Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

der Königsberger Michaelimarkt wegen des Versölt- 
nungsf estes der Juden um einen Tag verschoben 
wurde. Das Direktorialamt K, bestätigt dem hiesigen 
Schutzjuden Josef Löwy gegen Entrichtung der 
Taxe von 3 fl. C. M. im J. 1845 die Heimatsbewilli¬ 
gung. Im Revo'lutionsjahre 1848 stellten die hiesigen 
Juden 11 Mann zur Nationalgarde bei. Eine Einladung 
zur Besprechung wegen Errichtung von Schulen lief 
von Falkenau im J. 1850 an den Rb. und andere ein¬ 
sichtsvolle Glaubensgenossen ein. Die Einteilung des 
Schulunterrichtes im J. 1851 war für den hebr. Unter¬ 
richt den Lehrer J. Rindskopf vorbehalten. Der 
hebr. Lehrplan beistand (nach einer Mitteilung des 
Herrn Bernhard Adler, Königsberg) in Tora, Gram¬ 
matik, Raschi, Moses, Mögen awrohom, Jüdisch- 
Deutsch. Ein gedrucktes Zeugnis aus dem J. 1867 
nennt folgende Gegenstände: Religion, Biblische Ge¬ 
schichte, Pentateuch, Geographie, Propheten, Ebr. 
Grammatik, Jüd. Schreiben, Ebr. Lesen (Gebete ver¬ 
deutschen, Jüd.-Deutsch lesen. Die deutsche Sprache 
und zwar Lesen, Sprachlehre, Rechtschreibung, Stil, 
Rechnen, Schönschreiben, Zeichnen, Heimatkunde. 
Bei dem angegebenen Zeugnis fehlt die Klassifikation 
für die deutschen Lehrfächer. Unterzeichnet ist das 
Zeugnis von Abraham Bresslauer, hebr. Lehrer, 
Jakob L e d e r e r, Rgl., Moses Sachs, KRb. Die 
Schulinspektion wurde durch den KRb. Moses Sachs, 
Lichtenstadt und den katholischen Vikar (Vikariat 
Sandau) durchgeführt. Bemerken möchten wir noch, 
daß dem Vikar auch die jüdischen Kinder die Hand 
küssen mußten. Die Abschlußprüfung fand im Egerer 
Gymnasium statt, zu der die Schüler von Lehrer Ja¬ 
kob L e d e r e r geführt wurden. Die Klassifikation 
fiel immer gut aus. Im J. 1855 wird verordnet, daß 
Rabbiner und Lehrer nicht Schächten sollen, da es 
sich mit ihrer Würde nicht vereinen läßt; zur Verbes¬ 
serung ihrer Lage soll man ihnen die Stelle eines 
Sängers oder die Matrikenführung geben. Zur Besse¬ 
rung der Gehälter der christl. Lehrer finden wir ein 
Schreiben an den damaligen K. V. Josef Löwy im 
J. 1858, wo für jedes Kind alle 14 Tage 5 kr. einzu- 
heben befohlen wird. So besitzen wir auch eine Quit¬ 
tung über 25 fl. 20 kr., welche der Schullehrer Jos. 
Klieba im J. 1859 der isr. Gemeinde ausstellt. Jenes 
angegebene Schreiben bringen wir nur um zu zeigen, 
daß die damalige jüdische Schule von der Behörde 
nicht anerkannt war. In dem Jahre waren in K. 
163 Israeliten, die im Jahre durchschnittlich 33 schul¬ 
pflichtige Kinder hatten und aus 33 Familien bestan¬ 
den. Die K. G. war bestrebt, den Kindern einen guten 
und gründlichen Schulunterricht angedeihen zu lassen. 
Da die Zahl von 500 Kindern in der Pfarrschule bei 
4 Lehrern doch zu groß war und die Schule schlechtes 
Licht hatte und auch baufällig war, so war es besser 
die jüdischen Kinder in einer eigenen Schule und auf 
eigene Kosten unterrichten zu lassen. Außer der Woh¬ 
nung erhielten die Lehrer der 2 klassigen Trivial¬ 
schule 300 fl. 
