Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

D i e fünfte Kriegstagung der Duma II 
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Der Minister drückte sodann sein unverrückbares Vertrauen darauf aus, daß Rußland aus dem Kriege 
erneuert und verjüngt und frei von dem Einfluß fremder Elemente hervorgehen werde, der die 
regelmäßige Entfaltung der Hilfsmittel des Landes einengt. Sich an die Kammer wendend, sagte 
der Minister: „Es gibt viel dringende Arbeit; auch an Sie richtet sich der glühende Aufruf, wirkliche 
Arbeit zu leisten. Namens der Regierung erkläre ich offen, daß sie von dem Wunsche beseelt ist, 
ihre Kväste der wirksamen Arbeit in Gemeinschaft mit den gesetzgeberischen Einrichtungen zu widmen." 
Der Minister führte darauf Fragen an, die vor allem in Gemeinschaft und Uebereinstimmung mit 
den gesetzgeberischen Einrichtungen gelöst werden müffen, und erklärte: „Vor allem ist eS unerläßlich, 
Werkstätten und Fabriken im Lande zu errichten, die imstande sind, die tapfere Armee mit den er 
forderlichen Waffen und Kriegsmaterial zu versehen, damit keine bedrohlichen Ereigniffe sie unvor 
bereitet treffen können. Weiter ist es unerläßlich, die technischen Kräfte des Landes zu entwickeln. 
Eine Reihe von Maßnahmen zur Förderung der Berufsausbildung ist geplant. Ein Gesetzentwurf 
über den allgemeinen und obligatorischen Unterricht und über alle Maßnahmen zur Hebung deS 
Kulturstandes der Bevölkerung wird der Duma vorgelegt." 
Der Minister entwickelte weiter das Programm für die Arbeit aller VerwaltungSzweige und führte dann 
aus: „Der gegenwärtige Kampf ist ein so schwerer und hat eine so starke Rückwirkung auf daS ganze 
Leben im Innern, daß es unmöglich ist, vorauszusehen, welche gesetzlichen Maßnahmen, die jetzt aus 
gearbeitet werden, den Bedingungen in Zukunft entsprechen werden. Augenblicklich besteht das Re- 
gierungsprogramm nur aus einem Punkt: das ist der Sieg, koste er, was er wolle, ein völliger 
und endgültiger Sieg. Der Krieg forderte schon zahlreiche Opfer von uns; er wird noch viele 
mit sich bringen. Dennoch soll uns das nicht hindern. Weder Rußland noch seine Alliierten sind schuld 
am Kriege. Aber nachdem der Krieg einmal vom Zaune gebrochen wurde, werden wir ihn nicht 
eher beenden, als bis der Feind völlig erschöpft ist und in Zukunft keine dauernde Bedrohung des 
allgemeinen Friedens bilden kann. Wir müssen den Krieg biS zur Vernichtung deS deutschen Mili 
tarismus führen, bis eS ihm unmöglich ist, sich in naher Zukunft wieder zu erheben. ES ist 
unerläßlich, die ständige Bedrohung mit Gewalt, die seit etwa 10 Jahren die ganze zivilisierte Wett 
mit Sorge erfüllte, zu beseitigen. Der gegenwärtige Krieg muß gekrönt werden von dem Sieg nicht 
nur über den äußeren Feind, sondern auch über den im Innern. Der Krieg öffnete unS die Augen. 
Wir erkennen jetzt, daß die russische Industrie, die russische Schule, die russische Wiffenschaft und die 
russische Kunst unter dem Joch des Deutschtums stehen. Eines der wichtigsten Probleme, die Ruß 
land lösen muß, besteht darin, mit festem Fuß entschloffen auf die Seite der Freiheit und Unab 
hängigkeit zu treten. Ich wiederhole, meine Herren: unS erwartet ein Kampf, deffen Ausgang im 
Voraus bestimmt ist, der aber unsererseits noch bedeutende Anstrengungen fordern wird. 
Der Feind hält noch immer einen Teil unseres Gebietes besetzt. Wir müffen es noch wieder- 
erobern und von dort aus daS zeitweilig durch Waffengewalt abgetrennte Königreich Polen 
wiedergewinnen. Das ist nicht genug. Wir müffen dem Feinde die einst polnischen Gebiete 
jenseits der Grenze entreißen. Wir wollen ein freies Polen in seinen ethnographischen Grenzen in 
unlöslicher Vereinigung mit Rußland wieder herstellen. Seit über 1000 Jahren strebt Rußland 
nach Süden, zum freien Ausgang inS offene Meer; der Schlüssel zum Bosporus und dev 
Dardanellen, der Schild des Oleg über dem Tor von Konstantinopel, daS sind die Jahr 
hunderte alten Träume, die dem russischen Volke zu allen Zeiten seines Bestehens vertraut waren. 
Diese Wünsche sind seit Kriegsbeginn der Erfüllung nahe. Um Menschenleben zu schonen, taten wir 
gemeinsam mit unseren Verbündeten alles unS Mögliche, die Türkei von einer Teilnahme an den 
sinnlosen Feindseligkeiten zurückzuhalten. Frankreich, England und Rußland hatten nicht die Auf 
gabe, die Türkei in den Krieg hineinzuziehen. Sie bestanden nur darauf, daß sie in ihren eigenen 
Interessen neutral bleibe. Gleichzeitig wurden der Türkei Versicherungen und formelle Versprechungen 
gegeben, wodurch ihr für ihre Neutralität die Unverletzlichkeit ihres Gebietes und ihre Unabhängig 
keit garantiert und ihr außerdem noch gewisse Vorteile gewährt wurden. Aber diese Anstrengungen 
waren vergeblich. Geblendet durch die falschen Versprechungen Deutschlands besiegelte die Türkei, 
indem sie uns hinterrücks angriff, ihr Schicksal. Rußlands LebenSintereffen werden von unseren 
treuen Verbündeten gerade so gut verstanden, wie von unS selbst. Deshalb bestimmte die Verein 
barung, die wir 1915 mit Großbritannien und Frankreich geschloffen haben und der Italien beitrat, 
endgültig Rußlands Recht auf die Meerengen und auf Konstantinopel. In Ueber 
einstimmung mtt unseren Alliierten wird heute die Erklärung über diese Vereinbarung von dieser
	        
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