Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

tätig war und zugleich das Gymnasium besuchte. Mit 
17 Jahren wanderte er zu Fuß nach Budapest, wo es 
ihm zuerst recht schlecht ging, aber bald arbeitete er 
sich empor und begann, für seine Geschwister zu sor¬ 
gen, Er errichtete die erste chemische Putzerei der 
Adalbert Fuchs 
Gustav Kohn 
Stadt, welches Unternehmen Erfolg hatte, und über¬ 
siedelte 1875 nach G., wo sein Schwager ein Likör¬ 
geschäft betrieb. In dieses trat er nach seiner Ver¬ 
heiratung ein, führte auch andere Verkaufsartikel 
ein und baute die Handlung bedeutend aus. Die noch 
bestehende Stickereifabrik wurde von ihm 1889 ins 
Leben gerufen; sie stand zuerst unter der Leitung 
Leopold Fischers. Schulz ging als erster Stickerei¬ 
erzeuger in G. daran, Handarbeiten in großzügiger 
Weise herzustellen und, nicht wie die anderen Gras- 
litzer Unternehmer an die Fabrikanten in Klingentaì 
und Plauen, sondern durch Reisende direkt im gan¬ 
zen Lande absetzen zu lassen, welche Betriebsart in 
kurzem allgemeine Nachahmung fand. Seit 1908 
wurde der Betrieb in der früheren Christian Breinl- 
fabrik am Fuße des Hausbergs (Hausberggasse 739) 
geführt. Bei der Gründung des Graslitzer Stickerei¬ 
verbandes 1910 wurde Schulz sofort in den Ausschuß 
gewählt und verblieb darin bis zu seinem Ableben. 
Während des Weltkrieges war er landesfürstlicher 
Lebensmittelkommissär für Stadt und Bezirk Graslitz. 
Hiebei entwickelte er ebenfalls eine eifrige Tätigkeit, 
bei der er aber ein inneres Leiden zu wenig beachtete, 
an dessen Folgen er am 19. November 1917 unter 
großen Schmerzen in Karlsbad starb. Die Fabrik 
übernahmen die zwei Söhne Robert (der bei den 
letzten Nationalratswahlen als 2. Listenfahrer im 
Wahlbezirk Karlsbad für die zionistische Partei kan¬ 
didierte) und Anton; sie führten sie unter dem 
Namen Gebrüder Schulz weiter und vergrößerten das 
Gebäude nach einem Brande vor einigen Jahren we¬ 
sentlich. Von den übrigen 4 Söhnen ist Karl Kauf¬ 
mann, Ferdinand Professor an der Staatsreal¬ 
schule in Bergreichenstein, die Tochter Olga ist die 
Witwe des im Kriegsdienste in einem Militärspital 
verstorbenen Dr. Fritz W e i n f e 1 d, Bezirkstier¬ 
arztes in Neuern; er hatte sich eine Infektion mit der 
furchtbaren Pferderotzkrankheit zugezogen, an der 
er verschied. 
Seit 1913 haben sich die Graslitzer Juden zu dem 
B. V. „Adass Isroel" zusammengeschlossen, der im 
Hause des MUDr. Wilhelm Bloch eine Woh¬ 
nung zu einem Betlokal einrichtete. Die zur Ver¬ 
wendung gekommenen 2 Kandelaber beim Altar und 
die Bänke mit Pultladen sind Geschenke der K. G. 
Neuern, der Heimatsgemeinde Dr. Blochs, aus dem 
Inventar des bestandenen Tempels in D r o s a u 
(c. Strázov) im Bezirk Klattau, einer früher ein¬ 
mal größeren, nun eingegangenen J. G. Die Ein¬ 
weihung des Betlokals fand am 18. August 1913 
unter zahlreicher Beteiligung einheimischer und als 
Gäste erschienener fremder Glaubensgenossen statt. 
Der B. V. wurde durch die Herren Gustav Kohn 
und Adalbert Fuchs als Tochtergemeinde der K. G. 
