Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Geschichte der Juden in Ilernian-Mestec. 
Bearbeitet von 
Dr. Isak F olkmann, Rabbiner, Herman-M ëstec. 
Die erste geschichtlich nachweisbare Erwähnung 
einer J. G. in H. M. ist in den archäologischen Denk¬ 
mälern und topographischen Aufzeichnungen, heraus¬ 
gegeben von Dr. Josef Ladislav Pic, laut Teil XIV, 
Heft 10 v. J. 1889, S. 505, in einem von Anton Rv- 
backa verfaßten Berichte zu finden. Dortselbst heißt 
es, daß unter Johann Jetrieh von Zirotin im J. 1591 
hier schon eine ziemlich bedeutende J. G. war. Die 
Juden betrieben verschiedenen Handel und auch Wu¬ 
chergeschäfte, besonders mit dem Kleinadel der Um¬ 
gebung von H. M. Dieselbe Quelle berichtet auch, daß 
sich die Juden mancherlei Übergriffe zuschulden 
kommen ließen, dafür aber viel Unbill und Verfolgun¬ 
gen zu erlragen hatten. Als Beispiel wird angeführt, 
daß ein gewisser Johann Bajchovsky aus Raskovic, 
einem Dorfe bei H., einen Juden Namens Abraham 
aus H. erschlug. Er wurde dafür von der damaligen 
Herrschaft in H. Nikolaus Trcka von Lichtenburg im 
J. 1509 vor das Kamniergericht gebracht und mit einer 
Strafe von 10 Schock böhni. Groschen belegt, weil er 
einen ihm untergebenen Juden erschlug. Daraus ist 
aber auch ersichtlich, daß in H. bereits im J. 1509 
Juden wohnten. 
Laut den Aufzeichnungen des Alois Klas in seinem 
Wegweiser der Umgebung von H. vom J. 1901 heißt 
es: „Um das J. 1450 waren daselbst Bierbrauereien 
vorhanden, auch das Handwerk blühte, das Müller- 
und Bäckergewerbe waren gut entwickelt, so daß H. 
als das gew erbreichste Städtchen des Chrudimer Krei¬ 
ses galt. Um diese Zeit wird aber auch der Jude in 
diesem Städtchen erwähnt, der sich durch Handel und 
durch Verleihen von Geld an den Kleinadel der Um¬ 
gebung ernährte." Jedenfalls ist daraus zu ersehen, 
daß bereits im J. 1450 daselbst Juden wohnten. Die 
Tradition, die sich hier von Mund zu Mund fort¬ 
pflanzte, berichtet von einem Grabsteine, dessen Auf¬ 
schrift leider vom Zahn der Zeit ganz zerstört ist, daß 
derselbe über 500 Jahre alt ist. Jedenfalls kann man 
mit ziemlicher Gewißheit behaupten, daß es bereits 
zu Beginn des 15. Jhts. eine jüdische Siedlung gab. 
Im J. 1661 verkaufte die Gräfin Khyslova die städ¬ 
tische Herrschaft dem Johann Karl Grafen Spork. 
Dieser war seinen Untertanen ein gütiger und gerech¬ 
ter Herr. Er bewies aber auch seine Gunst den Juden. 
Den Juden, welche die Judengasse, später Juidenstadt 
genannt, bewohnten, gestattete er ein B e t h a u s zu 
erbauen. 
Nach mündlichen Überlieferungen soll sich zu Be¬ 
ginn des 17. Jhts. die Judengaisse samt Tempel in der 
vom Ringplatze zur Vorstadt „Obec44 führenden Gasse 
befunden haben, das wäre die Kosteletzergasse. Erst 
nach einem verheerenden Brande wurde dieselbe in 
die jetzige judengasse verlegt. 
Uber die Gründung des hiesigen Friedhofes sind 
keine sicheren Daten vorhanden. Die ganz alten Grab¬ 
steine sind derart verwittert, daß man nichts positives 
erfahren kann. Aber die Geschichte unseres Stammes 
lehrt uns, daß die Juden, wo immer sie sich nieder¬ 
ließen, in erster Reihe für eine würdige Ruhestätte 
ihrer Toten Sorge trugen. W enn daher unsere Quellen 
auf die Existenz von Juden in H. M. bereits auf das 
J. 1450 hinweisen, so ist es sicher, daß auch um diese 
Zeit eine Begräbnisstätte vorhanden war. Zu Beginn 
des IT. Jhts. ist von einer Vereinigung edeldenkender 
und vornehmer Männer eine gut organisierte Ch. K. 
gegründet worden. Dieselbe stellte sich auch die Auf¬ 
gabe, Kranke zu besuchen, Hilfe nach Möglichkeiten 
zu leisten und bei Toten abwechselnd Wache zu hal¬ 
ten, worauf die noch vorhandenen Statuten der Ch. K. 
hinweisen. Dieselben sind am 24. Nissan des J. 1643 
verfaßt und auf Pergament in hebräischer Sprache 
niedergeschrieben. Diese Statuten befinden sich gegen- 
wärtig im jüdischen Museum zu Prag. 
Eine deutsche, behördlich beglaubigte Übersetzung 
derselben wurde am 8. Mai 1817 angefertigt von einem 
gewissen Karl Fischer, der Zensor und Revisor der 
hebräischen Bücher und Schriften, sowie bestellter 
Translator bei den k. k. Landesbehörden war. 
Im J. 1667 erweiterten die Juden mit Erlaubnis des 
Grafen Spork ihren Friedhof durch Ankauf eines be¬ 
nachbarten Stück Feldes von Johann Bures um 8 
Schock 30 Groschen. Das Feld war 8° breit und 8° 
lang. 
Der Graf Johann Spork starb im J. 1679; die Güter 
von H. M. und Morasic erbte nach ihm der jüngere 
Sohn Ferdinand Leopold Spork. Im J. 1686 wütete 
hier die Pest, die viele Menschenopfer forderte. In 
die verlassenen und unbewohnten Häuser berief der 
Graf Ferdinand die Juden, worauf die Vermehrung 
der Juden in H. M. zurückzuführen ist1). Die J. G. 
haitte damals ihre eigene Verwaltung. Im J. 1685 war 
ein Judenbürgermeister2) namens Salomon Pfogt. 
Als Gemeinderat wird Simon Zacharias genannt. Die 
Juden besaßen damals auch ihre eigene Polizei und 
Nachtwächter. Daselbst wohnte auch der KRb. (der 
Naine desselben wird nicht in unserer Quelle genannt). 
Später trait in dieser Beziehung eine Änderung ein 
und die Juden unterstanden bis zum J. 1848 der Herr¬ 
schaft in sämtlichen Justiz- und Militärangelegenhei- 
tcn. 
Im J. 1685 erfuhr der Judenfriedhof eine aber¬ 
malige Erweiterung durch Ankauf eines neuen Stück 
Feldes von dem bereits genannten Johann Bures; im 
J. 1709 zum dritten und im J. 1723 zum vierten Male. 
Den nötigen Acker zu diesem Zwecke lieferte bereits 
Martin Bures, wahrscheinlich ein Sohn des obgenann- 
fen Johann Bures. 
Der alte Tempel in der Judenstadt wurde im j. 1760 
von Johann Wenzel Grafen Spork erbaut. Die gegen¬ 
wärtige schöne Synagoge, das einzige hervorstechende 
Gebäude in der Judengasse, entstand durch Umbau 
der alten Synagoge im J. 1870 mit einem Aufwände 
von 15.051 Gulden. Den Umbau hatte der Architekt 
Franz Schmoranz von Slatinan bewerkstelligt. Am 
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