Volltext: Der Völkerkrieg Band 12 (12 / 1918)

92 Die Ereignisse an der Westfront im fünften Kriegshalbjahr 
funktioniert noch, Stellung 1200, feuern wir los. Wenn das Gewehr nur keine Hemmung 
bekommt, was dann? wir denken an nichts mehr, satanische Wut hat uns erfaßt, lebend 
hätte uns keiner bekommen! Wieder mißlingt der Angriff, zurück fluten die feindlichen 
Sturmwellen, das zweitemal, wir wissen nicht, was wir tun, mein Richtschütze streichelt 
sein Gewehr, als sei es ein Mensch, sei es sein Liebstes aus Erden. Schon nach einigen 
Minuten geht das rasende Feuer von neuem los, wäre man doch auch glücklich drüben, 
heraus kommt keiner, „ergeben, kapitulieren," nie und nimmer — der Fahneneid — „ich 
schwöre" — Meineid — nein, Tod oder Halten des Grabens! Ich weiß nicht, was 
weiter vorging, gegen 6 Uhr stößt mich einer meiner Leute an: „Unteroffizier, Angriff!" 
— Schon find die Schwarzen säst an unserm Gewehr, Sekunden noch, dann hat man 
das Bajonett, den Dolch in der Kehle. 
Wir springen ans Geschütz, ich schieße selbst, wieder surrt die Bremse, Strich kann 
ich keinen mehr geben, das Handrad ist durch einen Granatsplitter verbogen, man kann 
nicht mehr kurbeln! Grauenhaftes Bild, nicht einer fällt, nein Dutzende und aber Dutzende; 
gelingt es nochmal, treues Gewehr, geh', feure, sonst ist alles verloren! Es glückt, aber die 
feindliche Artillerie hat das feuernde Ding erkannt, ein Schuß sitzt 10 m vor uns, Stein 
splitter, Erde fliegt uns ins Gesicht, man merkt's nicht, nur schießen, schießen! Ein Knall, 
ein Schlag, wir fliegen rücklings, 3 m neben uns sitzt eine Granate! Nach einigen Se 
kunden komme ich zu mir, neben mir liegt mein Richtschütze ohne Schädeldecke, unkenntlich, 
schwarz, tot — der dritte —, der letzte blutet stark am Oberschenkel, Fleischwunde, mir 
tropft Blut auf den Rock, in die Augen, ich kann nicht mehr sehen. Deutsches Artillerie- 
feuer hat eingesetzt, abgeschlagen zum dritten Male. Ich taumelte ans Gewehr, es geht 
nicht mehr, der glühend gewordene Lauf hat sich festgeklemmt! 
Ruhig, unheimlich ruhig ist's geworden, ein lauer Herbstabend senkt sich auf die Toten 
statt, Nebeldünste steigen aus der Senkung auf, ein „Miserere des Todes", „äs xroknlläis!" 
Meinen Kameraden verbinde ich noch, er kann gehen, nimmt Meldung mit nach hinten 
zum Flaggzugführer, einem Vizefeldwebel! Mir selbst habe ich einige Verbandpäckchen um 
den Kopf gewickelt, es blutet nicht durch. Ich kann nicht mehr, falle einfach um. Gegen 
9 Uhr kommt eine neue Kompagnie in den Graben, und kurz daraus löst mich eine Be 
satzung ab. Mühsam, erschöpft, apathisch schleppe ich mich nach hinten, mache meinem 
Kompanieführer Meldung: 3 Mann tot, 1 verwundet, ich selbst desgleichen!" Er kann 
nichts sagen, Tränen stehen ihm in den Augen, Drei der Besten gefallen aus dem Felde 
der Ehre, für Deutschlands Ehre und Ruhm, für die Lieben in der Heimat! Eine Mu 
nitionskolonne nimmt mich mit nach hinten zum Ruhequartier; was ich an dem Abend 
noch getan habe, weiß ich nicht mehr. 
Am andern Morgen lasse ich mich neu verbinden, zwei Splitter holt der Arzt noch heraus; 
der Abteilungskommandeur verspricht mir das Kreuz, die Beförderung zum Vizefeldwebel, 
das war der 11. Oktober 1916, der Sturm aus Ablaincourt! . . ." 
Die Kämpfe um Sailly-Saillisel 
Das I. bayrische Armeekorps in der Sommeschlacht 
Vom 14. Oktober bis 6. November 1916 
I. 
In den „Münchner Neuesten Nachrichten" (19.11.17) erschien die folgende, von amt 
licher militärischer Seite stammende anschauliche Schilderung der Heldenkämpfe des I. 
bayerischen Armeekorps um Sailly-Saillisel. 
„Es gibt Namen von Orten, Männern, Geschehnissen, die erst im Laufe reifender Er 
kenntnis historisch werden. Es gibt solche, die wie ein Meteor aufflammen und dann 
eingeprägt bleiben für Zeit und Ewigkeit. Wenn irgend von einem Namen dies gilt, 
so gilt es von der Somme. „Und wir Bayern vom 1. Korps waren auch dabei."
	        
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