Einen kleinen Ausschnitt aus einem Lehrer-Kon¬ 
trakt geben wir hier wieder: „Samuel Eckstein 
bekommt als jüdischer Lehrer, Vorbeter und Schäch¬ 
ter einen jährlichen Gehalt von 200 fl. C. M., ferner 
4 fl. zur Beisteuer seiner Beheizung für das soge¬ 
nannte Minjan, dann erhält Eckstein 6 Pfund Fleisch 
ohne Zuwage, dann V2 Pfund Miekr, die Milz und ei¬ 
nen Fuß von jedem Stück Rindvieh, 2 kr. von jedem 
Federvieh, alles in C. M. als bedungene Schlachtge¬ 
bühr.44 Im J. 1867 wurde die Trivial schul e aus der 
Pfarrschule ausgeschult. Der Religionsunterricht wur¬ 
de bis zum J. 1912 in der alten jüdischen Schule erteilt 
Nachdem wir eine Skizzierung der Schule brachten, 
möchten wir eine solche der Ch. K. nicht vorenthal¬ 
ten. Ihr ältestes Buch ist ein auf Pergament geschriebe¬ 
nes Psalmenbuch, gespendet von R. Simon Wert- 
h e i m aus Piorda. Das Buch ist in jüdisch-deutscher 
Schrift und wurde von dem Jüngling Edtinger in 
K. geschrieben. Die Aufzeichnungen gehen leider nur 
auf das J. 1813 zurück, wo Jonas Gottlieb an der 
Spitze der Aufzeichnungen steht. Dann folgen unter 
anderen Jakob L e d e r e r, Isak Kohn, Joachim 
Adler, Abraham Adler, Samuel Feigl usw., wel¬ 
che wahrscheinlich dem Vorstand angehörten. Zu die¬ 
ser Zeit zählte der Verein ca 50 Mitglieder. Der Ver¬ 
ein besteht heute noch, hatte lange Moritz Adler als 
Vorstand. Derzeitiger Vorstand ist Dr. Rudolf Stei¬ 
ner, Stv. Albert Löwy und Schftfr. Richard F e i g 1. 
Der frühere F. V. hatte im J. 1845 festgesetzte Statu¬ 
ten. Es ist sicher anzunehmen, daß der Verein, wie die 
Ch. K., schon ein paar Jahrhunderte früher bestanden 
hat. Die erst genannte Vorsteherin war Hale (Amalia) 
Lederer. Interessant ist es, daß der Verein unter 
Aufsicht der Ch. K. stand und so finden wir Samuel 
Feigl als Berater des annähernd 40 Mitglieder starken 
Vereines. 
* 
Als Gründer der Möbelindustrie, die in der ehem. 
Monarchie weit berühmt war, dürfen wir Emanuel 
G o 111 i e b nicht vergessen. Handelskammerbeiträge 
für das J. 1853 wurden geleistet von: Emanuel Gott¬ 
lieb, Möbelfabrikant, Samuel Feigl, Handelsmann, 
Simon Gottlieb, Kaufmann, Isak Baumgartl, Waren¬ 
händler, Josef Löwy und Jakob Lederer, Krämer, 
Franziska Löwy, Marktfirant, Friedmann Feigl, Pro¬ 
duktenhändler, Moritz Löwy, Marktfirant, Kathi 
Schweiger, Markthandel, Josef Adler, Markthandel, 
Isak Kohn, Roh-Produktenhändler, Simon Schweiger, 
Marktfirant. Im J. 1856 finden wir unter Steuern, daß 
Moyses Steiniger 15 Handwebstühle in Betrieb hatte. 
Im gleichen Jahre verständigt die Bezirkshauptmann. 
schaft Falkenau die K. G., daß sie die zugesagten Bei¬ 
träge für die Jahre 1851, 52, 53 à 2 fl. für die Witwe 
des Kreisrabbiners abführen soll. Weiter bringen wir 
das Ansuchen des Isak Kohn um den Betrieb der 
Baumwollweberei auf 15 Stühlen mit einem Betriebs- 
Kapital von 300 fl. an. Im gleichen Jahre wird die 
Führung der Judenmatriken von Pochlowitz dem 
Königsberger jüdischen Matrikenführer übertragen. 
1864 verkauft Emanuel Gottlieb um 13.500 fl. die 
Fabriksgebäude und Wohnhaus zu Schulzwecken. Das 
Kriegsjahr 1866 hat uns ein Schreiben des KRbs. Mo¬ 
ses Sachs hinterlassen, worin betont wird, daß gebetet 
werden soll den Kriegsturm ganz zu vernichten oder 
den Sieg dem Kaiser zu verleihen und das Recht mit 
dem Frieden zu segnen. Im J. 1867 finden wir 29 
Mitglieder für die Wahl von Wahlmännern zur Reprä¬ 
sentanz der Landesjudenschaft vor. In der 17. Sitzung 
der Gemeinde K. am 4. April 1875 wurde mit 19 ge¬ 
gen 2 Stimmen der Beschluß gefaßt, Leopold Lede¬ 
rer mit Rücksicht für die der Stadtgemeinde bewirk¬ 
ten Leistungen in den Königsberger Gemeinde-Verband 
taxfrei aufzunehmen. Im J. 1878 wurde leider der 
Tempel neu renoviert und die Frauengalerie abge¬ 
tragen, das Podium und Bänke und der Altar reno¬ 
viert. Bei Eingabe der Statuten im J. 1878 ist ver¬ 
merkt, daß aus K. 116, aus Pochlowitz 6, aus Katzen¬ 
grün 9 Seelen, zusammen 131 Seelen zur K. G. Kö¬ 
nigsberg gehören. Durch antisemitische Quertreibe¬ 
rein kam die Fabrik zum Stillstand und K. um einen be¬ 
deutenden Industriezweig. Später wurden die Gebäu¬ 
de von Alois Low gekauft und eine Leimfabrik ein- 
Kyniperk n./O. 4 
31? 
Königsberg 4
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.