Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

wanderte er um 1700 nach Deutschland, bis er 
schließlich nach Böhmen kam. Der wohlhabende und 
freigiebige Elijahu berief ihn nach Eger zur Tätigkeit 
in sein Beth Hamidrasch. Er wirkte dort mehrere 
Jahre bis 1718, wo er dann nach Wilhermsdorf über¬ 
siedelte. um sein Werk „Pne Arje Sutta" (Wilherms¬ 
dorf 1720), welches Glossen und Homilien zum Pen¬ 
tateuch enthält, und einen Auszug aus seinem großen, 
unveröffentlichten Werke „Pne Arje RabbaiC dar¬ 
stellt, drucken zu lassen und diie Drucklegung zu über¬ 
wachen. R. Arje Leib Torczyner starb am 15. Mai 1721 
in Tachau in Böhmen. (Vgl. Gesch. d. Juden in Tachau 
a. a. 0.) 
Wie in den meisten größeren Städten durften auch 
in E. die Juden keinen ordentlichen Wohnsitz haben. 
Die Juden, die einst in E. eine bedeutende Gemeinde 
unterhielten, sogar ein Beth Hamidrasch (Talmud¬ 
schule) hatten, von dem heute noch eine Tafel in der 
Rosengasse, im Hofe des Fleischhauers Götz, Zeugnis 
gibt, zerstreuten sich nach den umliegenden Dörfern 
und Marktflecken, wie Königswart, Königsberg, 
Amonsgrün, Schüttüber, Schönlind, Kuttenplan und 
Steingrub. Die zuerst genannte Gemeinde, deren 
Glanz längst verblaßt ist, hieß man damals „Klein- 
Prag". 
* 
Für die neue Siedlung schöpfe ich die Geschichte 
aus der Chronik unserer K. G., aus Mitteilungen älterer 
Gemeindemitglieder und aus eigenen Aufzeichnungen. 
Dennoch sehe ich mich veranlaßt, nur das Wichtigste 
der Geschehnisse der Gemeinde wiederzugeben, um 
nicht über den Rahmen des Zulässigen zu wachsen. 
Die Einleitung überlasse ich dem Egerer Geschichts¬ 
schreiber Vinzenz Pröckl: 
Nach dem J. 1848 fanden sich allmählich in E. Ju¬ 
den ein, welche teils Häuser ankauften, teils ihre Ge¬ 
schäfte in gemieteten Kaufläden betrieben. 
E. erhielt Eisenbahnen und durch diese einen sehr 
lebhaften Verkehr. Es bildete sich auf Anregung des 
Herrn Heinrich Bloch eine K. G., Statuten für 
diese, wie für einen israel. Religionsverein, wurden 
verfaßt und von der Statthalterei am 1. Sept. 1862 
bestätigt. Hierauf wurde im Hause des Nephtali 
Zuckermann in der Schulgasse ein Dachzimmer 
um 100 fl. gemietet, dort ein Betsaal eingerichtet und 
am 1. Sept. 1869 die erste Andacht abgehalten. 
Diese Darstellung des Geschichtsschreibers Vinz. 
Pröckl wird von berufener Seite berichtigt und dahin 
ergänzt: Der erste Jude, der sich hier niederließ, war 
Ariel L ö w y aus Königswart im J. 1853, der ein 
Bankgeschäft hier betrieb und sogar zwei Häuser 
kaufte. (Es wurde vor Jahren ein Verlobungsschein 
mit der Zeitangabe 30. Okt. 1796 aufgefunden. Diese 
Urkunde ist unterschrieben mit Isak Heller und 
Rachel Blochowitzer. Letztere ist die Tochter 
des Israel Blochowitzer, k. k. Tabak-Distrikts-Verle- 
gers in E. Hieraus ergibt sich, daß es schon vor 1853 
in E. Juden gab.) 
Der Begründer dler jüd. Gemeinde jedoch war 
Nephtali Zuckermann, der das Haus Nr. 45 in E. 
