidung darstellend, bemalt) 
und nach dem Muster einer zur selben Zeit gleichfalls 
von Jesuiten erbauten Kirche in Kremsmünster her¬ 
gestellt. Zu den musealen Stücken dieses Tempels ge¬ 
hört auch einer der 10 noch vorhandenen alten, mas¬ 
siven Messingkronleuchter vor dem Almemor. Dieser 
Leuchter, kunstvoll gearbeitet, — einer Sage nach ein 
Geschenk König Wenzels II. an die Königswarter Ju¬ 
den, für ihre allezeit bekundete Loyalität, -- wird von 
einer mythologischen Figur (Jupiter auf einem Adler 
mit ausgebreiteten Flügeln reitend) getragen. Es wer¬ 
den ferner einige äußerst kostbare, reich mit kunst¬ 
voll er Goldstickerei verzierte, mehrere Jahrhunderte 
alte Bundeslagevorhänge, Toramäntelchen und Wik- 
kel, sowie wertvolle antike, handgearbeitete „Kle-Ko- 
desch" u. v. a. Temipelgeräte aus Gold und Silber ge¬ 
zeigt. Alle diese Gegenstände, sowie einige Tora¬ 
rollen, die Menorah u. a. Widmungen weisen ein Alter 
von mindestens 300 Jahren auf. 
MUDr. Adolf Kolin 
Rb. David Löwy 
Interessant ist auch die Geschichte der Königswar¬ 
ter Juden. Als im J. 1430 die Juden aus Eger und 
vielen anderen Gemeinden auf Befehl Kaiser Sig¬ 
munds ausgewiesen wurden, kamen viele auf ihrer 
Wanderung auch hierher, so daß diese früher kleine 
Gemeinde bis auf 180 Familien anwuchs. Sie fanden 
da schließlich durch Geschäftsverbindungen mit dem 
nahen Bayern eine gute Existenz und die ansässige 
arme christliche Bevölkerung fand hiedurch gleich¬ 
falls Verdienstmöglichkeit. Über 200 Jahre lang blieb 
diese Gemeinde auch auf der Höhe, hatte alle rituel¬ 
len Einrichtungen und war lange der Sitz eines Kreis- 
rabbinates auch für Eger, Elbogen und Saaz. Seit 1500 
lebten in dieser Gegend auch viele Jesuiten und als 
dann die Welle der Hussitenkämpfe auch hierher 
kam, mußten diejenigen, die nicht mehr flüchten 
konnten, den Scheiterhaufen auf dem nahen „Galgen¬ 
berge44 besteigen. Vielen, die in ihrer Not an die jüdi¬ 
sche Barmherzigkeit appellierten, gelang es mit Hilfe 
der Königswarter Juden als Kutscher verkleidet über 
die bayrische Grenze zu kommen. (Im umgekehrten 
Falle hätten die Juden zur damaligen Zeit sicherlich 
vergebens an die christliche Nächstenliebe appelliert.) 
Seit 1405 besteht hier der jüd. Friedhof. Die Lage 
am Waldesabhange ist geradezu idyllisch und die Um¬ 
fassungsmauer desselben in tadellosem Zustande mit 
großen Quadersteinen wie zum dauernden Schutz 
überdeckt. Am 9. Ab nun begaben wir uns nach be¬ 
endetem Trauergottesdiensite, unter Führung des ein¬ 
zig überlebenden Zeugen der Königswarter alten 
Kehillaherrlichkeit, des greisen Vorstehers, des noch 
verbliebenen Restes, auf das „altneue" Beth-Hachaim. 
