Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

22 Das Deutsche Reich während des fünften Kriegshalbjahres 
Nach einer längeren, durch die Beratungen des Hauptausschusses ausgefüllten Pause 
nahm der Reichstag am 26. Oktober 1916 die Besprechung über den Antrag des Aus 
schusses (vgl. S. 18) wieder auf. Ein Antrag der deutschkonservativen Abgeordneten 
Arnstadt und Genossen empfahl an Stelle des Ausschußantrages die Annahme folgen 
der Resolution: 
„den Reichskanzler zu ersuchen, dafür einzutreten, daß während der Dauer desKriegesbei 
Bertagunge» bet Reichstages, die durch Kaiserliche Verordnung erfolgen, die Einberufung des 
HauShaltsauSschusfeS zur Besprechung auswärtiger Fragen auf dem verfassungsmäßigen 
Wege vorbehalten wird." 
Der konservative Abgeordnete Kreth, den die Konservativen zur Darlegung ihres Stand 
punktes vorgeschickt hatten, sprach von einem Schritt zur Einführung des parlamentarischen 
Regimes und erklärte, daß die Konservativen diesen Schritt nicht mitmachen würden. 
Den Vergleich mit England lehnte er ab, da die deutsche Regierung im Gegensatz zur 
englischen an Ehrlichkeit das Menschenmögliche leiste. Auch glaubte er die Behauptung 
wagen zu können, daß das deutsche Volk für die parlamentarische Regierungssorm nicht 
begeistert sei. Der Krieg habe die alte deutsche Männertreue und das Treueverhältnis 
zwischen Fürst und Volk gezeigt. 
Es muß konstatiert werden, daß die Regierungsvertreter stch mehr oder weniger be 
stimmt aus den von der konservativen Partei eingenommenen Standpunkt stellten. Der 
Staatssekretär des Auswärtigen Amts, v. Jagow, begnügte sich allerdings auch 
bei dieser, sein eigentliches Gebiet stark berührenden Initiative des Reichstags mit 
kurzen und in der Form verbindlichen Worten. Er erklärte seine Bereitschaft, dem 
Wunsch des Reichstags auch in dem vom Hauptausschuß und den Konservativen ge 
forderten Maße entgegenzukommen. Nach seiner Meinung liefen also die beiden An 
träge im wesentlichen auf dasselbe hinaus; aber Herr von Jagow war zugleich vor 
sichtig genug, auf die nachfolgenden Ausführungen des Staatssekretärs vr. Helfferich 
hinzuweisen, und diese Erklärungen des Stellvertreters des Reichskanzlers lauteten wesent 
lich kälter und schärfer, vr. Helfferich suchte zunächst die verfassungsrechtliche Seite 
dahin zu klären, daß in jedem Fall zu einer Zusammenkunft des Hauptausschusses 
während der Vertagung des Reichstags die Zustimmung deS Kaisers erforderlich 
sei. Da ihm nun das Recht des Kaisers in der konservativen Fassung besser gewahrt 
zu sein schien als in dem Antrag des Ausschusses, so erklärte er, daß er den konser 
vativen Antrag vorziehen würde. Ebenso ließ er keinen Zweifel daran, daß 
nur unter anormalen Verhältnissen die Kommission während der Vertagung des Reichs 
tags zusammentreten könne. Der normale Fall werde immer bleiben, daß der Reichs 
tag, wenn er durch kaiserliche Verordnung vertagt wird, in seiner Gesamtheit vertagt 
werde, daß also dann auch der Hauptausschuß kein Recht habe, zusammenzutreten. Da 
diese Ausführungen des Staatssekretärs vr. Helfferich das begreifliche Erstaunen des 
Plenums hervorriefen, sah sich Herr Helfferich später noch einmal veranlaßt, das 
Wort zu nehmen, aber nur, um abermals festzustellen, daß die Regierung bereit sei, aus 
nahmsweise den Ausschuß zu berufen, aber auch in Zukunft werde der normale Fall 
bleiben, daß bei einer Vertagung Plenum und Kommissionen vertagt werden. 
Dieser schroffe und in der Form kaum gemilderte Standpunkt des Stellvertreters 
des Reichskanzlers stieß auf fast allen Seiten des Hauses auf Widerspruch. Nur der 
fortschrittliche Abgeordnete Haußmann glaubte aus den Bemerkungen Helfferichs, 
bei denen er immerhin einen wärmeren und vertrauensvolleren Ton vermißte, ein 
„prinzipielles" Einverständnis herauszuhören. Im übrigen machte er einige zu 
treffende Bemerkungen über den Hauptausschuß, der allmählich zum „Mädchen für 
alles" geworden sei, und forderte eine besondere Kommission für die auswärtigen An-
	        
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