Volltext: Dieser Krieg und das Christentum [29]

Krieges auf die Weitergestaltung der kirchlichen Dinge ausüben 
wird. Das Volk wird um so mehr sein Gewicht in die Wag¬ 
schale werfen, als das Band zwischen ihm und seiner Kirche, 
d. i. auf evangelischem Boden der Landeskirche, durch diesen 
Krieg ohne Zweifel ein engeres geworden ist. Ich denke dabei 
an die Bevölkerung des weiten Landes, aber zum Teil gilt es 
auch von den Großstädten. Die individualistische Strömung, die 
allerlei Pläne von Trennung des Staats und der Kirche hervor¬ 
brachte, wird durch die Erfahrung dieser Tage keinerlei Zufluß 
erfahren haben. 
So steht zu hoffen, daß wir einem wahrhaft sozialen Zeit¬ 
alter entgegengehen? Das wäre nun gewiß der größte Segen, 
den uns der Krieg bringen könnte. And manche Bedingungen 
dafür scheinen schon erfüllt. Vor allem ist der Bann gebrochen, 
der zwischen der Sozialdemokratie und dem übrigen deutschen 
Bürgertum aufgerichtet war. Für den einzelnen Philister der 
privilegierten Stände vielleicht noch nicht; aber die Regierung 
hat groß und weitblickend in die Land der Sozialdemokratie 
eingeschlagen, das ist nicht rückgängig zu machen. Es ist auch 
während der Kriegszeit zu beobachten gewesen, daß man auf 
beiden Seiten die Konsequenzen des 4. August ruhig gezogen 
hat. Man lese die sozialdemokratische Presse und beachte das 
Verhalten der jetzt regierenden Gewalten dazu. Mit alledem ist 
das furchtbarste Bollwerk des Widerstandes gegen eine bessere 
Gestaltung unserer sozialen Verhältnisse gebrochen. 
Aber der positive Aufbau eines neuen Zustandes ist damit 
noch nicht gegeben. Auch hier können harte Kämpfe entstehen. 
Nur sind für die Vertreter einer ehrlichen Volksgemeinschaft 
kontra Interessen- und Privilegienpolitik die Bedingungen eines 
kommenden Streites günstigere als je zuvor in unserer Geschichte. 
Lier wird nun wieder viel auf das organisierte Christentum, auf 
die Kirche ankommen. Wird da endlich ein wahrhaft sozialer 
Sinn obenauf kommen? Wird da endlich das Bürgertum die 
sittlichen Einflüsse erfahren, die es gerade von der Kirche und 
von ihr allein erwarten darf? So einfach liegt es wahrhaftig 
nicht, wie in einer Kriegspredigt aus den Augusttagen zu lesen 
stand: „Was sind jetzt soziale Anterschiede, Namen und Titel 
und Würden? Torheiten, über die es nachzudenken nicht lohnt! 
Die sogenannten oberen Zehntausende — wo sind die geblieben? 
Rade, Dieser Krieg und das Christentum 3 ZZ
	        
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