Volltext: Schweden und der Weltkrieg [77]

fürchtet, wächst. Im Verlaufe des Krieges ist unseren Radikalen 
die Sache der Entente fast eine Religionsfrage geworden. Der 
Kampf gilt dem Freisinn, dem Fortschritt, der Kultur. Der 
Sieg Deutschlands wäre der Triumph der Reaktion. Die Nieder¬ 
lage Frankreichs wäre das Arteil der Entwicklung über ihre 
Jugendideale und ihre Mannestaten im Dienste der radikalen 
Ideen. 
Die Spuren führten gewissermaßen auch nach England und 
nach der angelsächsischen Welt. Durch die große Auswanderung 
stehen die breiteren Schichten des schwedischen Volkes in leb¬ 
hafter Verbindung mit den Vereinigten Staaten. Von noch 
größerer Bedeutung ist es, daß die ganze freireligiöse Richtung, 
vor allem, daß die mächtige Abstinenzbewegung, die lebhafte Ver¬ 
bindung mit England und Amerika aufrechterhalten und von angel¬ 
sächsischem Wesen bestimmt sind, einerseits einem undisziplinierten 
Individualismus und andererseits trockenem puritanischem Asketen- 
tum. Aber innerhalb dieser Bewegung, vor allem in der Abstinenz¬ 
bewegung, hat der politische Radikalismus in Schweden seine 
Stühe. Man sieht, wie die Glieder der Kette ineinandergreifen. 
Welche Stellung nahm die Gegenpartei, die Rechte, ein? 
Die Rechte und ihre Presse hat sich als durchweg deutsch¬ 
freundlich gezeigt. In seinen jahrzehntelangen Bestrebungen, im 
Gefühl der von Osten drohenden Gefahr, Schweden eine sichere 
Verteidigung zu geben, sind ihre nationale Wachsamkeit und ihr 
Verantwortungsgefühl verschärft worden. Dies hat auch die 
Stellungnahme Deutschland gegenüber geklärt und gefestigt, hier¬ 
zu kommt, daß die rechtsstehende Partei als eine konservative 
Partei, im Widerspruch zu der gallischen und angelsächsischen, 
eine gewisse Wahlverwandtschaft mit deutschem Wesen und deutscher 
Anschauung empfindet. Dies wurde für die schwedische Linke 
entscheidend oder besser gesagt, für gewisse, durch ihre Redegabe 
und parlamentarischen Talente repräsentative Vertreter. Als 
die Rechte so entschieden für Deutschland Partei ergriff, mußte 
die Linke, wenn nicht aus anderen Gründen, so um ihre Selb¬ 
ständigkeit zu wahren, sich für die andere Partei einsetzen. Die 
Aufteilung der Parteien war hiermit klar. 
Dann begann der ebenso geschickt wie rücksichtslos gehand- 
habte Verleumdungskampf gegen Deutschland. Er hat in Schweden 
Orgien gefeiert. Er besaß auch besondere Voraussetzungen, um auf 
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