Volltext: Das Bildungswesen im neuen Deutschland [37]

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3N der gewaltigen Neichstagsrede vom 6. Februar 1888 hat 
Bismarck die Überlegenheit des deutschen Leeres vor allen 
Dingen zurückgeführt auf das „ganz eigentümliche Maß der Ver¬ 
breitung der Volksbildung in Deutschland, wie es in keinem an¬ 
deren Lande wieder vorkommt". Er zählte das zu den Dingen, 
„die uns kein Volk in der Welt nachmachen kann". Damit ist 
der ursächliche Zusammenhang zwischen Bildung und Wehrhaftig¬ 
keit des deutschen Volkes angedeutet. Wir fühlen es in der Tat 
alle: wenn uns — woran kein deutscher Mann zweifelt — in 
diesem riesenhaften Völkerringen der entscheidende Sieg zufällt, 
so verdanken wir das nicht der Zahl der Männerleiber, die sich 
dem Feinde entgegenwerfen, nicht zuerst unseren Kanonen, sondern 
in erster Linie dem deutschen Geiste, der deutschen Bildung. 
Seit der Reformation hat die-Volksbildung in Deutschland 
eine Pflegstätte. Es war ein Ausfluß der innersten Prinzipien 
des aus dem deutschen Gewissen geborenen Protestantismus, als 
Luther im Jahre 1524 in seinem Sendbrief die Ratsherren aller 
Städte aufforderte, „daß sie Schulen sollten aufrichten". And 
es entsprach ganz dem sittlichen Ernst, mit dem die Reformation 
die geistige Freiheit jedes einzelnen anstrebte, wenn Luther forderte, 
der Schulbesuch sollte „mit Zwang der weltlichen Obrigkeit" herbei¬ 
geführt werden. 
Der wirtschaftliche Niedergang, der bereits vor dem Dreißig¬ 
jährigen Krieg einsetzte und dann in und nach diesem Kriege zum 
wirtschaftlichen Verfall wurde, verhinderte zunächst die allgemeine 
Durchführung solcher Pläne. Aber doch ordnete das. Herzogtum 
Weimar schon 1619 die Schulpflicht an, und Lerzog Ernst der 
Fromme entfaltete auf ihrer Grundlage in seinem kleinen thü¬ 
ringischen Musterstaate, dem Herzogtum Gotha, inmitten der 
Kriegszeit eine ausgebreitete und überaus erfolgreiche volkspäd¬ 
agogische Tätigkeit. Von da an wurde überall die Bildungs- 
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