Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Schlosse Hassensteiii und später in der Kaadner Burg 
residierenden Herrn Johann von Lobkowitz und Has¬ 
senstein, mit dem sie viel geschäftlichen Verkehr 
pflegten und der sie sichtlich begünstigte. Daß sie sich 
aber trotzdem nicht an den Stadtgrund banden, son¬ 
dern von ihrem Geschäftssinn und Handelsgeiste 
immer wieder in andere Orte geführt wurden, das ist 
wohl der Hauptgrund des überraschend häufigen 
Wechsels in ihrem Hausbesitz. Ihre Freizügigkeit 
scheint nicht gehemmt gewesen zu sein. Der niedrige 
und dabei immer schwankende jüdische Seelenstand 
läßt es nicht wahrscheinlich sein, daß in K. in jener 
Zeit eine behördlich geordnete J. G. bestand. Es wird 
in den Urkunden und Amtsbüchern auch nirgends ein 
Vorsteher oder Ältester genannt, der durch seinen 
Rang über die sonstige Stadtjudenschaft wäre empor¬ 
gehoben gewesen. Daß sie aber doch zu einer mehr 
oder minder losen Vereinigung zusammengeschlossen 
waren, wenigstens um ihre Toten nach hergebrachtem 
Brauche zu begraben und sonst ihren religiösen Be¬ 
dürfnissen zu genügen, wird durch die zufällige Er¬ 
wähnung des Grundbuchs beim J. 1653 „Weingarten, 
an der Juden gewesten Begräbnis gelegen % und weil 
das Judenrecht nach jedem Todesfalle eine Spende 
für den Gottesacker forderte, bestätigt. Der Juden¬ 
friedhof lag demnach östlich der Stadt vor dem Töp¬ 
fertore auf dem Roßbühl oder, wie heutzutage die 
Stätte genannt wird, Rößbödl, lang ein mißachteter 
Ort, weil in seiner Nähe der Aasplatz und weiterhin 
die Richtstätte mit dem Galgen lag. Die Erinnerung 
an diesen Friedhof ist aus dem Gedächtnisse unserer 
Zeit gänzlich entschwunden, kein Flurname hat sie 
festgehalten, auch sonst meldet keine Urkunde von 
ihm, wie auch von einem jüdischen Bethaus der alten 
Zeit an keiner Stelle die Rede ist. Der Christenfried¬ 
hof befand sich in jenen Jahren mitten im Herzen der 
Stadt, rings um die Hauptkirche, und diese Verschie¬ 
denheit in der Lage der beiden Friedhöfe deckt die 
gesellschaftliche Unterordnung und Zurücksetzung 
der Juden, die ihnen bei aller sonstigen Berechtigung 
auch in K. nicht erspart geblieben ist, deutlich auf. 
Als nach dem am 21. Jänner 1517 erfolgten Tode 
des Pfandherrn Johannes v. Lobkowitz auf Hassen¬ 
stein die Stadt durch opferwillige Beiträge aller 
Schichten der Bevölkerung das Lösegeld von 18,000 
Schock Groschen aufgebracht und durch eine beson¬ 
dere Abordnung an das kgl. Hoflager in Ofen abge¬ 
sendet hatte, erlangte sie, allerdings erst mit dem 
J. 1519, ihre Freiheit wieder zurück. Nun wurde ihr 
vom Landrecht die Zahlung eines jährlichen Juden¬ 
zinses an die Kammer aufgetragen, wogegen sie sich 
zur Wehr setzte, weil die Stadt niemals Judenzins ge¬ 
zahlt habe. Vor alters seien überhaupt keine Juden 
in K. gewesen und erst von Johann v. Lobkowitz und 
Hassenstein wider der Stadt Willen gehalten worden, 
was sich jetzt nicht ändern lasse, obwohl es am Tage 
liege, daß die arme Gemeinde von den Juden durch 
Auswucherung um mehr denn 20.000 Schock geschädigt 
wurde; von ihnen hätte sie all ihre Lebtage keinen 
Heller noch Pfennig empfangen, während ihr nun auf¬ 
erlegt werde, der Juden halber 146 Gulden rheinisch 
zu geben. Auch unter Johann v. Hassenstein habe kein 
einziger Jude in die kgl. Kammer gehört und mit den 
dem Hassensteiner gehörigen Juden habe die Stadt 
nichts zu tun gehabt, von den anderen Juden aber 
hatte jeder seinen eigenen Herrn. 
