Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Juden erteilten landesfürstlichen Generalien eine aus¬ 
drückliche Einschränkung erfahren hätten, während 
das Kaadner Reskript eine solche Einschränkung be¬ 
züglich des Übernachtens nicht enthalte. In seinem 
Berichte hob das Kreisamt die Bedeutung der Juden 
als Steuerträger hervor und betonte besonders das 
Maßvolle ihrer Forderung, daß sie nur im Notfalle 
und zu gewissen Zeiten und in erster Linie nur für 
den Kontributionseinnehmer das Recht verlangen, 
ausnahmsweise in der Stadt die Nacht zubringen zu 
dürfen. 
In diesem Sinne wird wohl auch die endgültige 
Entscheidung, die in den Akten nicht mehr vorfin¬ 
dig ist, diesen langwierigen Streit beendet haben und 
die Juden durften, wenn sie triftige Gründe dafür vor¬ 
brachten, nach den Tagesgeschäften auch die Nacht 
über innerhalb der Stadtmauern verweilen. Dieser Zu¬ 
stand blieb in den folgenden Jhzt. unverändert auf¬ 
recht und die mit dem Rundschreiben des Saazer 
Kreisamtes vom 5. Jänner 1739 eingeschärfte Statt- 
lialterei-Verordnung, womit der in den Städten und 
Dörfern lebenden Judenschaft bei Leib- und Lebens¬ 
strafe die Beherbergung fremder Juden verboten und 
die Einsetzung eines eigenen Kommissärs angeordnet 
wurde, der in jedem Übertretungsfalle die Schuldigen 
verhaften zu lassen und darüber zu berichten hatte, 
blieb für K. bedeutungslos, da hier keine Judenfami¬ 
lien mehr seßhaft waren, welche fremde Juden hätten 
beherbergen können. So findet sich auch K. neben den 
Orten, aus welchen der gewählte Kommissär am 10. 
Jänner vormittags 10 Uhr im Saazer Kreisamte zur 
Eidesleistung erscheinen mußte, nicht aufgezählt; es 
sind nur die Orte Postelberg, Eidlitz, Lichtenstadt, 
Trebetitsch, Liebeschitz, Petschau und Falkenau ge¬ 
nannt. Aber weil jene Bewilligung nur in Ausnahms¬ 
fällen erteilt wurde und der Magistrat sparsam genug 
damit umgegangen sein wird, geriet sie bald wieder 
außer Übung. Als darum während des siebenjährigen 
Krieges Lobi Baruch Hönig aus Prag mit einigen an¬ 
deren Teilhabern einen Vertrag auf zeitlich befristete 
Lieferung von 780.000 niederöst. Metzen Hafer „zur 
Subsistenz der Armee" mit demi Ärar abschloß und u. 
a. auch in K. eine Sammelstelle errichtete, wurde ihm 
daselbst die Übernachtung verweigert und zwei seiner 
Angestellten, die sich trotzdem ein Unterkommen für 
die Nacht in der Stadt zu verschaffen gewußt hatten, 
gefänglich eingezogen und mit einer Geldstrafe belegt. 
Damals, im J. 1760, weilten von der Lobi Baruch Hö- 
nigschen Unternehmung als Angestellte in K. Gerschl 
Lazer, dessen Bruder jochum und Feyth Joseph aus 
Prag. Auf eine dieserwegen erhobene Beschwerde 
suchte das Kreisamt den Kaadner Magistrat zuerst mit 
gütlichen Worten zu bewegen, daß er von seiner ju¬ 
denfeindlichen Haltung mit Rücksicht auf das allge¬ 
meine Beste und weil unter den herrschenden Kriegs- 
umständen manches Sonderrecht zu gelten aufhöre 
oder wenigstens nicht so strenge wie in ruhigen Zeiten 
gehandhabt werde, ablassen möge. Der Magistrat aber 
wies in seiner Verteidigung eines verbrieften Rechtes 
wiederum darauf hin, daß ja den Juden über der Eger- 
brücke, keine 100 Schritte von der Stadt entfernt, ein 
Haus zum Nächtigen offenstehe, und ließ dabei mer¬ 
ken, daß er entschlossen sei, dies Recht auch gegen 
das Kreisamt, dem die Stadt das Privileg ja nicht ver¬ 
danke, zu schützen und auszuüben; da verzichteten 
die Kreishauptleute, weitere Weisungen und Befehle 
zu erteilen, und erklärten nur drohend, daß sie sich 
Satisfaktion verschaffen und die Sache zu einem an¬ 
deren Ende bringen werden, als der Magistrat sich vor¬ 
stelle. Aber dieser scheint doch seinen Willen durch¬ 
gesetzt und die Juden vom Übernachten in der Stadt 
ausgeschlossen zu haben; denn als wenige Jahre spä¬ 
ter durch das Hofdekret vom 4. Dezember 1764 der 
Tabakgefälls-Pachtungskompagnie gestattet wurde, 
allerorten, auch in privilegierten Städten, sowohl für 
den al ingrosso- als auch a la minuta-Verschleiß nach 
ihrem Gutbefinden Niederlagen zu errichten, hiezu 
Häuser und Gewölbe zu mieten und jüdische Substitu¬ 
ten als Trafikanten anzustellen, die von den Städten 
ohne Schmälerung ihrer Privilegien, aber auch ohne 
daß sie von diesen Angestellten eine Leibabgabe for¬ 
dern dürften, anzunehmen seien, da sollte auch in K. 