(Schulgasse) im J. 1854 erwarb und in seinem Hause 
den Mittelpunkt für die fremden Juden, die bei ihm 
stets Gastfreundschaft fanden, sowie auch für die 
nach E. übersiedelten Juden schuf. Sein jüngster 
Sohn, der Egerer Rechtsanwalt Dr. Moritz Zucker- 
m a n n, war der erste Jude, der seit deiri 14. Jht. in E. 
geboren wurde. Es sei hier gelegentlich vermerkt, daß 
bei dieser Geburt (November 1856) der Türmer vom 
Pfarramte, wie dies bei Taufen üblich war, blies, was 
auf eines gutes Zusammenleben der Konfessionen 
schließen läßt. 
Im Hause des N. Zuckermann wurde der erste jüd, 
Religionsunterricht in einem zur Schule hergerichte¬ 
ten Zimmer erteilt und Anfang der 60ger Jahre durch 
Nephtali Zuckermann Leopold Gottlieb 
Ausgestaltung des rückwärtigen Bodenraumes in ei¬ 
nem zweiten Stock eine ganz geräumige Synagoge er¬ 
richtet, in welcher der Gottesdienst bis zum J. 1870, 
in welchem Jahre die Synagoge in das angekaufte 
Haus „Zur Krone" am Kasernplatz verlegt wurde, 
verrichtet wurde. 
Derselbe wurde bereits im J. 1865 modern (mit 
Chor) abgehalten und zwar unter Leitung eines ge¬ 
prüften Hauptschullehrers und Kantors, der auch 
eine jüdische Schule mit dem Öffentlichkeitsrechte 
bis zu seinem Abgange im J. 1867 ebenfalls in demsel¬ 
ben Hause führte. N. Zuckermann war auch der erste 
K. V. und T. V. des jungen Gemeindewesens und das 
Schicksal fügte es, daß er auch als erster auf dem jüd. 
Friedhofe, noch ehe dessen Einfriedung errichtet 
wurde, begraben wurde. 
Schon im J. 1867 haben die Herren Ephraim Gott¬ 
lieb, Josef W o 1 f n e r und Bernhard W e t z 1 e r 
den Bau eines Tempels in der Opitzstraße angeregt 
und auch dort eine Baustelle um 4000 fl. gekauft. Der 
Bau wurde angefangen und bis zum Parterregeschoß 
zustande gebracht. Doch trotz der Opfer aller Kreise 
war die Fortführung des Baues aus finanziellen Grün¬ 
den unmöglich geworden. Mittlerweile ward das Gast¬ 
haus „Zur Krone66 in der Schiffgasse feilgeboten und 
die Herren Jakob Bloch, Adam Rosenbaum, Ephraim 
Gottlieb und Josef Wolfner erkauften dieses Haus um 
18.000 fl., ließen den Saal zu einem Tempel umgestal¬ 
ten, einen sehr fein gearbeiteten Altar nach einer 
Zeichnung des Möbelfabrikanten Emanuel Gottlieb 
anfertigen und mit Kandelabern für Gasbeleuchtung 
errichten. 
Am 1. September 1869 vollzog der Rabbinatsubsti- 
tut Herr Philip L e d e r e r die feierliche Einweihung 
und seitdem wurde täglich, besonders aber am Samstag 
und den Feiertagen, die Andacht abgehalten. 
Die K. G.-Statuten wurden am 12. November an 
die Staatsbehörde geleitet und deren Bestätigung er¬ 
folgte d. d. Prag, 2. August 1872 ,Z. 36.231. Die um 
jene Zeit neugewählte Kultus-Repräsentanz ging mit 
Eifer daran, mehrere Reformen, welche auf den in 
den Jahren 1869 und 1871 zu Leipzig und Nürnberg 
gefaßten Synodal-Beschlüssen basierten, durchzufüh¬ 
ren. Hiezu gehörte die Kürzung der Liturgie und die 
Einführung des geregelten Gottesdienstes mit Chorge¬ 
sang, wie die Einschaltung mehrerer deutscher Ge¬ 
bete. Diese Reformen geschahen auf Grundlage der 
von Wien angenommenen Neuordnung bei der mo- 
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