Volltext: Wirtschaftliches Durchhalten [80]

stehen, wenn es weniger Obst gibt, müssen die Menschen weniger 
Obst essen. Die Art, wie er sich durchsetzt, wäre eine andere: die 
Zentralinstanz würde den Einzelwirtschaften weniger Obst zuweisen. 
Ich kann daher weiter fragen: was steht höher, das notwendigerweise 
Bleibende oder das möglicherweise dem Wechsel Anterworfene? 
Das durch die Natur der Dinge Gegebene oder das durch Menschen¬ 
satzung Geschaffene? 
Ich habe mir für die Beschäftigung mit wirtschaftlichen Fragen 
seit langen Jahren folgendes Rezept zurechtgemacht. Wenn ich 
darüber klar werden will, welche Folgen sich aus einem wirtschaft¬ 
lichen Vorgang ergeben, oder aus welchen wirkenden Arsachen eine 
gegebene Tatsache hervorgegangen ist, so fange ich allemal mit der 
Betrachtungsweise an, die ich eben die naturale genannt habe, die 
zu ihrer Anwendung in den meisten Fällen nicht viel mehr als etwas 
gesunden Menschenverstand erfordert, aber freilich sich vor dem 
„Trivialen" nicht scheuen darf. Dabei erweist es sich oft als ganz 
nützlich, sich nebenher zu fragen: wie würde wohl die Sache im 
kommunistischen Staat verlaufen? Ist man dann zu einem Er¬ 
gebnis gekommen, so sucht inan es zu bewahrheiten dadurch, daß 
man sich fragt, wie die Sache sich in der Technik der Geldwirtschast 
entwickelt. Stimmen die beiden Ergebnisse zusammen, so liegt eine 
hohe Wahrscheinlichkeit vor, daß man das Richtige getroffen hat. 
Denn die Probe auf das Exempel hat gestimmt. Stimmt sie nicht, so 
ist erwiesen, daß da oder dort ein Denkfehler untergelaufen sein muß. 
Es gibt noch einen zweiten Weg der Bewahrheitung, darin 
bestehend, daß man die Erfahrung zu Rate zieht, also untersucht, 
wie in früheren ähnlichen Fällen die Entwicklung tatsächlich war. 
Aber dieser Erfahrungsschluß — die „induktive" Methode — leidet 
an einem Mangel, der noch gefährlicher ist, als die Schwächen der 
„deduktiven" Methode, von denen ich vorhin sprach. Er besteht 
darin, daß in den heutigen verwickelten wirtschaftlichen Verhält¬ 
nissen der Beobachter Gefahr läuft, von den verschiedenen wirken¬ 
den Arsachen nur eine oder einige in Betracht zu ziehen, eine oder 
mehrere andere aber zu übersehen. Ein falscher Induktionsschluß 
ist z. B. folgender: nach Einführung der Getreidezölle in Deutsch¬ 
land ist der Preis des Getreides nicht gestiegen, ja sogar gefallen; 
folglich wirken Getreidezölle nicht verteuernd. Dieser unendlich oft 
ausgesprochene Satz ist aber falsch, weil er die Tatsache übersieht, 
daß zugleich mit der Einführung der Zölle ein starkes Sinken der 
9
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.