Volltext: Die Großmächte der Gegenwart

Auswärtige Probleme 
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reicht, gibt es nur zwei haltbare Farmen für die politische Grgani- 
sation eines Riesenreiches: Läsarismus, das Prinzip des alten Rom, 
oder Föderalismus, das Prinzip der neuen Welt. Da Rußland jetzt 
auf einem Mittelweg zwischen beiden, dem Ronstitutionalismus auf 
unitarischer Grundlage, haltgemacht hat, so ist man versucht hierin 
nur eine Übergangsstufe zu sehen, von der aus sich die Entwicklung 
derzeit zu einer Föderation autonomer Gebiete und Landesteile 
fortsetzen, in der also zur gegebenen Zeit der Rationalität neben der 
politischen Selbstverwaltung im allgemeinen Rechnung getragen wer¬ 
den wird. Rber es mutz sich wahrlich vieles in diesem Staat ändern, 
ehe er zu dieser definitiven Antwort auf seine verfassungsfrage ge¬ 
langen kann,' denn sie bedeutet, daß sein jetziges Rückgrat, der Bu¬ 
reaukratismus, vollständig gebrochen sein muß. 
6. Auswärtige Probleme. „Ein großes Schiff braucht ein tiefes 
Fahrwasser" sagt Dostojewski. Die auswärtigen Probleme Ru߬ 
lands werden von folgenden zwei Gesichtspunkten aus bestimmt, dem 
des großen Landkomplexes und dem der eingeschlossenen Lage. Vas 
Ergebnis zeigt sich unter dem Bild eines Inlandeises, das in vier 
Zungen das Rleer zu erreichen sucht. So sehen wir ein mittelländisches, 
ein atlantisches, ein indisches und ein pazifisches Expansionsprogramm, 
die alle zueinander gehören mit der gemeinsamen Absicht, „den zu engen 
Rock mit den zugenähten Ärmeln" (Rowoje wremja, Neujahr 1905) 
abzulegen, die aber sonst nacheinander oder miteinander abwech- 
selnd auftreten, entsprechend dem Gesetz vom geringsten Widerstand. 
Vas mittelländische Programm ist das älteste, von einem 
anderen Gesichtspunkt aus ist es ein byzantinisches,- das verlangen 
nach einem Rulturmeer vereinigt sich hier mit der Sehnsucht nach der 
Hagia Sofia in Ronstantinopel („Zarigrad"), dem religiösen pol der 
russischen Religion, und wird durch die Fiktion eines Erbrechts auf 
den byzantinischen Raiserthron gestärkt (nach der ehelichen Verbin¬ 
dung aus dem Jahre 1472). Acht Kriege mit der Türkei in den 
letzten beiden Jahrhunderten zeigen den Ernst auf dieser Front. 
Der Rückschlag durch den Rrimkrieg hatte auch ein Zurückdrängen
	        
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