Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

238 Rußland während des fünften Kriegshalbfahres 
Tribüne auS abgegeben. Ich wiederhole: Die vollständige Uebereinstimmung über diesen Punkt ist 
unter den Alliierten fest begründet. Und eS besteht kein Zweifel, daß Rußland, nachdem eS die 
freie Zufahrt inS Mittelmeer souverän in Besitz genommen haben wird, der rumänischen Flagge, dis 
nicht zum erstenmal im Kampfe neben den russischen Banners weht, freie Schiffahrt gewähren wird. 
Niemals gab es in der Weltgeschichte einen so entscheidenden Augenblick. Wir müffen die ganze 
nationale Kraft sammeln und sie gegen den Feind werfen. Nichts wird dieser Kraft widerstehen. 
Erinnern Sie sich daran, daß, wie grausam auch die Schläge des Feinde- sein mögen, doch der 
Endsieg unser ist und mit sicherem Schritte zu uns kommt. Gehen wir ihm vereint entgegen." 
Trepows Rede wurde von der Duma sehr kühl aufgenommen und von der Opposition 
mehrfach mit Rufen nach Ssasonow unterbrochen. Die Ankündigung des Abkommens mit den 
Westmächten über Konstantinopel machte kaum Eindruck, was der englische Berichterstatter 
darauf zurückführt, daß das Abkommen tatsächlich schon lange bekannt gewesen sei. 
Der fortschrittliche Block der Reichsduma aber beantwortete die Rede Trepows, 
indem er folgende Entschließung einbrachte: 
„Die ReichSduma erklärt, daß 1° der Einfluß der dunkeln, unverantwortlichen Kräfte zerstört 
werden muß; 3. die Reichsduma nach wie vor mit allen ihr zur Verfügung stehenden gesetzlichen 
Mitteln bestrebt sein wird, ein Ministerium zu schaffen, das genügendes Verständnis für die Auf 
gaben der Gegenwart besitzt, in seiner Tätigkeit bereit ist, sich auf die ReichSduma zu stützen, und 
geneigt ist, das Programm der Mehrheit der Duma durchzuführen." 
Von der Duma begab sich der Ministerpräsident sofort in den Reichsrat und wieder 
holte dort seine Ausführungen. 
Nach Minister Trepow sprach der Abgeordnete Purischkewitsch. Er bezeichnete sich 
zunächst trotz seines Austritts aus der Fraktion der Rechten als rechtsgesinnt und 
fuhr fort: 
„ES ist Zeit, um die Sturmglocke auf dem Turm Jwanweliki zu läuten, damit alles, was jetzt 
im Lande geschieht, vom Volke gehört werde. Wir brauchen keine Regierung von Leuten mit zu 
sammengebissenen Zähnen und geballten Fäusten, deren Kraft sich nur in der hinter der Front 
herrschenden Unordnung bemerkbar macht. Es gibt bei uns Streber, die den ihnen angebotenen 
Posten in der Regierung annehmen, ohne nach der damit verbundenen ungeheuren Verantwortung 
zu fragen und ohne ihren Aufgaben im entferntesten gewachsen zu sein. Die Uneinigkeit der Ministerien 
führte nur dazu, daß sich alle Gouverneure weigerten, die Vorschriften des Landwirtschaftsministeriums 
zu erfüllen, und während der Streit zwischen den Behörden im ganzen Lande um sich greift, hungert 
das Volk weiter. Die Geißeln deS heutigen politischen Lebens sind die Zensur, die Unfähigkeit 
der Regierung und die bedenklichen Vorboten des schließlichen Obsieges der deutsch-freundlichen 
Strömungen. Jedermann schwebt in Ungewißheit, was der morgige Tag bringen wird. 
Meine Herren! Ich habe darauf hingewiesen, waS unsere Existenz ernstlich gefährdet und bedroht, 
aber ich wiederhole, daß der Grund des Uebels nicht in unbedeutenden Personen wie Protopopow 
zu suchen ist. Ich nehme mir die Freiheit, von der Tribüne der Duma herab zu behaupten, daß der 
Kern der Uebels in jenen dunklen Kräften liegt, die Personen wie Marionetten schieben und auf hohe 
Posten Persönlichkeiten hinaufschleudern, die ihren Aufgaben nicht gewachsen sind. Jene dunklen Kräfte 
gehen von Rasputin (vgl. S. 248 f.) aus. ES ist notwendig, daß die Duma und der Reichsrat endlich 
ihre Stimme erheben und von jenem gewaltigen Uebel sprechen, daS die Existenz des russischen Reiches 
mit Fäulnis bedroht. Die letzten Nächte konnte ich nicht schlafen. Ich sehe im Geiste zahllose Tele 
gramme und Briefe, die dieser des Schreibens unkundige Mensch bald dem einen bald dem anderen 
Minister sendet, am häufigsten, wie man sagt, Protopopow. Und wir kennen Beispiele, daß die 
Nichterfüllung seiner Forderung den Sturz mächtiger und starker Personen zur Folge hatte. Wenn 
Ihnen, meine Herren Minister, die Pflicht über die Karriere geht, so gehen Sie zum Zaren, sagen Sie 
ihm, daß eS so nicht weitergeht. Dies ist Ihre Pflicht dem Vaterlande gegenüber. Wenn Ihr treue 
Untertanen seid, wenn Rußlands Zukunft Euch am Herzen liegt, die unzertrennlich mit dem Glanze 
des kaiserlichen Namens verbunden ist, so werft Euch dem Zaren zu Füßen und bittet, daß er Euch 
gestatten möge, ihm die Augen für die entsetzliche Wirklichkeit zu öffnen. Bittet ihn um die Be 
freiung Rußlands von Rasputin und jenen großen und kleinen dunklen Kräften, gleichgültig, wie 
hoch der Posten ist, den sie einnehmen. Denn die Lenker der Geschicke Rußlands dürfen keine
	        
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