Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

242 Rußland während deS fünften Kriegshalbjahres 
Im weiteren Verlauf der Erörterungen erregte es namentlich Aufsehen, daß vpn sozia- 
listischer Seite gegen die von Trepow proklamierten Kriegsziele, die Eroberung Konstan 
tinopels und der Dardanellen entschieden Einspruch erhoben wurde. Mit unzweifelhafter 
Berechtigung ironisierte dann S kobelew die Niederlage der Blockpolitik, für die erden 
Block selbst verantwortlich machte, da er zu Beginn Trepow zu viel Entgegenkommen 
gezeigt habe. Was die verschiedenen Redner über das Verbot gegen die Semstwos und 
Städteverbände ausführten, wurde von der Zensur von der Veröffentlichung ausgeschlossen. 
Die Sitzung schloß mit der Annahme einer Tagesordnung Schidlowskis mit 128 
gegen 47 Stimmen, worin erklärt wurde, daß das Verbot der Semstwos mit der An 
erkennung der patriotischen Tätigkeit der genannten Verbände durch Trepow (vgl. S. 236) 
in schärfstem Widerspruch stehe, daß die Tätigkeit der Verbände notwendig sei und das 
Verbot daher aufs schärfste zu verurteilen sei. 
Am 30. Dezember 1916 sollte die Jahres-Schlußsitzung der Reichsduma sein, aber noch 
in der Nacht gab ein Erlaß des Zaren unerwartet die Vertagung der Reichsduma 
und des Reichsrats bis zum 25. Januar 1917 bekannt. Wie ein Blitz aus heiterem 
Himmel traf dieses Vorgehen der Regierung alle politischen Kreise, ganz besonders natür 
lich die Linke. Selbst die fortschrittliche Presse konnte sich nun die Tatsache nicht mehr 
verhehlen, daß in der russischen Politik Schwarz wieder unbestritten Trumpf war, und 
daß die Blockparteien mit ihrer Politik eine entscheidende Niederlage erlitten hatten. 
Als für die politische Lage bezeichnend, vermerkten die Blätter, daß Protopopow sofort 
nach der Vertagung der Reichsduma seine Gesundheit wiedererlangte und seine Tätigkeit 
als Minister des Innern wieder aufnahm. 
Die abermalige Vertagung 
Durch kaiserlichen Erlaß vom 19. Januar 1917 wurde die Wiedereröffnung der Reichsduma 
und des Reichsrates vom 25. Januar aus den 27. Februar 1917 verschoben. Als Grund 
dieser Maßregel wurde von zuständiger Seite angegeben, daß die Aenderungen in der Re 
gierung reichlichere Zeit zur Behandlung und Durchsicht der vielen von dem vorhergehenden 
Kabinett hinterlassenen, aber einer sofortigen Lösung bedürftigen Fragen nötig machten. 
Darauf fand am 20. Januar 1917 in Moskau in der Wohnung des Dumamilgliedes 
Konowalow eine von der Kadettcnpartei einberufene politische Versammlung statt, 
an der u. a. die Abgeordneten Miljukow, Fürst Lwow und Tschelnokow teil 
nahmen. Wie „Birschewija Wjedomosti" meldete, trugen die erregten Beratungen über 
das Verhältnis der Regierung zu den Volksvertretungen scharfen oppositionellen Charakter. 
Miljukow erklärte in der Versammlung, daß die willkürliche Hinausschiebung der 
Dumaeröffnung den Bruch zwischen Volk und Regierung bedeute und bedauerte, 
daß dies Ereignis gerade in schicksalsschwerer Zeit eingetreten sei. 
Die innere Politik und Personalien II 
Vom 24. November 1916 bis Ende Januar 1917 
Nach amtlichen Meldungen und ergänzenden Mitteilungen 
Die Ministrrprästdentfchaft Trepows und die Ernennung Galitzyns 
24. November 1916. 
Der Staatssekretär und Verkehrsminister T r e p o w (vgl. XIII, S. 249) wurde zum Mnisterpräst- 
deuten und der bisherige Ministerpräsident und Minister des Aeußern Stürmer zum Oberstkämmerer 
deS kaiserlichen Hofes unter Beibehaltung seiner Funktionen als Mitglied deS ReichSrates ernannt. 
Ueber die Vorgeschichte des Abgangs Stürmers schrieb „Rjetsch" nach der „Frankfurter Zei 
tung" (2. XII. 16): „Noch einige Tage vor der Dumaeröffnung (Nov. 1916) versuchte Stürmer, der 
die Auflösung der Duma voraussah, den Zusammentritt zu verschieben, doch ohne Erfolg. Unmittelbar 
nach der stürmischen Eröffnungssitzung (vgl. S. 227 f.) abends um 9 Uhr, ließ Stürmer seine fämt-
	        
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