Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

D i e innere Politik und Personalien II 24S 
Der Hergang der Tat 
Der Hergang der Tat wurde verschiedentlich dargestellt. Nach dem Petersburger Korrespondenten 
der „Daily Chronicle" (6.1.17) wurde Rasputin am Freitag den 29. Dezember 1916 spät abends 
von seinem Hause in der Gorochowajastraße nach der Moika gebracht. Dort erwartete ihn eine Anzahl 
junger Männer, deren Namen wohl bekannt sind, die jedoch nicht direkt genannt werden. Es wurde 
wahrscheinlich erst getrunken, und dann wurde Rasputin mitgeteilt, daß er zum Tode verurteilt sei. 
Man gab ihm einen Revolver in die Hand und befahl ihm, sich selbst zu erschießen. AlS Rasputin 
den Revolver ergriffen hatte, schoß er sofort auf den Mann, der ihm die Waffe reichte. Er zielte, 
traf jedoch einen zufällig neben ihm stehenden Hund. Der Revolver wurde darauf Rasputin auS 
der Hand geschlagen, und einer der jüngeren Leute schoß Rasputin auf der Stelle nieder. 
Etwas anders schildert daS „Wetschernaja" den Vorgang, wobei RasputinS Name der Zensur 
wegen mit der Bezeichnung der „Hausbesitzer auS der Gorochowajastraße" umschrieben wird. DaS 
Blatt berichtet: „Am 29. Dezember, um 7 Uhr abends, hielt in der Gorochowajastraße ein Auto 
mobil, dem ein eleganter Herr entstieg. Er überreichte dem Hausbesitzer einen versiegelten Brief. 
Nachdem dieser das Schreiben durchgelesen hatte, teilte der Hausbesitzer seinen Leuten mit, daß er 
am Abend eingeladen sei. Nach einigen Minuten bestieg der Hausbesitzer das Automobil. Sie fuhren 
bi- Moika. Das Automobil hielt vor einem einsamen Hause am Moikakanalufer, wo viele Gäste 
versammelt waren. Gegen 4 Uhr nachts entfernte sich ein Teil der Gäste. Aber daS Trinkgelage 
wurde fortgesetzt. Um 6 Uhr früh wurden Schüffe auS einem der Zimmer gehört. Die Gäste 
sprangen auf und eilten dorthin. Sie begegneten einem Mann, der erklärte, eS läge kein Grund 
zur Unruhe vor, nur ein toller Hund fei erschoffen worden. Tatsächlich hatte der junge Mann einen 
Schuß auf den Hausbesitzer abgefeuert. Dieser war zu Boden gefallen. Der Mörder ging in den 
Saal, wo sich die übrigen Gäste befanden, teilte mit, was passiert sei, und bat, den Verwundeten 
irgendwohin fortzuschaffen. Inzwischen hatte sich der Hausbesitzer erhoben und war zur Tür gestürzt, 
worauf weitere Schüffe abgefeuert wurden, die ihn töteten." 
„In Bürokratenkreisen war man," wie die Moskauer Blätter nach der „Frankfurter Zeitung" 
<20.1.17) verrieten, „von der schnellen Entdeckung der Leiche Rasputius höchst unangenehm überrascht, 
da sie eine weitere Verheimlichung des Ereignisses unmöglich machte. Man hätte aber gern einige 
Tage Zeit gehabt, um „die Haltung der maßgebenden Sphären zu dem Vorfall festzustellen und 
auf diese Weise den Plan zur weiteren Verfolgung der Angelegenheit zu bestimmen." Es scheint 
dann über die Durchführung der Voruntersuchung zu einem Konflikt zwischen Protopopow, der als 
Minister des Innern die Polizei befehligte, und dem Justizminister Makarow gekommen zu sein. 
Protopopow beauftragte den General Kurlow mit der Untersuchung, die Justizverwaltung aber den 
Spezialuntersuchungsrichter Sereda und den Staatsanwalt Sawadski. Mit dieser Wahl scheint 
Protopopow nicht einverstanden gewesen zu sein. Zu seiner Ueberraschung erhielt Herr Makarow 
dann zwei Tage nach der Entdeckung des Mordes seine Entlassung (vgl. auch S. 246)." 
Die Mörder und die Beweggründe 
Nach Pariser Abendblättern ist der Mörder RasputinS der im Jahre 1887 geborene Fürst 
Jussupow, Graf Sumarokow-Elston, der seit Februar 1914 mit der Prinzessin Irene, Tochter 
deS Großfürsten Alexander Michailowitsch, verheiratet war, die trotz aller Bemühungen ihres Gemahls 
und ihres Vaters zu den eifrigsten Anhängerinnen RasputinS gehört haben soll. Auch der Dumaabgeord- 
nete Purischkewitsch soll der Polizei gegenüber zugegeben haben, der Mörder RasputinS zu sein. 
Ueber die Beweggründe für die Tat existierten zwei Versionen. Nach der einen Version, die 
hauptsächlich von der französischen Presse verbreitet wurde, handelte eS sich dabei um daS Eifer 
suchtsdrama eines betrogenen Ehemannes; der Fall wäre dann, nur einer von vielen, auS der 
schwülen Atmosphäre der russischen Hofkreise emporgewachsen, wo der „Seelenkult" unter persön 
licher Leitung deS Bauern Rasputin getrieben wurde. Nach der zweiten Version, die vorwiegend von 
englischen Blättern aufgegriffen wurde, handelt eS sich um einen politischen Mord. DaS Motiv 
sei: Rasputin war für den Frieden, und bei dem Einfluß, den er selbst auf den Zaren besaß, war 
zu befürchten, daß sein Einfluß sich schließlich stärker erweisen werde alS die kriegshetzerischen Tiraden 
der nationalistischen Kreise. Die Untersuchung ist der Kriminalpolizei entzogen und der politischen 
Polizei übergeben worden (vgl. S. 246); die Verhafteten sind jedoch bald darauf auf höheren Be 
fehl in Freiheit gesetzt worden.
	        
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