Volltext: Der Völkerkrieg Band 12 (12 / 1918)

Die Schlacht an der Somme und die übrigen Kämpfe an der Westfront 88 
noch verstärkt durch inzwischen eingetroffene Leute eines Schwesterregiments, macht sich 
jetzt zum Angriff auf den Gegner bereit; jeder Mann mit so viel Handgranaten, wie 
er tragen kann, folgt dem Führer, der als geübter Schütze lieber ein Gewehr mitnimmt. 
Aber der Angriff muß kriechend vor sich gehen, denn der Grabenrest, durch den man 
hindurch muß, ist fast eingeebnet. Verwundete liegen auf dem Wege, es ist kaum möglich, 
sich an ihnen vorbeizudrücken; helfen kann ihnen niemand in der Lage, das wissen sie; 
still liegen sie da, die Augen ernst und schmerzlich auf die Kameraden richtend, still ge 
faßt, vielleicht seit vielen Stunden den sichern Tod erwartend, jetzt vielleicht eine leise 
Hoffnung nährend, daß die Kameraden sie nach Vertreibung der Engländer würden 
bergen können. Höchster Spannung voll sind die Augenblicke an den Schulterwehren, 
wenn der Weg sich schlängelt, denn der nächste Augenblick kann das Zusammentreffen 
bringen. 
Der Feind hat gemerkt, daß irgend etwas in dem Graben vor sich geht, man 
spürt seine Nähe. Der Leutnant hat das Gewehr im Anschlag, der Helm und das 
Stückchen des Kopfes eines feindlichen Offiziers werden einen Augenblick sichtbar, der erste 
Schuß geht fehl, auch der zweite, der Engländer duckte sich zu schnell, aber der dritte 
saß mitten in der Stirne. Nun geht es rasch um die Biegung herum und der schreckliche 
Handgranatenkampf tobt in der Morgensonne durch die zerwühlte Erde hin. 150 bis 
200 m des Grabens wurden aus diese Art vom Feinde gesäubert — alles unter schwerstem 
Granat- und Schrapnellfeuer, das nach den ersten Anzeichen, daß hier gekämpft wird, 
sofort auf dies Stück gelegt wird. Pause. Der Feind greift nicht wieder an; wahr 
scheinlich haben sich die Reste der Eindringlinge zurückgezogen. Also rasch die Stellung 
wieder einrichten. Ein Unterstand wird für den Führer hergestellt, eine Höhlung, nicht 
so groß, daß ein Sarg Platz hätte, ein Kaninchenstall ist es kaum, aber hier kann er 
seine Meldung über das, was er vorfand und was er angeordnet hat, niederschreiben. 
Kein Satz kann ungestört beendigt werden, denn alle Augenblicke heißt es „der und der 
verschüttet!" Und dann greifen sie alle zu, der Leutnant wie der Mann, mit den Hän 
den, mit Schippen graben sie wie wahnsinnig draus los, um die Kameraden vom Tode 
des Erstickens zu retten. Das ist die Kameradschaft in Not und Tod! Allmählich 
sangen die Leute an lauter zu sprechen, das ununterbrochene Krachen der zerspringenden 
Granaten, die Hitzwellen der Schrapnelle, die ihnen die Köpfe fast versengen, greifen 
das Gehör übermäßig an, ruhiges Sprechen bleibt unverstanden. Und jeder wird noch 
dabei zum Sanitäter, der Offizier verbindet den Mann, der Mann den Leutnant, und 
dazwischen immer schanzen, schanzen! Jeder Spatenstich erhöht die Möglichkeit, die 
„Stellung" zu halten. Die Verwundeten werden, so gut es geht, versorgt und gelabt, 
zuerst die, die schon lange da lagen, von dem Abend vorher! 
So mancher beherzte Mann, der frisch in den Krieg käme und solche Stunden erleben 
müßte, würde wohl bald mit seinen Nerven fertig sein. Aber die Steigerung des 
grausigen Kampfes in den langen beiden Jahren haben ein Geschlecht erzogen, das das 
Uebermenschliche, das kaum zu Fassende vermag, und — nicht bloß stundenlang — nein, 
tage- und wochenlang in solchem Grauen Widerstand leistet und den Gegner noch an 
geht. Man spricht so oft von der „ehernen Mauer" an unseren Fronten — kein Erz 
und kein Panzerstahl hielten hier stand, wo Erz und Stahl in Riesengewichten mit 
Erdbebenkraft dagegen herangeschleudert werden und Tod und Verderben nach allen 
Seiten sprühen! Die Herzen sind es, die starken deutschen Herzen! Die halten besser 
aus als alles tote Erz, und die Herzen führen die Hände und die Arme zur Wehr und 
zu Schlag! Will man einmal ein Bild gebrauchen — denn Erz und Stahl sind ja 
auch ein Bild —, dann sage man fürder: er hält stand wie ein Kämpfer von 
Poziöres!
	        
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