Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

D i e fünfte Kriegstagung der Duma II 
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Bestrebungen der Reichsduma unterstützten. Das jetzt auffällige Liebäugeln gewisser 
russischer Kreise mit England habe bei einem Teile der Bevölkerung so tiefe Beunruhigung 
hervorgerufen, daß diese Strömung sehr bald einen gewaltsamen Rückschlag zur Folge 
haben müsse. Das anmaßende Auftreten der Engländer in Petersburg, ihre Sucht, sich 
überall hineinzudrängen, verschärfe den Haß gegen England von Tag zu Tag." 
Eine weitere Verschärfung der Lage brachten dann noch heftige sozialistische An- 
griffe gegen Dumamehrheit und Regierung Ende Dezember 1916 bei der Beratung des 
Dringlichkeitsantrages zur Revision der Gesetzesvorschläge aus Grund des Notpara 
graphen 87. Der Sozialist Tschenkeli zählte alle aus Grund dieses Paragraphen 
gesetzwidrig durchgeführten Gesetze auf, wobei er zugab, daß die Duma infolge unzu 
reichender und flüchtiger Behandlung selbst die Anwendung jenes Paragraphen begünstigt 
habe, aber auch betonte, daß die Regierung absichtlich die Arbeit der Duma einstelle» 
ließ, um außerordentliche, gegen die Demokratie gerichtete Gesetze durchzuführen. Daher 
dürfe die Duma diesen Gesetzen nicht zustimmen. Zum Schluß kritisierte Tschenkeli die 
Tätigkeit des fortschrittlichen Blocks und sagte: 
„Ihr suchet keine Stütze beim Volke, ihr vorenthaltet dem Volke die Wahrheit, ihr betrachtet euch 
wie zwischen Hammer und Ambos; auf einer Seite steht die Regierung, auf der anderen die Re 
volution. Die Folge nicht nur der Regierungspolitik, sondern eures absoluten Unvermögens, die 
Bedeutung des Augenblickes zu erkennen, wird sein, daß wir einer Sackgasse entgegeneilen, aus der 
uns nur ein Weg offensteht, die Revolution." 
So hatte sich allmählich in den Beziehungen der Reichsduma zur Regierung so viel 
Zündstoff angesammelt, daß die Regierung fürchtete, die revolutionäre Stimmung könne 
zur Explosion führen. Dazu kam, daß das kurz vor Ende 1916 von Protopopow erlassene 
Verbot der Abhaltung der Kongresse der Semstwos und Städteverbände sowie der 
Kriegsindustriekommissionen in Moskau in den Kreisen der Linken noch besondere Er 
regung hervorgerufen hatte, woraus die Sozialisten am 28. Dezember zu der Frage eine 
Interpellation einbrachten. Aber sowohl der Minister des Innern wie der Kriegs 
minister erklärten, daß sie weder in öffentlicher Sitzung eine Erklärung darüber ab 
geben noch überhaupt sich in der nächsten Zeit mit der Angelegenheit beschäftigen 
wollten und daß jede spätere Behandlung in geheimer Sitzung erfolgen müsse. Die 
erregte Stimmung, die infolgedessen alle Gemüter in der Reichsduma beherrschte, kam 
in der Sitzung am 29. Dezember dadurch zum Ausbruch, daß das Gesetz des allgemeinen 
Arbeitszwangs zum Anlaß einer ausführlichen Erörterung der allgemeinen politischen Lage 
genommen wurde, wobei namentlich das Verbot gegen die Semstwos und Städteverbände 
eine wichtige Rolle spielte. Den Reigen der Redner eröffnete Miljukow, dessen Rede 
dadurch allgemeines Aufsehen erregte, daß er Trepow in ungewöhnlich heftiger Weise 
angriff, sich im Namen des Blockes vollständig von ihm lossagte und erklärte, eine innere 
Reinigung sei vonnöten, damit das Land den Glauben an den Sieg wiedererlangen 
könnte. Die Regierung habe den offenen Kampf mit der Duma aufgenommen, die Be 
handlung der Duma sei scheinheilig. Bald werde die Duma auseinander geschickt werden 
müssen. Heute lasse sich bestimmt sagen, daß die Duma sich nicht von ihrer Position 
zurückziehe. 1905 sollte eine Warnung für die Regierung sein. Möge sich die Duma 
nicht von Pöbelhausen ablösen lassen. Die letzten 10 Jahre seien nicht spurlos vorüber 
gegangen, der Kamps werde jetzt aber einen ganz anderen Umfang haben und andere 
Formen annehmen. Noch sei es Zeit, die Reaktion zu beseitigen, es dürfe aber nicht 
damit gesäumt werden, denn die Luft sei mit Elektrizität geladen. Jeder suhle, daß 
etwas Unerwartetes sich nähere. Niemand wiffe, wo und wann das Unwetter ein 
schlagen werde, aber man könne nur durch Einigkeit dem Schlage die Richtung geben, 
dis alle wünschten. 
Biilkrtri-g. XX. 
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