Volltext: Die Großmächte der Gegenwart

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III. Frankreich 
Ansprüche auf Tripolis zugunsten Italiens und gleich darauf einen 
Teil der ausersehenen Leute selbst zugunsten Spaniens gekostet hatte, 
mußte zuletzt noch mit einem großen Stück seines Lesitzes im Rongo 
an Deutschland belastet werden, abgesehen von den Unkosten für di- 
rekte Rriegsbereitschaft gegen letzteres 1905 und 1911 wie auch für 
die „Penetration pacilique" am Platze während der ganzen Epoche. 
In dieser vom Marokkokonflikt geschaffenen Konstellation befin¬ 
det sich Frankreich noch immer. Die Bitterkeit, Deutschland hindernd 
im Wege zu finden und gezwungen zu sein, dessen Einverständnis 
teuer zu erkaufen, hat der Revanchestimmung wieder Luft unter die 
Flügel gebracht. Ulan kann sich nicht darüber täuschen, daß die neue 
Wunde vom Rongo die Narbe vom Rhein wieder aufgerissen hat. Seit 
der Rrise von 1911 findet man beim französischen Volke ein starkes 
Aufflammen des Nationalwillens. Vas langwierige Schwächegefühl 
scheint überwunden, die militärische Zuversicht wiedergekehrt zu fein; 
die Armee ist wieder populär wie in früheren Zeiten. Im vertrauen 
auf seinen russischen Verbündeten, seinen englischen Freund und seine 
eigene Überlegenheit in der „vierten Waffe" (dem Luftschiff) fühlt 
sich Frankreich „arcliipret" — wie 1870. 
von gesteigertem Selbstgefühl zeugt auch Frankreichs neueste Po¬ 
litik in der Levante, von alrersher hat es dort einen Anspruch auf 
Syrien,' mit Hilfe der „fünften Waffe" und vor allem unter der 
Form von Eisenbahnkonzessionen ist es ihm — trotz des Antiklerikalis- 
mus (oben S. 46) — 1914 gelungen, nicht nur denselben zu befestigen, 
sondern auch gewissermaßen seine Interessensphäre über die klein¬ 
asiatische Rüste des Schwarzen Meeres zu erweitern, während dieser 
Entwicklung hat die Allianz mit Rußland ihre um die Jahrhundert¬ 
wende etwas getrübte Festigkeit wiedererhalten - die Entente mit Eng¬ 
land hat auch nicht versagt, und 1913 ist Spanien auf dieselbe Seite 
getreten. Aber die verstärkten Ansprüche im Mittelländischen Meer, 
die an und für sich eine Reflexwirkung der Tripolisaktion Italiens 
find, haben die Spannung auch gegenüber dieser Macht verschärft 
und so die Rluft gegen den Dreibund noch vertieft.
	        
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