Volltext: Das Bildungswesen im neuen Deutschland [37]

In fast allen deutschen Staaten dauert die Volksschulpflicht 
acht Jahre und endet erst mit dem 14. Lebensjahr des Kindes. 
Frankreich erstreckt die Schulpflicht nur bis zum 13. Lebensjahr, 
und in England bleiben große Scharen von Landkindern vom 
11. Lebensjahre an ohne jeden Unterricht. 
Die deutliche Sprache, die die Analphabetenstatistik redet, 
wird nach alledem nicht überraschen. Von den 288630 im Jahre 
1913 ins deutsche Äeer eingestellten Mannschaften waren 135, 
das sind 0,04°/», ohne Schulbildung. Dabei ist aber zu berück¬ 
sichtigen, daß von diesen 135 Analphabeten 53, also rund zwei 
Fünftel, ihre Jugend im Ausland, nämlich in Rußland, Frank¬ 
reich, Österreich und Nordamerika, verlebt hatten. England hat 
an Analphabeten 1°/», Frankreich 3°/», Belgien fast 10°/», Ser¬ 
bien 43°/», Rußland 62°/». 
In Deutschland versorgt die Volksschule jedes normale Kind 
mit dem geistigen Existenzminimum; durch ein weit ausgebautes 
Äilfsschulwesen werden auch geringere Grade der Bildungsfähig¬ 
keit in pflegliche Behandlung genommen. Reichgegliederte Fort¬ 
bildungsschulen, deren Besuch in den meisten Bundesstaaten pflicht- 
mäßig ist, erweitern und vertiefen die Volksschulbildung und 
leiten sie in die Berufsbildung über. Die Gesetzgebung über 
Fürsorgeerziehung und Kinderschuh verhütet Schädigungen, die 
aus sozialen Mißständen oder aus der Entwicklung der Industrie 
erwachsen könnten. Kommunale Veranstaltungen und eine aus¬ 
gebreitete charitative Tätigkeit, ausgehend von Vereinen, Stif¬ 
tungen und Privatpersonen, unterstützen in Verhütung und Pflege 
das körperliche und geistige Gedeihen der Volksjugend. 
Namentlich haben jene vielseitigen Veranstaltungen, die unter 
dem Namen Jugendpflege zusammengefaßt werden, in den letzten 
Jahren weite Verbreitung erlangt, und erfahren überall staatliche 
Förderung; Preußen unterstützt sie jährlich mit 37» Millionen 
Mark. In all diesen sozialerzieherischen Maßnahmen bleiben 
die feindlichen Staaten hinter Deutschland erheblich zurück. Zwar 
hat in England die Kinderschutzgesetzgebung früher begonnen als 
bei uns. Diese Tatsache ist jedoch lediglich daraus zurückzuführen, 
daß dort die industrielle Entwicklung weit früher einsetzte. Als 
Ganzes betrachtet ist aber in keinem der feindlichen Staaten in 
so umfassender Weise dafür gesorgt, daß kein Kind des Volkes 
ohne Bildung bleibt, daß keine Kindesseele verloren geht. 
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