Volltext: Steins Geschichte des Weltkriegs

lothringischen Örtchen an der Grenze der Feind wie die Bestie. Hunderte von Per¬ 
sonen, Frauen und Kinder wurden als Geiseln über die Grenze geschleppt, und es ist 
der Entschiedenheit des Generals von Schubert zu danken, daß er durch Androhung 
schwerster Vergeltungsmaßnahmen wenigstens einem Teil der Unglücklichen die Frei¬ 
heit wieder verschaffte. Eine Dame aus Saales gibt in einem Schreiben von Aus¬ 
schreitungen Kunde, die den Beweis erbringen, daß die Einbrecher und Räuber keine 
ungebildeten Leute gewesen sein können. In ihrer Abwesenheit nahm der Feind nicht 
nur Geld und Nahrungsmittel an sich, sondern er schaffte auch eine große Zahl von 
Möbeln von hohem Altertumswert beiseite, alte Uhren mit schönem Zifferblatt, Litho¬ 
graphien und Kupferstiche, Radierungen und altes schönes Zinn, alte Porzellane und 
wertvolle Teppiche. Sie berichtet dann weiter: „Am scheußlichsten fand ich die Zer¬ 
störung unserer Möbel. Alte Sessel, in denen unsere Urgroßeltern gesessen hatten, 
wurden Brennholz — obwohl Holz genug im Hose war. Außer einem alten Schrank 
von 1627 ist kein ganzes Möbelstück in der Wohnung, und dieser Schrank war mit 
einer Eisenschiene an der Wand befestigt, da er zu schwer war. Am Flügel ist der 
Resonanzboden zerschlagen, die Klaviatur fehlt zur Hälfte. Die Noten waren sämt¬ 
lich mit Eingemachtem begossen, so daß sie völlig unbrauchbar sind. Bücher waren 
zerrissen und verbrannt. Nachdem sie die Möbel anscheinend zerhauen hatten, warfen 
sie alles in ganz greulicher Art durcheinander. Es muß keine leichte Arbeit gewesen 
sein, die Möbel so zu zerstören; da haben Axt und Kolben herhalten müssen." 
Der Rückzug des deutschen Heeres, das einen Entscheidungskampf mit acht 
zwischen Nancy und Belsort hervorbrechenden französischen Armeekorps nicht auf 
einem Gelände aufnehmen wollte, das durch feindliche schwere Festungsgeschühe ge¬ 
deckt war, erreichte am 19. August den von unseren kampfesfrohen Truppen freudig 
begrüßten Stillstand in der Linie Morville—Mörchingen—Bensdorf—Finstingen— 
Pfalzburg. Im stillen waren nächtlicherweise in einem Bogen, der von Metz bis 
Straßburg spannt, Schützengräben und Feldverschanzungen angelegt worden. Unsere 
Artillerie hatte aus den Höhen, die das Kampsgelände umkränzen, ihre Kanonen 
in gesicherte Stellung gebracht, und ihre schweren Geschütze richteten nun ihre drohen¬ 
den Mäuler gegen den nachfolgenden Feind, der nur daran dachte, sich allgemach in 
Lothringen, das ihm so leichten Kaufes eingeräumt war, häuslich einzurichten. In¬ 
zwischen war unser Grenzschutz verstärkt worden. Der große deutsche Aufmarsch begann. 
Kronprinz Rupprecht von Bayern tat den ersten Schlag, den Schlag des Löwen. Eine 
furchtbare Überraschung ward den Franzosen zuteil, als sich am Mittag des 20. August 
in der ungeheuren Front von zuerst 70, später etwa 100 Kilometern plötzlich kriegerisch 
bewegtes Leben zeigte und sich zu einer groß angelegten, in allen ihren Teilen wohl 
durchdachten Offensive entwickelte, die mit den steigenden Stunden des Tages wachsend 
ihre Schrecken verbreitete. Das Gros der französischen Armee stand zuerst zwischen 
Dkeuze, Vergaville und dem Rebenberg, südlich Saarburg. Hier fielen deshalb auch 
zuerst die gewaltigen Schläge; aber bald entwickelte sich der Kampf zu einer Riesen- 
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