Volltext: Der Völkerkrieg Band 12 (12 / 1918)

84 Die Ereignisse an der Westfront im fünften Kriegshalbjahr 
72 Stunden Trommelfeuer 
Vom 22. bis 25. September 1916 
Die großen Massenangriffe der Engländer und Franzosen an der Somme am 25. Sep- 
tember 1916 sind durch ein 3 tägiges Trommelfeuer der Artillerie eingeleitet worden, dessen 
Stärke alle bisherigen Erfahrungen weit hinter sich ließ. Ueber die ungeheure Heftigkeit 
dieser artilleristischen Vorbereitung gibt ein Telegramm der Pariser „Liberty" einen an 
schaulichen Bericht, in dem es nach den „Münchner Neuesten Nachrichten" (28. IX. 16) 
heißt: „Von allen Artillerievorbereitungen, die unseren verschiedenen Offenstvaktionen an 
der Front der Picardie vorangegangen waren, war noch keine so heftig, wie die Beschießung, 
die seit 72 Stunden ununterbrochen auf die deutschen Stellungen gerichtet ist. Unter 
dieser Sintflut von Geschossen stürzen die stärksten Befestigungen, die mächtigsten An 
lagen verschwinden und begraben die Verteidiger unter sich. Die Explosionen folgen in 
Abständen von weniger als 1 Sekunde. Der Boden erzittert und, wenn die Nacht 
kommt, erhellt ein roter Schein den Horizont. „An der Somme spielt sich ein erschüt 
terndes Drama ab", sagte mir heute ein Artillerieoffizier. „Ich habe die ganze Verdun 
schlacht mitgemacht und bin 2 Monate in der Picardie. Niemals habe ich etwas ähn 
liches erlebt. Das gestrige Zerstörungsseuer übersteigt an Heftigkeit alles Dagewesene. 
Es ist unmöglich, daß die Deutschen in einer derartigen Hölle Widerstand leisten können. 
Es gibt kein menschliches Wesen, das physisch und moralisch das länger mitmachen kann, 
was unsere Gegner seit 3 Tagen aushalten." 
Eine bemerkenswerte Ergänzung zu diesem Bericht bildet folgende, gleichfalls von den 
„Münchner Neuesten Nachrichten" (28. IX. 16) übertragene Schilderung, die der 
Vertreter des Londoner „Daily Chronicle" seinem Blatte aus dem englischen Haupt 
quartier telegraphiert hat: 
„Der gewaltigste Artilleriekamps der Geschichte, ermöglicht durch eine beispiellose Aus 
häufung von Geschützen aller Kaliber und von Munition in unglaublichen Mengen, ist 
zu Ende. In den letzten 8 Tagen herrschte hinter der Front der Verbündeten eine fieber 
hafte Tätigkeit. Tausende von Wagen und Automobilen waren mit der Heranschaffung 
von Geschützen und Munition beschäftigt. Man hatte Schmalspurbahnen angelegt, um 
eine ununterbrochene Munitionszufuhr zu sichern. In nahezu allen Stellungen hatte 
man die Batterien verdoppelt und verdreifacht, damit nicht etwa durch Heißlaufen der 
Geschützrohre Pausen entstünden. So rollte dann ein 3 tägiges rasendes Trommelfeuer 
auf die gesamte feindliche Front. In diesem höllischen Konzert schlugen die 24-em- und 
38 om. Geschütze den Takt, die weit hinter der Feueilinie in sorgfältig versteckten 
Stellungen eingebaut waren. Dieses Trommelfeuer, diese unheimliche Verfeuerung 
von gewaltigen Munitionsmengen, die gewaltigen Anstrengungen der Artilleriemann- 
schasten, die mit nackten Oberkörpern schweißtriefend hinter den Geschützen standen und 
alle paar Stunden abgelöst werden mußten, sind Kennzeichen für die ganze Furchtbarkeit 
des Laufgrabenkrieges. Es ist nicht zu glauben, daß Wälle aus Erde diesem Eisenhagel 
widerstehen können und daß sich ihre Besatzung lebend erhalten kann, und doch ist dies 
sehr oft der Fall gewesen, wie unser aus 10 km Breite angesetzter Jnfanterie-Mässen- 
angriff bewiesen hat. Zu Dutzenden stürmten unsere Bataillone vor, und, obwohl die 
erste Laufgrabenlinie des Feindes in einer gewissen Ausdehnung besetzt werden konnte, 
ist daS Ergebnis enttäuschend, im Vergleich zu den aufgewendeten Mitteln, nüchtern 
betrachtet. Jeder Fuß breit Gelände, den wir vorrücken mußten, mußte allein, was die 
materielle Seite anbelangt, mit einem Kostenaufwand bezahlt werden, der den Wert des 
eroberten Bodens wohl mindestens 50 fach übersteigt." 
Das Ergebnis des riesigen Stahl- und Munitionsauswandes, der in den Tagen vom 
22. bis zum 25. September gegen die deutschen Stellungen verschossen wurde, mußte in
	        
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