Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

„An die Herren Abraham Herschel und Konsorten 
in Karlsbad. 
Das hohe k. k. Min. f. C. und U. hat über den da¬ 
hin vorgelegten Rekurs der in K. domizilirenden 
Israeliten gegen den Statthalterei Erlaß vom 10. Aug. 
1868, Z. 38.543, womit die Bitte derselben um Ge¬ 
staltung der Konstituirung als selbstständige isr. 
K. G. daselbst abweislich beschieden wurde, der ho¬ 
hen k. k. Statthalterei mit Erlaß vom 31. Dez. 1868, 
Z. 9814, Nachstehendes eröffnet: 
Nach der im Rekurs enthaltenen, nicht widerspro- 
chenen Angaben, haben die Rekurrenten in Karls¬ 
bad ihr bleibendes Domizil, und mehrere derselben 
haben einen Realbesitz in der Gemeinde. 
Es hat sich daher die im Statthaltereiberichte vom 
6. Oktober 1864, Z. 57.926, konstatierte Tatsache, 
wonach sich die in Karlsbad befindlichen Israeliten 
nur zeitweilig daselbst aufhielten und die aus den¬ 
selben gebildete Kultusgemeinde nur einen prekären 
Bestand haben könnte, wesentlich geändert, und es 
ist sohin die Voraussetzung, von welcher das h. 
Staatsministerium dem unterm 13. September 1864, 
Z. 66.197, dem bestandenen k. k. Bezirksamte inti- 
mierten h. Erlasse vom 6. November 1864, Z. 10.046, 
ausgegangen ist, entfallen. 
In Erwägung dieses Umstandes und im Hinblicke 
auf den Art. 15 des Staatsgrundgesetzes vom 21. De¬ 
zember 1867 über die allgemeinen Rechte der Staats¬ 
bürger, findet das h. Ministerium für Kultus und 
Unterricht unter Aufhebung der rekurrierten Statt¬ 
haltereientscheidung vom 10. August 1868, Z. 38.543, 
die Bildung einer selbständigen israelitischen 
Kultusgemeinde in Karlsbad! mit dem Beisatze zu ge¬ 
statten, daß die definitive Konstituierung derselben 
davon abhängig gemacht werde, daß die Karlsbader 
Israeliten ein Kultusgemeindestatut der k. k. Statt¬ 
halterei vorlegen und die k. k. Statthalterei dasselbe 
genehmhalte. Hievon werden Sie gemäß hohen Statt¬ 
haltereierlasses von 10./13. d. Mts., Z. 1039, unter 
Rückschluß der Rekursbeilagen in die Kenntnis ge¬ 
setzt." 
Aus der kleinen Judengemeinde von kaum 100 Fa¬ 
milien ist in diesen sechseinhalb Jahrzehnten die 
viertgrößte Gemeinde Böhmens geworden. Am 
4. September 1877 wurde die Synagoge feierlichst 
eingeweiht. 
Der Friedhof wurde von der Ch. K. im J. 1868 an¬ 
gelegt. Das Rabbinat wurde im J. 1870 geschaffen. Als 
Rb. in K. wirkten: Rb. E. Oppenheim, 1870 
bis 1872. — Dr. Rudolf P 1 a u t, 1882—1888, der 
auch später für seine Verdienste um die Gemeinde 
zum Ehrenmitglied ernannt wurde. — Rb. Dr. Nathan 
Porge s aus Pilsen und seit dem 15. August 1888 
Prof. Dr. Ignaz Z i e g 1 e r, der sich unvergängliche 
Verdienste um die Schaffung sozialer Institutionen 
insbesonders aber des Jüdischen Altenheimes erwor¬ 
ben hat. 
Vorsteher: Salonion Knöpfimacher, Ludwig Moser, 
Adolf Rosenfeld und seit 1920 Dr. Karl Moser. 
In K. fanden auch große jüdische Tagungen statt 
und zwar der XII. Zionistenkongreß (1921) und der 
XIII. Zionistenkongreß (1923). Ferner die I. und IL 
jüdische Welthilfskonferenz in den Jahren 1920, bzw- 
1924. 
Im J. 1910 zählte man in K. 1600 jüd. Seelen und 
1931 ca. 2650 (11% der Gesamtbevölkerung). Seit 
dem J. 1907 versieht das Amt des Sekretärs Herr Ber¬ 
thold Weissmandl. 
Im Weltkriege fielen: 
Robert Grünhut 
Karl Hermann 
Ernst Kohn 
Oskar Kohn 
Ernst Pfeffer 
Karl Stein 
OKt. Isak Weiss 
Dr. Artur Weil 
Walter Zentner. 
Vereine: Israelitischer Frauenwohltätigkeitsver¬ 
ein (gegr. 1894). Präsidentin Frau Paul Rosenfeld. 
Ch. K.: Vorsteher Adolf Kraus. — Loge „Karlsbad44 
des J. O. B. B. — Präsident Rb. Prof. Dr. Ignaz Ziegler. 
— Zionverein: Obmann Dr. A. Löwenstein. — 
Im J. 1844 wurde bereits das Isr. Kurhospital für 
arme, nicht ortsangehörige Kranke, die zur Kur nach 
K. kamen, ins Leben gerufen. 
Karl. Vary 5 17* 
359 
Karlsbad 5
	        
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