Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

236 Rußland während des fünften Kriegshalbjahres 
kommen, verließ der neue Ministerpräsident die Tribüne, worauf die Sitzung unterbrochen 
wurde. Der Sozialist Tscheidse, der Trepow wiederholt beleidigende Worte zugerufen 
hatte, wurde für die Dauer von acht Sitzungen von den Reichsdumasitzungen ausgeschlossen. 
Aber als nach der Wiederaufnahme der Sitzung Trepow die Tribüne wieder betrat, setzte 
der furchtbare Lärm mit erneuter Kraft ein, und wiederum waren namentlich die Sozia 
listen und die Arbeitergruppe daran beteiligt. Kerenski, Skobelew, Chaustow, Tschenkeli 
.und Subinski wurden von den nächsten 8 Sitzungen ausgeschlossen und da Suchanow 
sich trotz dreimaliger Aufforderung des Präsidenten weigerte, den Saal zu verlassen, 
wurde er mit Gewalt entfernt. Ihre Haltung begründeten die Obstruktionisten damit, 
daß die Mehrheit der Duma erklärt habe, mit der Regierung nicht gemeinschaftlich 
arbeiten zu können. Denn Stürmers Rücktritt und die Bestallung Trepows hätten nichts 
geändert, da Stürmers Nachfolger aus seinen früheren Ministern, die alle im Amte 
blieben, gewählt worden sei und das bisherige Verwaltungssystem beibehalten werde. 
Als allmählich Ruhe eingetreten war, konnte der Ministerpräsident Trepow schließlich 
folgende Programm re de verlesen: 
„Es sind heute genau 28 Monate seit Beginn des Krieges verfloflen, der an Ausdehnung und 
Hartnäckigkeit seinesgleichen in der Geschichte nicht hat. Es ist hier nicht der Ort, die Gründe seiner 
Entstehung zu wiederholen. Die ganze zivilisierte Welt weiß, daß nicht Rußland den Krieg begann 
und daß nicht uns die Verantwortung für daS menschliche Blut trifft, daS in Strömen flieht. Ver 
blendet durch den friedlichen Geist und die Versöhnlichkeit, von der Rußland im Lause der voran 
gegangenen Jahre Proben abgelegt hat und die sie als Zeichen der Schwäche mißdeutet hatten, 
griffen unS unsere vermeffenen Feinde an. Eine lange Vorbereitung gab ihnen die Gewißheit, daß 
der Krieg nicht lange dauern, sondern mit einem Siege enden würde. Rußland nahm die ver 
wegene Herausforderung an und die unvergleichliche Tapferkeit unserer Krieger und der unerschütter 
liche Mut unserer treuen Alliierten stießen die Berechnungen des Feindes von Grunde auf um. 
Mehr als einmal ist im Namen der Regierung von dieser Tribüne herab laut verkündet worden, 
daß der Krieg bis zum völligen Siege durchgeführt werden wird. Mehr als einmal ist ebenso er 
klärt worden, daß kein vorzeitiger Friede, aus welchen Gründen auch immer, kein Sonderfriede ohne 
unsere Alliierten, geschlossen werden wird. Nichts kann diesen Entschluß umstoßen, der dem unbeug 
samen Willen des erhabenen Beherrschers von Rußland entspringt, der sich eins weiß mit seinem 
ganzen treuen Volke. Rußland wird die Waffen nicht niederlegen, ehe ein völliger Sieg errungen 
ist. Die ganze Welt mag es noch einmal hören, daß, wie groß auch die Schwierigkeiten, wie groß 
auch die zeitweiligen Rückschläge sein mögen, Rußland, das große Rußland und seine tapferen 
Alliierten die letzten Soldaten aufbringen und alle Mittel des Staates zur Verfügung stellen werden, 
damit der Krieg zu einem entscheidenden Ende geführt und die Anschläge und Gewalttätigkeit der 
Deutschen für alle Zeiten vereitelt werden. Die Macht des Feindes ist nicht mehr ungebrochen und 
die ersehnte Stunde der Vergeltung naht mehr und mehr. Aber es bedarf noch ungeheurer An 
strengungen, um den Gegner, der alle seine Kräfte anstrengt, endgültig niederzuschlagen. Die Hilfs 
mittel Rußlands sind unerschöpflich, aber es bedarf des einträchtigen engen Zusammenwirkens des 
ganzen Landes und deS ganzen Volkes, um diese Hilfsmittel nutzbar zu machen." 
Zu den inneren Fragen übergehend drückte der Minister seine Genugtuung aus über die in hohem 
Maße patriotische Tätigkeit der SemstwoS, der Städte, der sozialen Gesellschaften und Privatpersonen 
und fuhr dann fort: „Die Regierung wird in jeder Weise in dieser Tätigkeit vorangehen und ihrer 
seits Maßregeln ergreifen, um eine feste Ordnung hinter der Front herzustellen. In der außer 
ordentlichen Zeit, in der wir leben, machte sich der Mangel einer derartigen Ordnung namentlich in 
der Frage der Verpflegung bis zu dem Grade fühlbar, daß sich trotz deS Ueberfluffes an Erzeug- 
niffen und Menschen an zahlreichen Orten beträchtliche Schwierigkeiten zeigen. Ueberdies ist eS 
notwendig, die Frage zu untersuchen, ob nicht auf daS System der besonderen Ermächtigungen und 
Verbote verzichtet und ein anderes angenommen werden muß, daS dem Handelsverkehr einen wei 
teren Spielraum gibt. Die Schwierigkeiten, die sich in der Transportfrage ergeben, weisen auf die 
Notwendigkeit hin, beständig das große Eisenbahnnetz zu überwachen. Im übrigen werden Maß 
nahmen zu einer vermehrten Beschaffung von Brennmaterial ergriffen werden."
	        
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