Die Vereinigten Staaten von Nordamerika und der Handelskrieg 318
Umsang angenommen hatte. Amerikanische Bankkreise schätzten den Betrag der Wert
papiere, die Frankreich und England während des Krieges bis April 1916 nach der
Union abgestoßen hatten, damals bereits auf über 6 Milliarden Mark. Mag diese Zahl
zutreffend sein oder nicht — jedenfalls hat die Union gewaltige Posten aufnehmen können
und war dadurch zum Vorteile ihrer Zahlungsbilanz in die Lage gekommen, die Zinsen
verpflichtungen gegenüber Europa stark zu reduzieren . . .
England und Frankreich waren, wie erwähnt, zu der Abstoßung ihrer Effekten nach
Amerika gezwungen, angesichts der großen Schuldenlast, die sie sich durch die Bezüge
von Getreide und Munition in Amerika aufgebürdet hatten. Es war ihnen indes nicht
gelungen, sich dadurch unabhängig zu machen; sie mußten vielmehr zunächst noch große
Bankkredite in Amerika sowie eine Anleihe in Höhe von 500 Millionen Dollar unter
schweren Bedingungen aufnehmen — und blieben auch dann noch Schuldner ihrer ameri
kanischen Freunde. Beweis: das Disagio des Pfund Sterling und insbesondere des
Franks an der New Jorker Börse.
Außerordentlich vorteilhaft für die Union war der Ausfall der Getreideernte 1915.
Der Weizen erreichte einen Ertrag wie nie zuvor und auch in den übrigen landwirt
schaftlichen Erzeugnissen war der Ertrag sehr zufriedenstellend. Dadurch wurde Amerika
in den Stand gesetzt, die großen Ansprüche des Exports zu befriedigen und trotzdem
genügend Ware für den heimischen Konsum zu erübrigen. Sehr zustatten kam überdies
den amerikanischen Landwirten die Preisbewegung. Denn kurze Zeit nach Ausbruch
des Krieges stieg der Weizen in Chicago, der im Juli 1914 auf unter 80 Cts. gesunken
war, auf 120 Cts. pro Bushel, um im Januar 1915 mit 167 Cts. zunächst seinen
Höchststand zu erreichen.
Nicht so günstig wie für die Getreideerzeugung sind die Verhältnisse für die Saum»
wollproduzenten gewesen. Im Jahre 1914 war angesichts der Schwierigkeiten, die
England dem Absatz von Baumwolle nach Deutschland bereitete, eine sehr große Menge
von Baumwolle in der Union übrig geblieben. Da die amerikanische Regierung keine
großen Anstrengungen machte, den Export von Baumwolle, der ihr nach dem Völker
recht zustand, durchzusetzen, sahen sich die amerikanischen Pflanzer genötigt, im Jahre
1915 die Anbaufläche für Baumwolle stark einzuschränken. Im Zusammenhang damit
war der Export von Baumwolle in 1915 kleiner als in normalen Jahren, bei aller
dings gebesserten Preisen.
Daß sich der Reichtum Amerikas während des Krieges ganz erheblich vermehrt hat,
ist nicht zu bezweifeln. Einen Anhalt hierfür hat man schon daran, daß derVorratan
gemünztem Golde in der Union, der sich Mitte April 1916 auf rund 2,20 Milliarden
Dollar stellte, den größten Betrag erreichte, der jemals in einem Lande vorhanden war."
Es ist erklärlich, daß maßgebende Jnteressenmächte in den Vereinigten Staaten von
Nordamerika unter diesen Verhältniffen eine möglichste Anlehnung an die Entente
mit allem Nachdruck befürworteten. Andererseits fand die Ankündigung der Entente,
den deutschen Handel nach dem Kriege zu blockieren, nach einem Bericht des New Iorker
Vertreters des „Wolffschen Telegraphen-Büros" (15.1. 16) in den Vereinigten Staaten
von Nordamerika zunächst nur wenig Verständnis und Beifall, besonders, da man
fürchtete, daß die Verwirklichung dieses Planes die Entwicklung des amerikanischen
Außenhandels in ungerechter Weise treffen werde. Viele Kreise, auch Kongreßmit
glieder, bezeichneten den Plan in Ausdrücken der höchsten Entrüstung als eine neue Be
schränkung des neutralen Handels. Die Zeitungen tadelten den Gedanken, den Krieg
auch auf das wirtschaftliche Gebiet zu übertragen; Senator Chamberlain aus dem
Staate Oregon erklärte in einer Unterredung mit einem Vertreter des „New Jork
American" (Anfang Januar 1916), England habe während des Krieges alle Mittel zur Er