In manch kleinen Gemeinden nämlich, deren es ja 
in Böhmen eine große Anzahl gibt, existiert wohl 
auch nun irgend ein uralter Friedhof, auf welchem 
auch heute noch begraben wird, wie z. B. im Bran¬ 
deis a. d. E., aber dort wie anderswo bildet die Verlän¬ 
gerung des vollbelegten Teiles den neuen, während 
hier merkwürdigerweise uralte Grabsteine neben 
solchen aus der letzten Zeit zu stehen kommen, was 
durch deren ganz verschiedene Formen schon beim 
Betreten des hiesigen umwaldeten, hügeligen Fried¬ 
hofes augenfällig wird. Ehemalige kleinen Nachbar¬ 
gemeinden in der Nähe, deren Existenz heute nur 
noch durch das Vorhandensein ihrer Friedhöfe doku¬ 
mentiert erscheint, sind Amonsgrün und Schüttüber- 
Miltigau; die jetzt winzige Königswarter Gemeinde 
muß demnach drei Friedhöfe erhalten. Gruppen alter 
Sandsteine, die zum Teil schon halbversunken sind, 
erinnern in Form, Inschrift und Alter an den Prager 
alten Friedhof. Als letzter KRb. wird hier Reb 
Mosche Sachs — angeblich ein Bruder des bekannten 
Rabbiners und Schriftstellers Mich. Sachs, und als Rb. 
David Löwy angeführt; geb. 3. April 1854 in Königs- 
wart. Studierte in Eger und Prag und wirkte in Stie- 
nowitz bei Pilsen (1871—1874), bis 1899 als Lehrer in 
Dobris und vom 18. Juli 1899 wirkte er in seiner Ge¬ 
burtsstadt K. bis zu seinem am 2. September 1919 er¬ 
folgten Ableben. Beinahe durch 4 Jahrzehnte wirkte 
er unermüdlich und erzog Generationen hiedurch die 
Jugend, von denen heute viele in geachteten Posi¬ 
tionen wirken. 
AMONSGRÜN. 
A. ist ein Dorf mit rund 500 Einwohnern am Fuße 
des Kaiserwaldes gelegen in unmittelbarer Nähe von 
Sandau im Bezirke Marienbad. Die Bewohner be¬ 
treiben hauptsächlich Landwirtschaft. 
Bis Ende des 19. Jhts. beherbergte der Ort A. 
mehrere Judenfamilien, welche Häute- und Flachs¬ 
handel etc. betrieben. Die Juden bewohnten den 
unteren (westlichen) Teil des Ortes und dieser Orts¬ 
teil heißt heute noch die , Judenstadt". Zu dieser Zeit 
hatte die Judenstadt ihre gesonderte Numeration. 
Dieser Ortsteil zählte damals 17 Häuser und die 
Hausnummern waren in römischen Ziffern ange¬ 
bracht. Auch Gottesdienst wurde in A. abgehalten 
und das Haus Nr. 117, das sich gegenwärtig im Be¬ 
sitze des Frl. Theresia Pichl befindet, diente zur da¬ 
maligen Zeit als Synagoge. 
Am 29. Mai 1889 entstand in der Judenstadt Feuer, 
dem 9 Anwesen zum Opfer fielen. Unter diesen war 
auch der Tempel. Dieser wurde wieder aufgebaut; ab 
Jänner 1897 fand daselbst kein Gottesdienst mehr 
statt. 
Zufolge Neueinteilung der isr. K. G. kam die Ju¬ 
dengemeinde A. zu Königswar t. Das Tempelge¬ 
bäude wurde im J. 1902 an einen Christen namens 
Michael Pichl verkauft. 
Am westlichen Eingang des Dorfes, in einer Mulde 
neben der Ruine Borschengrün beim Kuchateiche, be¬ 
findet sich der Friedhof, auf welchem heute noch die 
Juden von Sandau beerdigt werden. 
Namen von Judenfamilien, die einst in A. wohnten, 
sind: Löwi, Reichl (Nachkommen dieser Familie le¬ 
ben in Franzensbad und Pilsen), Gutmann, S a- 
c h e r, Schimmer, Meier, Bloch, Kamm, 
Falk, Adler, F i s c h e 1, Kohn usw. (Mitteilung 
des Herrn Oberlehrer Richard König in Amonsgrün.) 
Kynzvart 2 21 
321 
Königswart 2
	        
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