Volltext: Unserer lieben Frauen Opferung

1. Die allgemeinen Zustände in Böhmen am Ausgange des 14. Jahrhunderts. 5 
Prag verlassen. Von der Festung Kozihrädek bei Austi, in der Nähe des später 
berüchtigten „Täbor", entfaltet er eine womöglich noch intensivere Tätigkeit. 
Täglich predigt er mehreremale, seine Zuhörerschaft sammelt er um sich, wo 
immer er sie findet, selbst in Feldern und Wäldern ertönt sein feuriges Wort. 
Scharen von Menschen eilen ihm zu, gespannt und fast atemlos seinem Vortrage 
lauschend. Erbittert kehren sie zurück, die römische Kirche als treulose Stief 
mutter verwünschend. Hier verfaßt er seine böhmische Postille und sein Werk: 
„Von der Kirche," in dem er sein Glaubensbekenntnis niederlegt. 
Das also war das unheilverkündende Wetterleuchten, das dem er 
wachenden 15. Jahrhundert vorherging, das also — in kurzen Zügen ge 
schildert — der Ursprung jener furchtbaren Rebellion gegen katholische Sitte 
und Überlieferung, die das blühendste Königreich zerriß, Städte, Dörfer und 
friedliche Ortschaften zu Hunderten in Asche legte, katholische Gotteshäuser, die 
Blüten einer fruchtbaren Kunstepoche, ohne Zahl zerstörte, die schönsten und 
fruchtbarsten Länderstriche verödete. Hätte nun Karl IV. „der Vater des Vater 
landes" aus seiner Gruft im hohen Dome zu St. Veit erstehen können, um mit 
eigenen Augen die Zerstörung seines Lebenswerkes zu schauen, wahrlich, er hätte 
blutige Tränen geweint! 
2. Unsrer lieben Frauen Stadt. 
Inmitten einer sich furchtbar vorbereitenden Katastrophe hat die göttliche 
Vorsehung Mittel und Wege geschaffen, ihre treuen Anbeter vom Untergange 
zu erretten. Seit den Tagen ihres Gründers, des 5. Böhmenkönigs Ottokar II. 
(1253—78) war die Stadt Budweis lieblich emporgeblüht. An der Stätte, 
wo ehemals der mächtige König mit auserlesenem Gefolge des edlen Weidwerks 
pflog, stand jetzt an Stelle seines Schlosses ein hohes, schönes Münster zu 
„Vnserer Frawen Gebvrth." Der wilde Ruf der Jäger hatte dem Psalmengesang 
ehrwürdiger Mönche, der weithin schallende Ton des Jagdhorns dem weihe 
vollen Klange der Orgel Platz gemacht. Da, wo ehemals höfischer Prunk und 
rauschende Festlichkeiten mit lärmendem Jagdvergnügen wechselten, stand jetzt die 
stille, einsame Zelle des Predigerbruders, der mit seinem Gebete, das zum Lobe 
des Schöpfers zum Himmel stieg, emsige Arbeit verband. Zu seinem Eifer ge 
sellte sich der Fleiß des deutschen Ansiedlers, der, „vom goldenen König" aus 
seiner bayrisch-österreichischen Heimat gerufen, hier in waldiger und sumpfiger 
Gegend eine neue Stadt und günstige Lebensbedingungen schaffen sollte. Durch 
die Gunst des königlichen Schirmherrn ging das Werk wacker vorwärts. Nur 31 
Jahre brauchte — nach uralter, verbürgter Tradition — die emsige Hand des 
Bürgers länger, um die schöne Stadt nach dem Plane Hirczo's (Cervinus) des 
Burggrafen von Klingenberg zu erbauen, als der fromme Predigerbruder, der fast
	        
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