Volltext: Wo stehen wir? [19]

seine Weise versucht. Ich freilich vermag es nur auf die meine: 
ich bin weder Philosoph noch Prophet; ich suche als Historiker 
Gegenwart und Vergangenheit zu verbinden und aneinander 
zu erleuchten und ein wenig, von da aus, den Fragen der Zu¬ 
kunft nachzuspüren. Eine weite Aufgabe, für den Raum einer 
Stunde vielleicht allzu weit; ich suche Verschiedenartiges zu¬ 
sammenzudrängen, denn mir liegt daran, ein ungefähres Ganzes 
aufzurichten. Ich vermesse mich nicht. Neues zu sagen; ja ich 
würde glücklich sein, wenn ich eben das sagen würde, was viele 
von Ihnen denken, nach meiner Art, in einer bestimmten geistigen 
Anordnung. Ein Zusammendenken und Zusammenfühlen ist 
ja für uns Daheimgebliebene, denen das große Erleben, dem 
wir nur zuschauen dürfen, die Seelen fast zerdrückt, ein bohrendes 
Bedürfnis und eine notwendige Leistung: inmitten der großen 
Einheitlichkeit, durch die wir siegen müssen, eine Einheitlichkeit 
des Wollens und Empfindens auch bei uns. 
Ich wiederhole die Frage: ist wirklich das Außerordentliche, 
das wir durchleben, so ganz neu und anders? Welche Fäden 
führen auf das Bekannte zurück? 
I 
Zunächst in der Welt der Staaten. 
Was sehen wir? ein Gegeneinander der gesamten euro¬ 
päischen Welt, und es greift weit über Europa hinaus. Äier 
Deutschland mit Österreich-Angarn; dort Frankreich, Belgien, 
Rußland, England, dahinter Japan; andere in West und 
Ost, in Nord und Süd sind Zuschauer, morgen werden sie 
vielleicht Mithandelnde sein. Gespannt blickt die islamische 
Welt hinein. Afrika und Asien sind unmittelbar ergriffen, 
Australien und Kanada gehören England zw: alle Erdteile 
sind beteiligt. Das große Gerippe aber bilden die europäischen 
Großmächte. 
Wir kennen sie, und kennen sie in dieser Stellung des 
Kampfes. Seit 1500 stehen sie deutlich vor uns, die „Großen 
Mächte", deren Wesen Leopold Ranke ergründet hat, auf- 
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