Volltext: Nach hundert Jahren

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er sich weigerte, den Verfasser einer harmlosen, tränenseligen Flugschrift 
„Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung" zu nennen. (Siehe unsere Ab¬ 
bildung zur Palm-Gedenkfeier.) 
Oie Demütigung Preußens« 
So schwächlich Preußens Politik auch gewesen war: vor der Schmach 
des Rheinbundes blieb es bewahrt. Der scharfe Blick Napoleons Hatte den 
größten deutschen Staat, das ehemals so kampfestüchtige Preußen, nicht gering 
eingeschätzt und hat es darum durch eine listige Politik zu isolieren gesucht, 
um dann über dasselbe herzufallen. Nachdem Napoleon Österreich durch den 
Preßburger Frieden aus Deutschland herausgedrängt und durch den 
Rheinbund Süd- und Westdeutschland seiner Botmäßigkeit unterworfen hatte, 
schritt er zum Sturze der preußischen Macht. Preußen führte seinen Untergang 
durch eigene Schuld herbei: Zwar hatte die neue Regierung Friedrich Wilhelms III. 
(1797—1840) die zerrütteten Finanzen durch Sparsamkeit geregelt, aber der 
gefährliche Mißstand der Kabinettsregierung, welcher die Minister vom König 
fern hielt und ihn in die Gewalt schmeichlerischer Günstlinge brachte, blieb 
bestehen. 
In dem Heerwesen wurde nichts geändert, trotz der Erfahrungen in den 
französischen Feldzügen, trotz der glänzenden Erfolge der napoleonischen Heeres¬ 
organisation und Kriegführung konnte man sich nicht zu Reformen in den 
Heereseinrichtungen entschließen. Hochmütiger Dünkel erfüllte die Offiziere, und 
die altersschwachen Generäle, welche die höchsten Kommandos innehatten, 
glaubten das Feldherrntalent Friedrichs II. zu besitzen, weil sie noch unter 
ihm gedient hatten. Die Neutralität verschaffte dem Staat eine längere 
Friedenszeit. In dieser gab sich aber das Volk der Genußsucht und der geistigen 
Schwelgerei hin und entfremdete sich, wenigstens an seiner Oberfläche, den 
edlen, erhabenen Ideen patriotischer Hingebung und der Vaterlandsliebe. Die 
Leiter der äußeren Politik waren zwar nach Machtvergrößerung lüstern, wagten 
aber weder die offene Allianz, die Napoleon wiederholt anbot, anzunehmen, noch 
sich gegen ihn zu erklären. Der eigenmächtige Durchmarsch der Franzosen 
durch Ansbach bewirkte dann, daß Preußen sein Heer auf Kriegsfuß setzte und 
Haugwitz in das französische Hauptquartier sich begab, um von Napoleon die 
Räumung Deutschlands und die Rückkehr zu den früheren Verträgen zu fordern,, 
widrigenfalls ein preußisches Heer von 180.000 Mann zu den Verbündeten 
stoßen werde. Aber der eitle, schwache Haugwitz ließ sich bis nach der Schlacht 
von Austerlitz hinhalten und dann den Vertrag von Schönbrunn (15. Dezember 
1805) aufnötigen, nach welchem Preußen ein neues Schutz- und Trutzbündnis 
mit Frankreich schloß und gegen Abtretung Ansbachs, Neuenbürgs und Cleves 
Hannover annahm. Nach dem Frieden von Preßburg wagte der völlig isolierte 
Berliner Hof nicht, diesem Vertrag die Genehmigung zu versagen und gab 
auch seine Zustimmung zur Stiftung des Rheinbundes und zur Auflösung des 
Deutschen Reiches gegen die Zusage Napoleons, die Bildung eines norddeutschen 
Bundes unter preußischer Hegemonie zu befördern. 
Jetzt, da der französische Despot seinen Zweck erreicht. Preußen den übrigeu 
Mächten verächtlich gemacht und seine moralische Kraft gebrochen hatte, liefl 
er es den ganzen Zorn und die Geringschätzung fühlen, die ihm seine Feigheit 
und Schwäche eingeflößt hatten. Er verhinderte die Bildung des norddeutschen 
Bundes, bot England Hannover wieder an, ließ durch den Großherzog von 
Berg preußische Gebietsteile besetzen und beschuldigte in höhnischen Noten 
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