Volltext: Steins Geschichte des Weltkriegs

standen, ist von Ostafrika aus amtlich noch nicht bekanntgegeben worden. In der Haupt¬ 
sache bestanden die deutschen Streitkräste aus einigen Kompagnien der Schutztruppe, wohl 
auch Abteilungen der Polizeitruppe, also eingeborenen Farbigen, sowie ferner aus ein¬ 
gezogenen wehrpflichtigen Europäern aus den Nächstliegenden Bezirken und endlich 
einigen Marinemannschaften. Zieht man dabei in Betracht, daß gleichzeitig nordwest¬ 
lich des Kilimandscharo am Londigoberge ein größeres Gefecht stattfand und im 
gleichen Monat andere Abteilungen der Schutztruppe am Viktoriasee und am Südende 
des Tanganjikasees kämpften, und berücksichtigt man ferner, daß die ungeheuren Ent¬ 
fernungen und mangelnden Verbindungen und Transportmittel ein schnelles Zusammen¬ 
ziehen der einzelnen, über das ganze Land verteilten Abteilungen der Schutztruppe un¬ 
möglich machen, so mußte man zu dem Schluß kommen, daß die bei Tanga unsererseits 
ins Gefecht gebrachte Streimacht nicht bedeutend gewesen sein konnte. Unter Inbetracht¬ 
ziehung aller Möglichkeiten hatten wir anfänglich ihre Stärke auf etwa 2000 Mann 
angenommen. 
Inzwischen aber haben wir aus zuverlässiger privater Quelle die Nachricht er¬ 
halten, daß unsere Schätzung um volle 50 v. H. zu hoch gewesen war. Diese Nachricht 
lautet: „Unsere Askari halten sich ausgezeichnet. In Tanga kämpften 250 Europäer 
und 750 Askari gegen die gewaltige englische Übermacht. Die indischen Truppen, die 
den Unseren gegenüberstanden, sind in der dreitägigm Schlacht moralisch völlig er¬ 
ledigt worden. Sie wollten sich den Deutschen ergeben, sind aber von den Engländern 
mit Gewalt in die Boote hineingetrieben worden, um sie nicht in unseren Händen zu 
lasten. Die Reste der acht indischen Regimenter liegen jetzt auf der Insel Pemba; ihr 
Mut ist erschüttert, so daß sie auf einige Zeit hinaus in der Feuerlinie nicht mehr zu 
gebrauchen fein werden." 
Hohe Bewunderung und Anerkennung muß daher unserer kleinen Streitmacht 
gezollt werden, der es gelang, in dreitägigen schweren Kämpfen einen ihr achtfach über¬ 
legenen Gegner so entscheidend zu schlagen. 
Mit Recht konnte der Gouverneur denn auch melden, daß die Truppe treueste 
Hingabe und vielfach Heldenmut gezeigt habe. 
Nicht 2000 bis 3000 europäische Truppen, „darunter Reservisten aus anderen 
Teilen der Welt", neben einer 2000 Mann starken farbigen Schutztruppe haben — wie 
die Engländer zur Bemäntelung ihrer Niederlage in die Welt zu setzen für nötig hielten 
— bei Tanga ihnen gegenübergestanden, sondern ganze 1000 Mann haben die wirklich 
hervorragende Tat vollbracht! 
Vor kurzem erschienen in der Presse Auszüge aus einem Feldpostbrief, den ein 
bei den indischen Truppen in Ostafrika stehender englischer Offizier nach dem erfolglosen 
Angriff der Briten auf Tanga geschrieben hatte. Die „Morning Post" brachte nun 
vor wenigen Tagen einen weiteren Brief desselben Offiziers, dem wir folgendes ent¬ 
nehmen: 
W 15’ 
227
	        
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