Volltext: Der Völkerkrieg Band 12 (12 / 1918)

128 Die Ereignisse an der Westfront im fünften Kriegshalbjahr 
Episoden 
Der Mann da vorn im Graben 
Von den Tapferen von Thiepval weiß Hermann Katsch in einem seiner Berichte an 
die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" (19. X. 16) allerlei bezeichnende Geschichten zu 
erzählen. Er schildert, wie ein Leutnant mit 3 Mann mehrere 100 m eines verloren 
gegangenen Grabens zurückgenommen, und — gehalten, wie ein Unteroffizier mit einer 
Gruppe, das heißt 8 Mann, 300 m Graben im Handgranatenkampf von den Engländern 
gesäubert, wie ein Student,e in Primaner und ein Mädchenschullehrer mit ihrer Gruppe, 
im ganzen 24 Mann, drei Wochen lang eine heißumstrittene Riegelstellung ohne Wanken 
verteidigt, wie ein Feldwebel, selbst zweimal verschüttet, mit 3 Mann 4 Verschüttete 
im schwersten Feuer ausgegraben und vor dem Ersticken gerettet und wie ein Lehrer in 
seinem Unterstand während der schwersten Beschießung und in der fortgesetzten Gefahr 
verschüttet zu werden, seinen Leuten in aller Ruhe die Theorie vom Entstehen der 
Winde und ihrer Drehung erklärte. Dann fuhr Hermann Katsch fort: „Wie grauen 
haft es gerade an der Front dieser Leute zuging, wo der Engländer unter allen Um 
ständen durchbrechen wollte, davon ein kurzes Beispiel: Der Bursche des Leutnants und 
Kompaniesührers blickt aus dem Graben in die Höhe, aus der ein verdächtiges Singen 
ertönt, im nächsten Augenblick sinkt er um. von einem schweren Granatsplitter in den 
Schädel getroffen. Er war auf der Stelle tot. Der Leutnant wollte den Leichnam des 
Treuen nicht hier draußen lassen, man trägt ihn huschend und kriechend etwas zur Seite, 
um ihn abends, wenn das Feuer nachließe, nach hinten zu dem kleinen Friedhofe des 
Regiments zu verbringen. Als der Abend kommt, ist der Tote verschwunden, Granaten 
haben ihm den Hügel geschichtet. Am nächsten Morgen lag er jedoch wieder zu Tage, 
aber an anderer Stelle und auf dem Antlitz. Da hatten ihn wieder die Granaten um 
hergewirbelt, dann verschwand er und wurde nicht mehr gefunden. Dafür lagen aber 
an derselben Stelle zwei riesige, schon mumifizierte Neger vor der Front, die hier vor 
Jahr und Tag gefallen sein mögen." 
Noch zwei andere charakteristische Episoden erzählt Hermann Katsch im gleichen Be 
richt: „Erbittert tobte der Kampf; wo sich etwas Lebendiges zeigt, dahin fliegt das Geschoß 
aus der sicheren Büchse. Plötzlich zeigen sich englische Krankenträger mit der roten 
Kreuzbinde; kein Schuß fällt, obzwar die Engländer unsere Sanitätsmannschast stets 
sogar mit Maschinengewehren zu beschießen pflegen. Nun stellt eine aufmerksame Beob 
achtung fest, daß ein paar von den feindlichen Krankenträgern auffallend lange eine 
leere Bahre herumtragen, ja, daß sie ganz unzweifelhaft möglichst nahe an unsere 
Stellung zu gehen suchen, die Bahre aber leer bleibt. Es ist ausgemacht, daß es englische 
Offiziere sind, die unter dem Schutz der Binde unsere Linien erkunden wollen. Sie sollen 
beschossen werden. Doch nur mit Mühe sind die Leute dazu zu bringen, solchen Befehl 
auszuführen. Es geht ihnen gegen den Strich, auf das Rote Kreuz zu schießen. Nicht 
Vergeltung üben, nein, in Selbstachtung verharren sie unbewußt, dem natürlichen Ge 
rechtigkeitssinn, der „Anständigkeit" ihres Volkes entsprechend... . 
Ein Engländer mit mehreren Wunden hat 3 Tage vor unserer Front liegen müssen, 
bis es endlich gelang, ihn zu bergen. Er wird, so gut es geht, versorgt, gelabt und 
mit einer Zeltbahn zugedeckt. Er muß bis zum Abend warten, eher kann ein Versuch, 
ihn nach hinten zu bringen, nicht unternommen werden. Still lag er da, eine Zigarre 
rauchend, die ihm ein Mitleidiger geschenkt hacke. Als der Kompanieführer nach einiger 
Zeit wieder an dem Verwundeten vorbeikommt, liegt auf der Zeltbahn, die ihn deckt, 
Zigarette an Zigarette. Jeder, der den Angreifer ohne Besinnen über den Hausen ge 
schossen hätte, hatte dem Verwundeten aus seinem kärglichen Vorrat etwas gespendet. 
Das ist Kameradschaft des Todes und des Schreckens auch dem Feinde gegenüber. -. •"
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.