Genesis
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des 19. Jahrhunderts in Afrika und Ozeanien, am Ende der neun-
ziger Jahre in Ozeanien und China (Uleinasien) und 1911 wie¬
derum in Afrika. Überseeische Uolonien schließlich bedürfen der Zu¬
sammenhaltung wegen eine große Kriegsflotte, die auch zur
Zeit der Jahrhundertwende ins Leben tritt und heute die zweite
der Welt ist.
So ist es gekommen, daß sich auch unter der deutschen Zahne
die Umrisse zu einer Weltmacht abzuzeichnen begonnen haben. Im
Gegensatz zu Italien, das durch seine Verhältnisse genötigt wurde,
sukzessive Aufgaben gleichzeitig zu lösen, wächst hier die eine For¬
derung organisch aus der anderen heraus und wird ihrerseits be¬
friedigt. Aus den gegebenen Prämissen von 1871 ergeben sich jetzt
als notwendige Resultate sowohl die Großindustrie wie der Welt¬
handel, „die Meereswindhunde" wie „die gepanzerte Zaust",- und
hinter ihnen verbirgt sich eine Sehnsucht nach weltgeschichtlichen
Zielen, die aus der Vereinigung der höchsten materiellen und gei¬
stigen Rräfte folgt.
2. Reich. Deutschland ist „das Reich der Mitte" in Europa. Dies
ist die zentrale Tatsache in seiner eigenen Stellung. Ts hat kein«
Seite frei so wie andere Großmächte, kein Lxpansionsgehiet an der
eigenen Tür. Auf allen Seiten ist es von alten und großen Kultur-
ländern umgeben,- es liegt von Natur aus zwischen anderen Gro߬
mächten eingekreist.
Daher kommt von Anfang an das „eigenartige Dilemma", der
„circulus vitiosus“ zwischen weltpolitischen Interessen und konti¬
nental-politischen Rücksichten (Ruedorffer), das die Situation
Deutschlands kennzeichnet. In jedem Augenblick daheim einem kon¬
zentrischen Druck ausgesetzt, ständig umringt von mächtigen Nach¬
barn, die seine Feinde werden können, ist es von der europäischen
Ronstellation abhängiger als irgendeine andere Weltmacht, wenn
es überhaupt an der planetarischen Ronkurrenz teilhaben will, dann
mutz es stark genug sein, den Kampf mit jeder nur möglichen Kom¬
bination in Europa bestehen zu können. Gerade in der geographischen