Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Geschichte der Juden in Jechnitz. 
Bearbeitet von 
Rb. S. Löwi, Jechnitz. 
Jechnitz (c. Jesenice) ist eine Bezirksstadt in der 
Hauptmannschaft Podersam, Böhmen, hat zirka 260 
Nummern und zirka 1400 Einwohner. Jetzt wohnen 
hier 15 jiid. Familien. Früher waren hier mehrere 
Familien ansässig, aber in den letzten Jahren hat sich 
die Zahl der Familien teils durch Ableben der Fami¬ 
lienhäupter, teils durch Hinwegziehen in größere 
Städte vermindert. Über die Entstehung der hiesigen 
K. G. ist Nachstehendes bekannt: 
Bis zum J. 1850 wohnte in J. kein Jude, obzwar die 
Juden der umliegenden Ortschaften stets zu Anfang 
jeder Woche nach J. kamen und dort ihre Geschäfte 
erledigten. Rühmend verdient hervorgehoben zu wer¬ 
den, daß diese Geschäftsleute in J. im Gasthause 
„Zum grünen Baum" bei der sehr liberalen Familie 
Heidler eine Heimstätte fanden, wo sie sich wäh¬ 
rend der ganzen Woche aufhalten konnten, um dann 
vor Beginn des Sabbates wieder zu ihren Familien 
zurückzukehren. Im J. 1870 kaufte Lazar K o h n ein 
Häuschen in J. Nr. 92, wo er einen Handel mit Fe¬ 
dern und Rohleder betrieb. Nun war der Bann ge¬ 
brochen. Im Laufe der Jahre zogen mehrere jüd. Fa¬ 
milien nach J. Die nächste jiid. K. G. war Peters¬ 
burg, wo die Juden auch aus J. dem Gottesdienst 
beiwohnen konnten. Bald aber war die Zahl der jüd. 
Bevölkerung derart angewachsen, daß sie selbst eine 
Stube mieteten, wo sie ihren Gottesdienst abhalten 
konnten, obzwar trotzdem einige noch den Gottes¬ 
dienst in Petersburg besuchten. Es wurde hier ein 
Religionslehrer angestellt, der die Funktionen in der 
Betstube und in der Privatschule zu besorgen hatte. 
Ende der 70 er Jahre war die Zahl der Juden bereits 
auf zirka 70 Familien einschließlich jener Juden ge¬ 
stiegen, die in den benachbarten Ortschaften wohnten 
und gerne ihr Scherflein zu den Bedürfnissen der 
Gemeinde beitrugen. Zu dieser Zeit erwarb die Ge¬ 
meinde hier das Haus Nr. 191 und so übersiedelte die 
Synagoge in ein eigenes Heim, wo ein großes Zimmer 
Rb. Josef Neu Rb. Sal. Löwy 
als Synagoge eingerichtet wurde. Im J. 1893 wurde 
bei der Konstituierung der Gemeinden in Böhmen 
Jechnitz als K. G. bestätigt. Der erste Rb. war Eduard 
S c h u 1 h o f, dann folgten verschiedene Namen. 
Mein Vorgänger war Josef Neu (1901—1908). Ich 
bin seit 1908 bis heute hier im Amte. Als Mitbegrün¬ 
der der Gemeinde nenne ich Jakob K a u d e r s. Zur 
Zeit der Konstituierung war JUDr. Filipp Schnei- 
d e r K. V., als dieser nach Budweis zog, MUDr, Hugo 
K o h n und dann JUDr. Moritz K o h n. Nach dessen 
Ableben im J. 1923 übernahm Herr Josef Abeles, 
Kaufmann in J., das Amt des K. V. welches er heute 
noch verwaltet. Seit einer Reihe von Jahren ist er 
Nathan Löwy Dr. Moritz Kohn 
auch Mitglied der Stadtvertretung. Der Energie un¬ 
seres K. V. ist es zu verdanken, daß in finanzieller 
Beziehung Ordnung in der Gemeinde herrscht und 
das Haus, welches mit spärlichen Mitteln angekauft 
wurde, heute schuldenfreies Eigentum der Gemeinde 
ist. Besonders rühmend ist hervorzuheben, daß durch 
K. V. Abeles eine Sammlung von Spenden zur Re¬ 
novierung unseres Gotteshauses eingeleitet wurde, so 
daß es jetzt einen sehr erfreulichen Anblick bietet. 
Allen Spendern, besonders dem Herrn K. V. gebührt 
der Dank der Gemeindemitglieder. Während die ver¬ 
storbenen Gemeindemitglieder früher ihre Ruhestätte 
auf dem israel. Friedhofe in Dereisen fanden, be¬ 
findet sich jetzt auf dem neuen Kommunalfriedhofe 
in J. eine Abteilung für Juden. Laut der behördlichen 
Abgrenzung gehören zum Sprengel der K. G. Jechnitz 
20 Gemeinden. In vielen Gemeinden wohnen keine 
Juden und die andern zahlen wohl ihre Kultusbei¬ 
träge, kommen sonst aber mit der K. G. selten in Be¬ 
rührung. Während früher in den Ortschaften P e- 
tersburg und Scheies der Religionsunterricht 
von den jeweiligen Rb. erteilt wurde, findet der 
Unterricht bloß in der Schule in J. statt, da sowohl in 
Petersburg als auch in Scheies keine Schüler mehr 
vorhanden sind. 
Dr. 
Kohn 
Josef 
Jesenice i 
197 
Jechnitz t
	        
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