Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Geschichte der Juden in Graslitz. 
Bearbeitet von 
Dr. Gustav Treixler, Graslitz 
(mit Ergänzungen von Dr. Wilhelm Bloch und Gustav Kohn). 
In Graslitz (c. Kraslice) hat es niemals eine 
Judengemeinde gegeben; ob in alten Zeiten ein¬ 
zelne Juden daselbst ansässig waren, ist nicht be¬ 
kannt, doch wäre es nicht unwahrscheinlich, daß bei 
dem raschen Aufschwung des Bergbaues im 16. Jht., 
der die Volkszahl des früher unbedeutenden Städt¬ 
chens in wenigen Jahren auf 6000 anschwellen ließ, 
auch jüdische Händler hergezogen seien. Aber bald 
wurde dem jedenfalls Einhalt getan, denn seit 1541 
gehörte Graslitz unter die „freien Bergstädte66 und 
in solchen war Juden die ständige Ansiedlung unter¬ 
sagt. Auch 
HEINRICHSGRÜN, 
die zweite Stadt des jetzigen Bezirkes Graslitz, war, 
wohl schon seit der Stadtrechtsverleihung L J. 1545, 
Bergstadt; von ihr gilt demnach das Gleiche wie von 
Graslitz, und in der Tat zeigt die Steuerrolla des 
Jahres 1654 weder in Graslitz und Heinrichsgrün, 
noch in einem der zu diesen beiden Gütern gehörigen 
Dörfer ein Judenhaus und auch in dem erhaltenen 
ältesten Graslitzer Gerichts- und Stadtbuch, welches 
1552 angelegt wurde, ist niemals ein jüdischer Ge¬ 
schäftsmann erwähnt, obwohl darin sehr viele Geld¬ 
geschäfte verzeichnet sind und das Buch etwa 70 
Jahre lang in Benützung stand. (Doch findet sich in 
Ober-Rothau eine „Judengasse44.) Erst seit der Frei¬ 
zügigkeit der Juden können wir daher auch in G. und 
seiner Umgebung die Seßhaftmachung jüdischer Fa¬ 
milien erwarten. Anders mag es mit der dritten Herr¬ 
schaft, 
SCHÖNBACH, 
bestellt gewesen sein, deren Orte heute ebenfalls zum 
Teil zum Graslitzer Bezirk gehören. Hier verzeichnet 
jene erwähnte Rolla, u. zw. in Schönbach selbst (jetzt 
zum Bezirk Wildstein gehörig), das Haus Nr. 90 als 
„altes Judenhaus'\ „weilen sie vor Zeiten daselbst 
gewohnt44, aus Schönbach übersiedelte nach 1848 
Leopold See nach Graslitz und bei Schönbach 
liegt 
STEINGRUB, 
der Sitz einer alten J. G. Auch in Frankenhammer 
wohnte dereinst eine jüdische Familie; der Ort ge¬ 
hörte einmal zur Herrschaft Schönbach. 
Der erste jüdische Ansiedler in G. war etwa seit 
1852, seit der Anlegung der Staatsstraßen, der Maut¬ 
einnehmer Löbl Löwenstein, der 1859 unter den 
Spendern aus Anlaß eines Konzertes genannt wird, 
dessen Reinerträgnis „zu Kriegszwecken" dem Be¬ 
zirksamte übergeben wurde. Ihm folgten bald der 
Kaufmann Bernhard Pfefferkorn aus Klein- 
Schüttüber bei Eger, der sein Geschäft im ehemaligen 
Messanischen Hause, Kirchengasse 68, betrieb, und 
der erwähnte Tuchhändler See nach. Beiläufig i. J. 
1878 errichtete die Prager Firma W. Löwenfeld 
über Anregung des bekannten Menschenfreundes R i- 
chard R. v. Dotzauer im benachbarten Grün¬ 
berg eine Buntstickerei, die vielen armen Gebirgs¬ 
bewohnern Arbeit und Verdienst verschaffte; sie be¬ 
steht längst nicht mehr. Im J. 1885 wohnten in G. 
bereits 5 jüdische Familien, nämlich jene des Leopold 
Fischer, Jakob Kohn, Leopold Kohn, See und 
des Fabrikanten Wilhelm Schulz, von denen sich bis 
jetzt nur die zwei zuletztgenannten erhalten haben; 
Fischer übersiedelte nach Wien, Jakob Kohn nach 
Teplitz-Schönau, die Familie Leopold Kohns dürfte 
ausgestorben sein. Damals gehörten die Graslitzer 
Juden zur K. G. Steingrub, seit der Neuorgani¬ 
sation der K. G. in Böhmen 1895 sind sie der Ge¬ 
meinde Falkenau a. d. E. einverleibt und beerdigen 
seitdem ihre Verstorbenen dort. 
Obwohl die Bevölkerung der Stadt früher der libe¬ 
ralen Partei angehörte, stand doch die große Masse, 
die noch kein Wahlrecht besaß, den jüdischen Mit¬ 
bürgern so fremd gegenüber, daß es anläßlich der 
Erhöhung der Zuckersteuer bei den sog. Zuckerkra- 
wallen auch hier zu einem kleinen Aufruhr kam, wo¬ 
bei den meisten jüdischen Bewohnern die Fenster ein¬ 
geworfen wurden, und daß ein junger Arzt, der in 
Graslitz seine Praxis eröffnete, in den ersten Jahren 
nicht anders als mit einem geladenen Revolver über 
Land zu gehen wagte. Heute haben sich diese Ver¬ 
hältnisse gründlich geändert, 
Dr. Wilhelm Bloch 
Wilhelm Schulz 
Wilhelm Schulz wurde am 17. Feber 1850 in 
Wernirzow (c. Vernyrov) im Bezirk Kuttenberg ge¬ 
boren. Er war der dritte Sohn eines kleinen Dorf¬ 
kaufmannes und Landwirtes, wurde schon im 10. Le¬ 
bensjahr Doppelwaise und bald darauf starb noch 
der älteste Bruder, der seine jüngeren Geschwister 
bisher erhalten hatte, an einer Lungenentzündung, 
die er sich durch Überanstrengung im Geschäfte zu¬ 
gezogen hatte. Die 4 verbliebenen Geschwister wur¬ 
den nun unter die Verwandten verteilt, Wilhelm kam 
bei der Gelegenheit nach Prag, wo er geschäftlich 
Graslitz i 
168
	        
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