Kaum war die Sonne der Freiheit wieder über der 
Stadt aufgegangen, war es eine ihrer ersten Sorgen, 
die Gemeinde auf Grund einer kgl. Begnadung auch 
von den Schützlingen des Gewaltherrn, den Juden, zu 
befreien, weil, wie der Rat behauptete, bei Lebzeiten 
Johanns v. Lobkowitz sowohl die in K. seßhaften 
Juden als auch die der umliegenden Herrschaften „in 
der Gemeinde nicht wenig Nachteil, Unwillen und an¬ 
deren Unrat geschaffen haben64. Der Rat verordnete, 
daß ein jeder, der den Juden etwas pflichtig oder 
schuldig sei, es sei viel oder wenig, solches alles zwi¬ 
schen jetzt (Sonntag Jacobi, 29. Juli 1520) und näch¬ 
ster Fastnacht (25. Feber 1521) ohne allen Verzug 
bezahlen und richtig machen soll. So aber jemand, er 
wäre arm oder reich, solche Verordnung mißachten 
und sich aus Judenhänden zu lösen säumen wollte, 
soll bei der Stadt mit Weib und Kind weiter nicht ge¬ 
duldet, sondern mit seiner Person dem Juden überlie¬ 
fert werden. Und weder er noch ein Jude oder eine 
Jüdin sollen fortan in ein Haus der Stadt oder Vor¬ 
stadt in irgendeiner Weise treten dürfen. 
Dieses Verbot des Wohnens und Herbergens in der 
Stadt und des Hausierhandels mußte die Lebensader 
des auf Handel und Geldverleihen gegründeten jüdi¬ 
schen Erwerbs unterbinden und Juden mögen von 
nun an im Straßenbilde Kaadens recht selten gewor¬ 
den sein. Ein über 67 Jahre reichender Ausschnitt aus 
den Gerichtsverhandlungen, wie ihn die erhaltenen 
Gerichtsbücher des 16. Jhts. darstellen, läßt nur ver¬ 
hältnismäßig wenig Namen von Juden sehen, welche 
vor Gericht erschienen, um ihr Recht zu finden. 1523 
tritt Leeb J. von Prag als Bevollmächtiger des Mer¬ 
kel J., eines Sohnes Herzmanns J., auf, 1529 erschei¬ 
nen zwei Juden aus Maschau, der Schulmeister Abra¬ 
ham J. und Jakob J., dann werden vier Juden aus 
Klösterle genannt: 1524 Liebermann J., 1529 der 
lange Isak J., 1548, 1565 und 1567 Götz J. und 1569 
und 1572 „der junge Götz, der Jude von Klösterle 
womit wohl gesagt ist, daß der letztgenannte damals 
in diesem Nachbarstädtchen von K. der einzige Jude 
war. 1550 stand Feistl J. von Eidlitz mit einem Bauer 
aus Quon (Bez. Saaz) wegen eines Pferdetausches im 
Amte und mußte sich verpflichten, in acht Tagen in 
Eidlitz dem Bauer entweder ein anderes Pferd oder 
11 Schock Groschen zu geben. 1567 erschien Abra¬ 
ham J. von Lichtenstadt wiederholt wegen nicht be¬ 
zahlter Lederlieferung vor dem Kaadner Gerichte. Im 
J. 1569 belangte „Kaufmann J." einen aus Pröhl 
(Bez. K.), für den er bürgschaftshalber dem Küel J. 
in Eidlitz hatte 5 Schock und einen Ortgroschen zah¬ 
len müssen. Blesel J. von Eidlitz stundete 1585 einem 
Olleschauer (Bez. Duppau) die Rückerstattung von 2 
Schock und V2 Strich Weizen und am 22. April 1592 
brachte er dem Kaadner Bürger Matthes Dörfl 20 
Strich Korn Komotauer Maß, das Strich zu 1 Schock 
3 Groschen, welches Dörfl bestellt hatte, vors Haus; 
da Dörfl aber selbst nicht daheim weilte, weigerte 
sich dessen Weib, die Lieferung zu übernehmen, 
worüber Blesel auf dem Rathause Beschwerde erhob. 
Am 22. Jänner 1588 klagte Moisés J. zu Prag zwei 
Kaadner Bürger auf Zahlung von 60 Schock für ver¬ 
kauftes Rohleder; auf Zureden des Bürgermeisters 
wollte er bis Ostern zuwarten, wofern sie aber bis 
dahin die Schuld nicht beglichen hätten, sollten sie 
„auf eigene Kosten und Lebensgefahr ins Gewahrsam 
gehen und nicht wieder heraus", sie hätten denn 
solche bar bezahlt. Die Vorsteher der kath. Rosen¬ 
kranz-Bruderschaft ließen am 30. April 1592 einen 
„Juden mit Nam Holirzen" gefänglich einziehen, weil 
er der Wirtin von Liebotitz (Bez. K.), einer Schutzbe¬ 
fohlenen der genannten Bruderschaft, 30 Schock 
über Gebühr lang schuldig geblieben, und am 24. Mai 
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Kaaden 3
	        
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