Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

256 Rußland während des fünften Kriegshalbjahres 
1. Januar 1917. 
Beim herkömmlichen Festmahl, daS am 1. Januar jeden Jahres im neuen englischen Zirkel ge 
boten wird, hielt der englische Botschafter Sir G. Buch an an folgende Rede: „Zwischen uns und 
Deutschland liegt ein ungeheurer Abgrund, erfüllt vom Blute friedfertiger Bürger und NichLkämpfer. 
Wir können die Hand des Feindes nicht annehmen, solange die deutsche Armee nicht gänzlich ge 
schlagen ist, solange der militärische Geist, der ganz Deutschland beherrscht, nicht völlig vernichtet ist." 
In einer Anspielung auf die Niederlage Rumäniens legte der Botschafter dar, daß entgegen dem 
Eindrücke, der in Rußland vorherrsche, die Siege an der Somme und vor Verdun nicht deshalb 
möglich waren, weil die Deutschen Divisionen von der Westfront weggenommen hatten, und er 
unterstrich die Tatsache, daß immer noch zwei Drittel der deutschen Armee an der Westfront stehen. 
Dann kam der Botschafter auf die Opfer an Menschenleben zu sprechen, die England schon gebracht 
hat. Er bemerkte weiter, England habe seinen Verbündeten bereits über 15 Milliarden für den 
Ankauf von Kriegsmaterial vorgeschoffen. Der Redner äußerte sein Bedauern darüber, daß in Ruß 
land in Jndustriekreisen die Auffassung bestehe, als ob die englische Finanz- nnd Handelswelt sich 
verschworen hätte, Rußland auszubeuten. ES sei dies ein ganz falsches Gerücht. Wenn man cm 
die englischen Kapitalisten appelliert habe, um Rußland in der Entwicklung seines Handels zu för 
dern und seine riesigen materiellen Kräfte auszunützen, so sei zu bemerken, daß einzig der russische 
Außenhandel geeignet sei, Rußland zu ermöglichen, seine kolossalen Kriegsausgaben zu decken und 
seinen Wechselkurs wieder auf normale Höhe zu bringen. In den letzten zwei Jahren habe man 
England wiederholt den Vorwurf gemacht, eS wünsche nicht allein den Löwenanteil an der Beute, 
sondern es arbeite direkt der Verwirklichung der traditionellen Ziele Rußlands entgegen. Die von 
Trepow in der Duma mitgeteilten Erklärungen bezüglich Konstantinopels und bezüglich des Abkom 
mens über die Meerengen (vgl. S. 237) hätten für immer dargetan, wie unberechtigt jene Behaup 
tungen waren. AlS im Frühjahr 1915 der erste Schritt in dieser Frage bei der britischen Regierung 
unternommen wurde, habe diese unverzüglich ihre lebhafte Zustimmung zu einem derartigen Ab 
kommen ausgesprochen. „Wir wünschen," bemerkte der Botschafter abschließend, „daß Rußland be 
lohnt werde für alle Opfer und Dienste. Wir wollen ihm behilflich sein bei der Erreichung des 
Zieles, dem es nun schon so lange zustrebt. Wir wollen es stark und glücklich sehen, wir wollen 
das vom Krieg gekittete Bündnis für immer gefestigt sehen, um der Welt den Frieden auch in der 
Zukunft zu erhalten. Das ist der Schlußstein unserer Politik." 
16. Januar. 
Anläßlich der Uebernahme des russischen Ministerprästdiums wechselte Fürst Galitzyn mit dem 
französischen Ministerpräsidenten Briand die üblichen Telegramme. 
27. Januar 1917. 
Die Ernennung Ssasonows als Nachfolger des verstorbenen Grafen Benckendorff zum Bot 
schafter in London wurde amtlich bekanntgegeben. Er war der Kandidat des englischen Bot 
schafters in Petersburg, Sir G. Buchanan (vgl. auch S. 245). 
Das Schicksal der fremdstämmigen Völker 
Von der Tätigkeit der Liga der Fremdvölker Rußlands 
Die „Liga der Fremdvölker Rußlands", deren Präsident Michel Lempicki, deren General 
sekretär Baron Ropp waren, hat am 20. November 1916 ein Telegramm an den englischen 
Ministerpräsidenten Asquith gerichtet, in dem sie, anschließend an eine Rede Asquiths, in 
der er die Leiden der Armenier beklagte, an die 97 Millionen Fremdvölker Rußlands 
erinnerte, die Asquith nicht erwähnt habe, obwohl sie Entsetzliches leiden müßten. In 
gleichem Sinne richtete die Liga am 20. Dezember 1916 an den neuen englischen Minister 
präsidenten Lloyd George ein Telegramm. Darin wird daraus hingewiesen, daß die Ver 
folgungen der Fremdvölker Rußlands nicht durch den Feind sondern durch die russische 
Regierung an den eigenen Untertanen geschähe, und gebeten, Lloyd George möchte das 
Versprechen Großbritanniens, für die vollständige Wiederherstellung, Entschädigung und 
Sicherung vor Schäden der kleinen Nationen einzutreten, auch auf die Fremdvölker des 
verbündeten Rußlands ausdehnen.
	        
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