Falkenau a. d. E. gegründet; seit seinem Bestand ist 
Herr Kohn Obmann, Herr Fuchs Bethausverwalter 
und Funktionär des Vereins. 
Bei der Volkszählung 1921 befanden sich im Gras¬ 
litzer Bezirk bereits 65 Juden, sämtlich in der Be¬ 
zirkshauptstadt. Nach Herrn Kohns Aufzeichnungen 
gibt es gegenwärtig in Graslitz 22 jüdische Familien 
mit 82 Köpfen. 
Seit 1885 siedelten sich hier an: Produktenhändler 
Lauscher, Advokat Dr. Leopold Steindler, 
zuerst Konzipient in der Kanzlei seines Vorgängers, 
Med. Dr. Karl T h e i m e r, JUDr. Rudolf Grün- 
b e r g, Distriktsarzt Dr. Jacques Fürnberger 
(früher in Schwaderbach bei Graslitz), Advokat 
Dr. Wilhelm Eisenberge r, Jur. Dr. Otto Rau¬ 
mann, Jur. Dr. Oskar Hahn, Dr. Falk, Konzi¬ 
pient bei Dr. Eisenberger, die Professoren Dr. Stei¬ 
ner und M ä n d 1, Lehrer Rosenbaum, Kauf¬ 
mann Leopold H o 1 z e r, der Inspektor der Buschtie- 
hrader Eisenbahn Arnold Kohn und dessen Schwe¬ 
ster Frl. Regine Kohn, Bezirksarzt Dr. König, 
Steuerinspektor E i s 1 e r, Schirmerzeuger Gold¬ 
mann, diie Kaufleute P o 11 a k und F e 1 i x, Pelz¬ 
warenhändler David Adler, dessen Geschäftsführer 
P r o p p e r und der gewesene Gendarm und spätere 
Kaufmann Simon Hlawatsch. Auch der erste in 
Silberbach ansässige Distriktsarzt Dr. Polatschek 
ist Jude. 
Alle diese sind wieder weggezogen oder gestorben. 
Gegenwärtig finden sich folgende Bürger jüdischer 
Abstammung in G. : Außer den schon erwähnten 
Herren Anton und Karl Schulz, dem Obmann Gustav 
K o h n, seit 1909 in G., Likörerzeuger (Goethe¬ 
gasse 608), und Dr. Wilhelm Bloch, der von 1919 
bis 1931 Mitglied der Stadtvertretung, seit 1929 Stadt¬ 
rat war und seit 1926 Chefarzt der Bezirkskranken¬ 
versicherungsanstalt Graslitz ist, der Produktenhänd¬ 
ler Adalbert Fuchs (seit 1889 in G.; sein Sohn 
Oskar Fuchs ist jetzt Inhaber der Firma), Advokat 
Dr. Elias Rothfeld, Stadt- und Distriktsarzt i. R. 
Dr. Heinrich B ä u m 1, Zahnarzt Dr. Otto Pick, 
Frau Amalie S t r a n s k y, Weißwarenerzeugerin, 
Mühlgasse 888, die Witwe des Gründers des Hauses 
und früheren Inhabers Max Stransky, die Familien 
Leffmann und K a s s o w i t z, Fabrikanten, Fa¬ 
briksdirektor Otto Pick und Weißwarenerzeuger 
Paul Schmolka; seine Gattin Hella ist Dr. med. 
univ., Rudolf Lichtenstein ist Gymnasialpro¬ 
fessor, Emil T e w e 1 e s Buchdruckereibesitzer, und 
wenn wir noch die Kaufleute Artur K o h n, Richard 
Gold und Alfred L ö b 1, die Familien Eben, Mes¬ 
singer u. Tropp, Karl See u. Richard Schnei¬ 
der nennen, so haben wir bis auf einige Beamte 
und Angestellte fast alle jüdischen Bewohner von G. 
aufgezählt. —- Den Religionsunterricht an den Gras¬ 
litzer Schulen erteilt der jeweilige Rb. von Falkenau. 
169 
Graslitz 2
	        
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