Volltext: Der Völkerkrieg Band 12 (12 / 1918)

Der britische Handelskrieg 
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Selbstverteidigung zu ergreifen gezwungen sei. „ES war," sagte er, „nicht überraschend, daß eS mit 
den Neutralen große Schwierigkeiten gab, die wir ersuchten, sich zu erinnern, daß wir für unsere 
Existenz und eine Sache kämpften, die ebenso die Sache der Neutralen wie unsere eigene sei." Lans- 
downe teilte sodann noch mit, daß ein Kabinettsminister zur Bearbeitung der ganzen Blockadefrage 
eingesetzt würde. 
Nach der Rede Lord Lansdownes sprach Lord Loreburn und erklärte u. a.: 
Er verstehe nicht, wie Lord Sydenham sein hohes Ansehen mit der Annahme auf daS Spiel 
setzen könne, daß durch die von ihm vorgeschlagene Methode Deutschland auf die Knie gezwungen 
werden könnte. England würde sich nur in große Schwierigkeiten mit den Neutralen begeben. 
England sei bei seinem Bezug von Lebensmitteln und Schiffsraum von den Neutralen abhängig. 
Die LebenSmittelblockade habe in Deutschland wenig ausgerichtet und nur die Sparsamkeit und 
Opferwilligkeit deS deutschen Volkes gestärkt. Ein Druck der Flotte würde das Ende deS Krieges 
nicht näher bringen. Die Regierungen und nicht die Völker Europas wären für den Krieg und für 
seine Fortdauer verantwortlich. Der einzige Weg, den europäischen Kontinent vor unermeßlichem 
Elend zu bewahren, sei, den Krieg zu beenden. 
Bei der Fortsetzung der Blockadedebatte im Oberhause erklärte schließlich Lord 
Creme, wenn es auch unmöglich sei, Deutschland auszuhungern, könne man doch nicht 
der Ausfuhr nach Deutschland ruhig zusehen. 
Ausländische Blätter hätten über ernste LebenSmittelkrawalle in Berlin am 12. Januar 1916 
berichtet, die mit schweren Verlusten an Menschenleben unterdrückt worden seien. Man dürfe die 
Schwierigkeiten der Flotte nicht unterschätzen, die Ladungen unterwegs anzuhalten. Es liege au 
der geographischen Gestaltung der Küste, außerdem noch an anderen Schwierigkeiten, über die er 
nicht offen sprechen könne. England müsse daS Völkerrecht achten. Die Mißachtung des Völker 
rechts habe die Deutschen dazu gebracht, durch Belgien zu gehen. England müffe mit reinen Händen 
aus dem Kriege hervorgehen. Man würde den Neutralen den größeren Teil des Beweises auf 
bürden, daß die Güter nicht für den Feind bestimmt seien. Aber wenn man behaupte, daß man 
den Feind durch eine Blockade bestegen könne, ignoriere man gewiffe Tatsachen; man äußere damit 
eine gewiffe Geringschätzung für die Anstrengungen der Armee. 
Lord Sydenham zog daraus seinen Antrag zurück. Da aber trotzdem die Verfechter 
einer verschärften Durchführung der Blockade nicht ruhten und da schon vorher am 
l4. Februar 1916 eine große Versammlung von Bürgern der City Londons unter dem 
Vorsitz von Lord Devonport und dem Präsidenten der Hafenbehörde Londons unter 
heftigen Angriffen auf die Regierung eine Entschließung angenommen hatte, in der die 
Regierung aufgefordert wurde, der Flotte die Freiheit zu geben, von der britischen See 
macht ausgiebigeren und wirksameren Gebrauch zu machen, suchte die Regierung diesen 
Wünschen auf indirektem Wege entgegenzukommen. 
Zunächst erschien am 29. Februar 1916 ein Regierungs erlaß, der den Handel mit 
gewissen Personen und Firmen in neutralen Ländern verbot, und um das 
zu ermöglichen, wurden Verzeichnisse dieser Firmen in der amtlichen „London Gazette" 
unter der Bezeichnung „statutory list“ regelmäßig veröffentlicht. Die Wirkung dieser 
sogenannten „Schwarzen Listen" war eine doppelte: Einmal bestimmte das Gesetz, 
daß die in der Liste aufgenommenen Firmen im Sinne der Gesetze und Verordnungen 
über den Handel mit dem Feinde als „Feinde" anzusehen waren, andererseits wurden 
die Firmen der schwarzen Liste von allen englischen Amtsstellen mit einem mehr oder 
weniger durchgebildeten „Kettenboykott" belegt. 
Die Kaiserlich Deutsche Regierung hat darauf den in Berlin beglaubigten Vertretern 
der neutralen Staaten unter dem 17. Juni 1916 nachstehende Denkschrift über 
völkerrechtswidrige Maßnahmen Englands gegen neutrale Firmen, 
die Handelsbeziehungen zu Deutschland unterhalten, überreicht: 
„Durch ein Gesetz vom 23. Dezember 1915 ist die Großbritannische Regierung ermächtigt worden, 
Firmen im neutralen Ausland wegen ihrer feindlichen Staatsangehörigkeit oder wegen ihrer Be 
ziehungen zu Feinden den feindlichen Ausländern im Sinne der Vorschriften über daS Handels
	        
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