eine solche Tabakniederlage eingerichtet werden und 
ein jüdischer Trafikant sie verwalten. Allein gleich 
der Stadt Brüx und entgegen dem Beispiele der Stadt 
Saaz verweigerte der Kaadner Magistrat die Auf¬ 
nahme und schlug die Bitte des ausersehenen Trafi¬ 
kanten, für ihn und seine Familie eine Wohnung zu 
beschaffen, mit Berufung auf die städtischen Privile¬ 
gien rundweg ab. Obwohl nun vom Saazer Kreisamt 
unterm 14. November 1766 der gemessene Befehl 
kam, dem jüdischen Trafikanten wo nicht auf dem 
Hauptplatze, so doch in einer abseitigen Gasse Unter¬ 
kunft und Verkaufsgewölbe gegen einen angemesse¬ 
nen Hauszins zu verschaffen und, da diesem Angesteli¬ 
ten kein anderes Geschäft zu betreiben erlaubt sei und 
somit den einheimischen bürgerlichen Geschäftsleuten 
keine Einbuße an Verdienst daraus erwachsen könne, 
dem Trafikanten sowie der ganzen Paohtungskom- 
pagnie allen billigen Vorschub zu leisten, so mußte ge¬ 
nau vier Jahre später die Tabakgefällsamts-Admini- 
stration die Klage erheben, daß in K. zur Aufnahme 
des Tabakverlags noch immer keine Anstalt getroffen 
worden sei, wodurch der Tabakverbrauch zum Scha¬ 
den des Ärars arg verkürzt werde. Trotz der dem Da¬ 
vid Lazar auf sein Ansuchen beigestellten Assistenz 
gegen die Stadt K. dauerte es bis Juni 1772, daß der 
Jude Simon Liohtenthal aus Dehlau (Bez. K.), gewöhn¬ 
lich Lazar Schimmel genannt, es wagen durfte, als Ta¬ 
bakverleger in K. einzutreffen. Sein Erscheinen er¬ 
regte aber die auf ihre Privilegien eifersüchtigen Bür¬ 
ger so sehr, daß ein Aufstand zu befürchten war und 
Lichtenthai unter Militärbedeckung eingeführt wer¬ 
den mußte. Auch hernach war er noch längere Zeit ge¬ 
zwungen, vor seiner Behausung (jetzt Haus Nr. 95 der 
Schmidtgasse) eine Militärwache, welche das hier lie¬ 
gende Dragoner-Regiment „Prinz von Zweibrücken" 
stellte, auf eigene Kosten zu unterhalten. Wie sehr 
übrigens K. als judenfeindlich bekannt und gefürch¬ 
tet war, beweist, daß der im J. 1781 zum Rechnungs¬ 
führer über das Kaadner Tabakgefälle ernannte Ema¬ 
nuel Lazar den Mut nicht aufbrachte, sich mit einem 
Gesuche um Anweisung einer Wohnung an den Magi¬ 
strat zu wenden, weil er von vornherein einer schrof¬ 
fen Ablehnung sicher war. Hiefür erteilte ihm seine 
zuständige Behörde einen Verweis und ersuchte zu¬ 
gleich den Magistrat in freundlichen Worten, in die¬ 
ser Sache keine weiteren Schwierigkeiten zu machen. 
Er gab auch nach, aber die Bürgerschaft fühlte weiter 
die Anwesenheit einiger Juden wie einen Pfahl im 
Fleische und, um sich davon zu befreien, brachte der 
Bürgerausschuß ein Majestätsgesuch mit der Bitte ein, 
den jüdischen Tabakverleger abzuschaffen und den 
Tabak- u. Siegel-Distriktsveriag einem Christen zu ver¬ 
leihen. Das Gesuch fand die dem Magistrat am 13. No» 
vember 1791 übermittelte Erledigung, daß, da wider 
den Juden, welcher schon zu Anbeginn der Tabakge» 
fällspachtung als Verleger in K. angestellt wurde, 
keinerlei Beschwerde vorliege, er nicht entlassen wer¬ 
den könne; so aber dieser Posten durch den Tod des 
Verlegers oder seine Enthebung wegen tadelhaften 
Verhaltens in Erledigung kommen sollte, werde man 
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